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04.12.2019 | Industrie 4.0 | Schwerpunkt | Online-Artikel

Big Data in der produzierenden Industrien

verfasst von: Dieter Beste

6 Min. Lesedauer

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Forscher haben eine Analyseplattform entwickelt, mit der sich die Fertigungsplanung auf Basis von Process-Mining-Verfahren in Echtzeit optimieren lässt. Unterdessen erscheint eine Richtlinie zu Big-Data-Anwendungen in der industriellen Praxis.

Sensoren innerhalb von Produktionsmaschinen liefern je nach Umfang der digitalisierten Produktionslinien einer Fabrik inzwischen enorme Datenmengen, welche nicht nur für die Maschinensteuerung, sondern auch für Analysezwecke verwendet werden können – bis hin zu einer Produktionsplanung in Echtzeit, was besonders in jenen Unternehmen große Vorteile brächte, deren Produktion von häufigen dynamischen Veränderungen der zu bearbeitenden Aufträge oder technischer Vorgaben betroffen ist. Process Mining in der Fertigung – Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes ProPlanE war darum die Entwicklung einer Analyseplattform, um derzeit nicht verwertbare Daten unterschiedlicher Systeme der Geschäftsprozess- und Prozess-Steuerungsebene, wie z. B. ERP-, Produktionsplanungs- oder Maschinendaten, zusammenzuführen und zu nutzen.

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2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

Process Mining

Wird das Vorgehen des Data Mining auf Geschäftsprozesse angewendet, so wird es als Process Mining bezeichnet. Im Kapitel werden die Chancen des Process Mining zur kontinuierlichen Analyse und zur graduellen Optimierung Digitaler Geschäftsmodelle …

Bei ProPlanE handelt es sich um ein umfangreiches Verbundprojekt der Process Analytics Factory GmbH (PAF) als Konsortialführer mit der smart in die Microsoft-Power-BI-Plattform integrierten Process-Mining-Anwendung PAFnow, der Incloud GmbH als Entwicklungspartner für die integrierte Softwarearchitektur sowie dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) als Forschungspartner mit seiner Expertise im Bereich des Geschäftsprozessmanagements und der Prozessanalytik. Anwendungspartner von ProPlanE ist die Brabant & Lehnert GmbH aus Wadern. Das Unternehmen fertigt unter Einsatz von CAD-Technologien komplexe Werkzeuge und Vorrichtungen, hauptsächlich als kundenspezifische Einzellösungen für die Automobil- und Automobil-zulieferindustrie. Deren Geschäftsführer Brabant Lehnert hat die Herausforderungen der gemeinsamen Entwicklung in einem Video vorgestellt.

Während des Projektzeitraumes von Januar 2017 bis Ende 2018 wurden bei Brabant & Lehnert bis dato nicht verwertbare Daten unterschiedlicher Systeme der Geschäftsprozess- und Prozess- Steuerungsebene, wie z. B. ERP-, Produktionsplanungs- oder Maschinendaten, zusammengeführt und die integrierten Daten mithilfe von Process-Mining-Algorithmen analysiert, um sie für eine Produktionsplanung in Echtzeit zu verwenden. "Produktionsmaschinen an Process-Mining-Anwendungen anzubinden, ist Pionierarbeit", sagt Peter Fettke, Forschungsgruppenleiter am DFKI. Durch die Kopplung der verschiedenen Softwaresysteme konnten komplexe Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Informationen – etwa zu Auftragslage, Personal und Maschinenverfügbarkeiten – herangezogen und automatisiert für die Planung berücksichtigt werden. "Die Analyse der Prozesslogdaten zum Identifizieren von langen Liegezeiten schätzen wir als sehr sinnvoll und hilfreich ein. Bei uns als Einzelfertiger sind längere Liegezeiten für bestimmte Einzelteile aufgrund unserer bisherigen Planungsmethode zwar nicht unüblich, allerdings erhalten wir durch die Prozessdatenanalyse wichtige Einblicke in mögliche, bisher unbekannte Prozessablaufschwierigkeiten", erläutert Bernhard Lehnert von Brabant & Lehnert.

Erfassung von Prozessdaten

Trotz der großen Potenziale einer digitalisierten Fertigung sind die gängigen ERP-Systeme heute in vielen Betrieben noch nicht mit der eigentlichen Fertigung verknüpft, so dass den Unternehmen keine digitalen, verknüpften Daten zur Auslastung der Produktion vorliegen. Erst wenn ein fertiges Produkt am Ende der Fertigung wieder eingebucht wird, erscheint es erneut im ERP-System. Manufacturing-Execution-Systeme verknüpfen zwar die Fertigung mit ERP-Systemen, sammeln jedoch in der Regel keine Prozessdaten, sondern lediglich große Mengen an reinen Maschinendaten, wie Druck, Temperatur etc. Die Informationsfülle macht die Implementierung sehr kostspielig. Zudem verfügt der Maschinenpark – wie auch bei Brabant & Lehnert – oftmals nicht über die erforderlichen Schnittstellen.

"Die im Zuge von ProPlanE entwickelte Plattform ist hingegen bei minimalem Implementierungsaufwand in der Lage, die Prozessdaten auf dem Shopfloor zu sammeln. Hier haben wir uns eines ebenso einfachen wie wirkungsvollen Kunstgriffes bedient, um zu Event-Daten zu gelangen: Die Maschinenanwender verzeichneten jeden Prozessschritt während der Produktion mit wenigen Gesten in einer speziellen App auf einem mitgeführten Tablet", erläutert Steffen Müller, Inhaber und Geschäftsführer bei der Incloud GmbH. Der Fokus liegt entsprechend auf der Sammlung der Lauf- und Prozessdaten, um Fragen dazu beantworten zu können, welcher Auftrag an welcher Station wie viel Zeit verbringt und welche Stationen in welcher Reihenfolge angesteuert werden. Die Daten werden nach Angaben der Projektpartner unmittelbar in der Software-Plattform aggregiert und können von dort an das ERP-System, aber auch direkt an Analysesysteme wie das von PAF entwickelte Process-Mining-Tool PAFnow weitergegeben werden.

Röntgenblick auf die Prozesse

Mit Hilfe der Process-Mining-Methode "Process Discovery" werden in PAFnow zunächst die tatsächlichen Ist-Prozesse in all ihren Varianten ermittelt und anschaulich durch einen Prozessgraphen visualisiert. Anschließend vergleicht das Tool mittels der Process-Mining-Funktion "Conformance Checking" die vorliegenden Prozessvarianten mit den ursprünglich geplanten Soll-Prozessen. Auf strategischer Ebene spielt für Fertigungsunternehmen hier nicht nur der prozessuale Ablauf eine Rolle, sondern ebenfalls die Dimensionen Zeit, Kosten und weitere Ressourcen wie Personaleinsatz oder Maschinenverfügbarkeit. "Process Mining zeigt die tatsächlichen Ist-Prozesse. Über diese vollständige Sicht auf den gelebten Ist-Prozess lassen sich in Minuten Schwachstellen und Optimierungspotenziale präzise aufdecken. PAFnow Process Mining bringt die Erkenntnisse von Prozessanalysen dabei direkt zum verantwortlichen Endnutzer und erlaubt ihm über Data Alerts und Workflow-Automatisierung die direkte Prozessoptimierung in Echtzeit", sagt Tobias Rother, CEO der PAF.

Anhand dieser Dimensionen können jetzt nach erfolgreichem Abschluss des Projekts ProPlanE die Prozesse mittels Anreicherung der bestehenden Process-Mining-Ansätze durch Finanz- und Sensor-Daten aus ERP-Systemen analysiert werden. Somit lässt sich nach Angaben der Entwickler automatisiert identifizieren, ob eine Produktionsverzögerung entstanden ist, ob zusätzliche personelle oder materielle Kapazitäten benötigt werden und welcher zusätzliche finanzielle Aufwand hierbei entsteht. Auf Basis der berechneten Änderungen von Zeit, Ressourcen und Kosten könne dann beispielsweise eine Ad-hoc-Re-Kalkulation der Produktionsplanung unter Optimierung der genannten Dimensionen erfolgen. Und basierend auf den berechneten Änderungen sei es nun möglich, dem Produktionsplaner Handlungsempfehlungen zu geben. So könne beispielsweise ein Auftrag priorisiert werden, um mit zusätzlichem Ressourcenaufwand ein Zeitdefizit aufzuholen.

Die automatische Suche in Datenbeständen, um unerwartete Muster und Zusammenhänge zu erkennen und diese in gut verständlicher, häufig grafischer Form aufzubereiten, wird generell als Data Mining bezeichnet und gehört zum Gebiet der Data Analytics. Wird dieses Vorgehen auf Geschäftsprozesse angewendet, so wird es als Process Mining bezeichnet. Es geht zunächst darum, die Spuren der Geschäftsprozesse während ihrer Ausführung in einer Logdatei zu erfassen und ihr Verhalten zu beobachten (Monitoring)." August-Wilhelm Scheer, Unternehmung 4.0, Seite 86

Richtlinienreihe VDI 3714 für die produzierende Industrie

Um Big-Data-Anwendungen zu harmonisieren und deren Implementierung zu erleichtern, hat jetzt die die VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik die Richtlinie VDI/VDE 3714 "Implementierung und Betrieb von Big-Data-Anwendungen in der produzierenden Industrie" herausgegeben; sie soll bei der Analyse und Optimierung von Produktionsprozessen mit Big-Data-Technologien helfen. Die Richtlinienreihe – Blatt Blatt 1 "Durchführung von Big-Data-Projekten" und Blatt 2 "Datenqualität" erscheinen im Dezember 2019 als Entwurf, im ersten Quartal 2020 erscheinen weitere Blätter – spannt den thematischen Bogen von den Grundlagen der Durchführung über die Datenqualität und -bewirtschaftung, Analyse- und Modellierungsverfahren und die Validierung von Modellen bis hin zur Online-Anwendung von datengetriebenen Modellen. Sie bietet damit Verantwortlichen und Praktikern in der produzierenden Industrie einen umfassenden Einblick in die Materie und will damit zu einer Verbreitung von Big Data in diesem Bereich beitragen.

VDI-Richtlinien können in vielen öffentlichen Auslegestellen kostenfrei eingesehen werden. Dagmar Dirzus, Geschäftsführerin der VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik, weist auf die Möglichkeit hin, die Richtlinie durch Stellungnahmen unter Nutzung des elektronischen Einspruchsportals (gma@vdi.de) oder durch schriftliche Mitteilung an die herausgebende Gesellschaft mitzugestalten. Die Einspruchsfrist ende am 31. März 2020.

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