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2017 | Buch

Innovation in der Nachhaltigkeitsforschung

Ein Beitrag zur Umsetzung der UNO Nachhaltigkeitsziele

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Über dieses Buch

Thema dieses Bandes sind die Sustainable Development Goals (SDGs) der UN. Die Vereinten Nationen (UN) wollen in den nächsten 15 Jahren Hunger und extreme Armut auf der ganzen Welt beseitigen. Die Umsetzung der SDGs benötigt konkrete Ansätze, die dazu führen, dass die Ergebnisse der Forschung und Lehre über, für und zum Thema Nachhaltigkeit u.a. zur Umsetzung der SDGs beitragen. Es ist erforderlich, dass mehr Innovation in der Nachhaltigkeitsforschung entsteht. Dieses Buch verfolgt zwei Ziele: Informationen über laufende Forschungsprojekte- und ergebnisse im Bereich Nachhaltigkeit zu verbreiten und den Erfahrungs- und Informationsaustausch zwischen Forschern/Lehrenden und Wissenschaftlern aus Hochschulen, Forschungszentren, Firmen und sonstigen Einrichtungen zu ermöglichen. Im Rahmen des Buchs werden State-of-the-Art-Projekte und -initiativen im Bereich Forschung für Nachhaltigkeit in Deutschland präsentiert sowie innovative Lehr- und Forschungsansätze aufgezeigt.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Entwicklung eines Leitbilds zur „Nachhaltigkeit in der Außer-Haus-Gastronomie“
Zusammenfassung
Das normative Leitbild der nachhaltigen Entwicklung erfährt aktuell in der internationalen politischen Debatte eine Schärfung hin zu einer stärkeren Nachhaltigkeit. Die Anerkennung absoluter planetarischer Grenzen (Bundesregierung 2012, S. 25), die Notwendigkeit des Abkoppelns des Ressourcenverbrauchs vom ökonomischen Wachstum (EU‐Kommission 2011, S. 4), die zentrale Forderung nach Gerechtigkeit (Bundesregierung 2012, S. 25) sowie die Forderung an Unternehmen, Verantwortung für die sozialen und ökologischen Bedingungen entlang der Wertschöpfungskette zu übernehmen (BMUB 2015, S. 7), sind zentrale Bestandteile der von den Vereinten Nationen (UN) verabschiedeten Agenda 2030 sowie der Nachhaltigkeitspolitik der Europäischen Union und Deutschlands. Die Sustainable‐Development‐Goals (SDG, 2015) konkretisieren die Agenda zur nachhaltigen Entwicklung und sollen bis 2030 global zur Überwindung der Armut, zum Schutz des Planeten und zur Sicherung des Wohlstands aller Menschen beitragen (United Nations 2015, S. 1 ff.).
Christine Göbel, Marie-Louise Scheiper, Silke Friedrich, Petra Teitscheid, Holger Rohn, Melanie Speck, Nina Langen
2. Mit qualitativen „insights“ aus der Nische zum Mainstream: Nachhaltiger Konsum von Körperpflegeprodukten
Zusammenfassung
Nachhaltigkeit ist als Begriff in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Nur 15 % der Konsument_innen geben an, diesen Begriff noch nie gehört zu haben (GfK Verein 2015). Konsument_innen sehen sich selbst in der Pflicht, nachhaltiger zu konsumieren (Otto GmbH und Co KG 2013). Allerdings lassen sie sich nicht durch einen moralisch erhobenen Zeigefinger motivieren. Konsument_innen erwarten vielmehr einen persönlich erfahrbaren Mehrwert. Produkte sollen nicht nur einen Basisnutzen erfüllen, sondern auch ökologische und soziale Standards. Dadurch werden Konsument_innen im nachhaltigeren Konsum bestärkt und haben das Gefühl der Selbstwirksamkeit und der Teilhabe (Petersen und Schock 2015). Gleichzeitig erwarten Konsument_innen aber auch von Politik und Unternehmen Impulse, um nachhaltigeren Konsum attraktiver zu gestalten. Insbesondere jüngere Konsument_innen schreiben Wirtschaftsakteuren eine Führungsrolle zu (Otto GmbH und Co KG 2013). Dieser gesellschaftliche Wertewandel wird von Stehr (2014) als „Moralisierung der Märkte“ bezeichnet. Demzufolge versuchen Konsument_innen zunehmend, ihr Konsumverhalten von moralischen Ansichten leiten zu lassen. Werte und Normen werden damit in Kaufentscheidungsprozessen berücksichtigt (Stehr und Adolf 2014). Diese Entwicklung wird weitreichende Konsequenzen für Handel, Hersteller, Marken und Produkte haben. Nationale und internationale Unternehmen müssen sich daher an diesen Wandel anpassen. Konsument_innen tendieren bereits heute dazu, einem nachhaltigeren Produkt den Vorzug zu geben – solange sie dabei keine Qualitätseinbußen oder Preissteigerungen hinnehmen müssen (Olson 2013). Für viele Hersteller ist Nachhaltigkeit deshalb zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor geworden. Der Trend entwickelt sich zu mündigen, verantwortungsvollen Konsument_innen, die sich für einen nachhaltigeren Konsum einsetzen und bereit sind, dafür mehr Geld auszugeben. Bisher handelt allerdings nur eine kleine Kerngruppe wirklich konsequent nachhaltig (Wildner 2014). Der Stellenwert der Nachhaltigkeit variiert außerdem erheblich zwischen den verschiedenen Konsumgüterbereichen. Nachhaltiger Konsum verlangt von Konsument_innen, zwischen verschiedenen – teilweise sogar konkurrierenden – Zielen abzuwägen. Innere Konflikte zwischen der Priorisierung von Natur‐ oder Klimaschutz, fairem Handel oder Tierwohl müssen gelöst werden. Selbst wenn sich diese Ziele nicht gegenseitig ausschließen, so ist doch nicht eindeutig, was Nachhaltigkeit und nachhaltiger Konsum für Konsument_innen konkret bedeuten. Am ehesten wird Nachhaltigkeit mit allgemeinen Umweltaspekten assoziiert; ein klares Bild können Konsument_innen aber kaum zeichnen (GfK Verein 2015). Damit haben Konsument_innen kein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit. Folglich existiert auch keine allgemeingültige, bewährte und im Mainstream anerkannte Definition, Heuristik oder Problemlösungsstrategie, wie die Nachhaltigkeit von Marken und Produkten bestimmt werden kann. Konsument_innen benötigen aber genau das: einfache Problemlösungsstrategien, die es ihnen erlauben, schnell, effizient und ohne große Anstrengung das (subjektiv) richtige Urteil zu treffen.
Andrea K. Moser, Gabriele Naderer, Christian Haubach
3. Beitrag erneuerbarer Energien zur Verfügbarkeit von Elektrizität und Wasser in Afrika: Ansätze für eine nachhaltige Entwicklung?
Zusammenfassung
Untersuchungen zum Energie‐Wasser Nexus belegen, dass sich der Klimawandel langfristig auf die Elektrizitätserzeugungskapazität (Schaeffer et al. 2012, S. 5 f.; Strauch 2011, S. 164–166; van Vliet et al. 2012, S. 679 f.) und folglich auch auf die Elektrizitätspreise auswirken wird (Pacsi et al. 2013, S. 4 f.). Verschiedene Studien zum Einfluss des Klimawandels auf die Umwelt prognostizieren einen grundsätzlichen Anstieg der Lufttemperaturen (Christidis et al. 2015, S. 2 f.; Intergovernmental Panel on Climate Change 2014a, S. 1062–1064), der zu erhöhter Verdunstung aus den Gewässerflächen führt. Gleichzeitig werden größere Mengen Wasser für die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen, für die Kühlung in der industriellen Produktion und in den Haushalten benötigt, wodurch eine regional begrenzte Verknappung der Wasserressourcen vielerorts zu erwarten ist.
Charlotte Newiadomsky, Ingela Tietze
4. Nachhaltigkeit als Determinante des Innovationserfolgs – ein Systematic-Literature-Review und Entwicklung eines konzeptionellen Modells
Zusammenfassung
Nachhaltige Entwicklung im Allgemeinen und die Megatrends der Nachhaltigkeit im Speziellen verändern die Rahmenbedingungen im Innovationswettbewerb der Unternehmen (Franke 2007, S. 1; Stern und Jaberg 2007, S. 2 f.; König und Völker 2003, S. 4). Die damit verbundenen Chancen und Risiken beeinflussen nicht nur in erheblichem Maß die Wettbewerbsfähigkeit, sondern sind aufgrund ihrer Gestaltungsmöglichkeiten auch mit einer hohen gesamtgesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen verbunden. Dabei impliziert die doppelte genuine Ambiguität von Nachhaltigkeit und Innovation die Frage, ob summarisch die Vorteile des Neuen überwiegen oder sich diese a posteriori als negativ herausstellen, da sie nach Schumpeter eine Zerstörung des Alten bedingen (Konrad und Nill 2001, S. 43 f.).
Die erfolgreiche Verbindung von Innovation und Nachhaltigkeit wird in Zukunft für die Unternehmen eine immer wichtigere Rolle bei der Lösung globaler Herausforderungen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit spielen (Vahs und Trautwein 1999, S. 1). Nachhaltiges Wirtschaften gilt als der Motor für Innovationen, der den Unternehmen langfristig gute Erlöse und Wettbewerbsvorteile sichert (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 2008, S. 5 f.). Für das betriebliche Innovationsmanagement folgt hieraus, dass die systematische Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsanforderungen im Rahmen der strategischen Früherkennung, der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und auch des Stakeholder‐Dialogs als Innovationsimpuls eminent ist (Clausen und Loew 2009, S. 49).
Sonja Stanger
5. Nachhaltigkeit des urbanen Gütertransports stärken: Kann ein Transition-Management-Ansatz elektrische Nutzfahrzeuge fördern?
Zusammenfassung
Deutschland ist bestrebt, ein international führender Leitmarkt und Leitanbieter der Elektromobilität zu werden; bis 2020 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren. Das sind die Ziele, die die deutsche Bundesregierung bezüglich der Elektromobilität verlautbart hat. Dem Expertenrat der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) Deutschlands zufolge ist Deutschland auf einem guten Weg zur Leitanbieterschaft. Zum Jahresende 2015 erwartete die NPE (2014) 29 Elektroserienfahrzeuge deutscher Automobilhersteller. Die Bemühungen, einen Leitmarkt zu etablieren, bleiben dagegen zurück: Nur die Hälfte der geplanten Anzahl an Elektrofahrzeugen wird bis 2020 registriert sein, falls keine weiteren politischen Fördermaßnahmen ergriffen werden (NPE 2014, S. 43). Das Expertengremium ordnet Deutschland bei der Wandlung zu einem führenden Markt daher eher im Mittelfeld ein. Andere Bewertungen bestätigen diese Einschätzung im Wesentlichen (McKinsey 2014; Roland Berger 2015). Dieses Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Ebenen beim Erreichen der Ziele kommt nicht überraschend, wenn das Prinzip hinter den Zielen für die Elektromobilität ausgewertet wird. Die Bundesregierung würdigt den Beitrag von Elektrofahrzeugen zur Reduzierung des CO2‐Ausstoßes (Merkel 2013). Der Schwerpunkt bei der Förderung der Elektromobilität liegt jedoch in der Unterstützung der Automobilindustrie des Landes, da der Sektor eine der wichtigsten Säulen der deutschen Wirtschaft darstellt: Die Automobilindustrie generiert ein Viertel des Gesamtumsatzes der deutschen Industrie und ein Fünftel der deutschen Exporte (Merkel 2013). Eine Analyse der Richtlinien zur Elektromobilität in sechs Zuständigkeitsbereichen kommt zu einer ähnlichen Schlussfolgerung, nämlich, dass der vorrangige Schwerpunkt Deutschlands die Industriepolitik ist (Lane et al. 2013, S. 241).
Tessa T. Taefi, Jochen Kreutzfeldt, Andreas Fink, Tobias Held
6. Den Beitrag von kleinen und mittleren Unternehmen zur Umsetzung der Sustainable-development-Goals der Vereinten Nationen – Ein Priorisierungswerkzeug
Zusammenfassung
Im Diskurs über die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen herrscht Einigkeit darüber, dass dieses ein anspruchsvolles Unterfangen ist. Dies resultiert insbesondere daraus, dass komplexe Nachhaltigkeitskonzepte an die jeweiligen Unternehmenskontexte angepasst werden müssen (Hardtke et al. 2014, S. 6) und Unternehmen den Anforderungen ihrer Shareholder Rechnung tragen müssen. Ökonomisch auf dem Markt zu bestehen und gleichzeitig ökologisch und sozial nachhaltig zu agieren, können somit konkurrierende Ziele sein. Insbesondere sind kleine und mittlere Unternehmen (KMU) infolge ihrer Ressourcenknappheit darauf angewiesen, vorhandene Ressourcen besonders effektiv einzusetzen. KMU in Deutschland haben eine hohe volkswirtschaftliche Bedeutung: sie umfassen 99,6 % aller Unternehmen, erwirtschaften mehr als jeden zweiten Euro (56 % des Bruttoinlandsprodukts) und stellen deutlich über die Hälfte aller Arbeitsplätze (59,4 % Arbeitsplätze; BMWI 2014, S. 2).
Meriem Tazir, Dirk Schiereck
7. Sustainable-Governance für die Sustainable-Development-Goals
Institutionelle Innovationen für die große Transformation
Zusammenfassung
Die im Rahmen der Millennium‐Development‐Goals (MDG) und ihrer Bilanz sowie der langjährigen Diskussionen über die Sustainable‐Development‐Goals (SDG) zeigte sich, dass eine deutliche und wirkungsvolle Richtungsveränderung der bisherigen nicht nachhaltigen Entwicklung noch nicht erfolgt ist. Angesichts der Klimakatastrophe, der sozioökonomischen Polarisierung und weiterer destruktiver Trends sind hier die maßgeblichen Akteure zu innovativem zukunftsorientiertem Handeln gefordert. Es gilt, bisherige Fehlentwicklungspfade zu verlassen und umzusteuern. Zahlreiche Ansätze hierfür zeichnen sich erfreulicherweise bereits ab, so auch in der Bundesrepublik Deutschland.
In sehr unterschiedlichen und vielfältigen Nachhaltigkeitsaktivitäten auf allen föderalen Ebenen haben in Deutschland während der letzten eineinhalb Jahrzehnte zu einer recht weiten Verbreitung des Leitbilds zur nachhaltigen Entwicklung und entsprechenden Verhaltensweisen und Politiken beigetragen. Die dominanten gesellschaftlichen und politischen Trends stehen dem jedoch meist noch immer entgegen. Nachhaltigkeit ist trotz zahlreicher positiver Ansätze noch immer nicht im Mainstream angekommen und es bedarf dazu dringend starker Impulse und zusätzlicher Unterstützung sowie eines effektiveren Vorgehens der Institutionen und der diesbezüglichen Forschung.
Edgar Göll
8. Die normative Ordnung der service-dominierten Logik für ein komplexes Wertnetzwerk – ein innovativer Weg zu mehr Nachhaltigkeit?
Zusammenfassung
In einem vielbeachteten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung (WBGU) im Jahr 2011 wird ein notwendiger Transformationsprozess zu einer klimafreundlicheren Gesellschaft angemahnt (WBGU 2011). Im Jahr 2014 wird diese Forderung im Sondergutachten Klimaschutz als Weltbürgerbewegung aktualisiert (WBGU 2014). Studien verdeutlichen, dass viele Unternehmen in den letzten Jahren diesem geforderten Transformationsprozess nur sehr langsam und einseitig nachgehen. Danach sind nachhaltige Verhaltensweisen scheinbar nur dann relevant, wenn sie dem Unternehmen einen strategischen Wettbewerbsvorteil ermöglichen (Corporate Responsibility Index 2013). Werte und Normen von Unternehmensvertretern sowie deren gesellschaftlich verantwortungsvolles Handeln, verändern sich nur sehr strategisch. Das mag u. a. daran liegen, dass in der Vergangenheit primär technische Innovationen, z. B. effizientere Motoren, im Mittelpunkt standen, um den Transformationsprozess zu unterstützen und weniger die Veränderung von Einstellungen und Verhalten der Individuen (Stengel 2011). In den letzten Jahren haben jedoch soziale Innovationen (z. B. Sharing‐Economy) mit dem Ziel an Bedeutung gewonnen, die Ressourceneffizienz zu erhöhen. Ergänzend zeigen sich vielfältige Potenziale, wie sich gesellschaftliche Veränderungen durch innovative Formen der Kooperation, z. B. Reallabore, voranbringen lassen.
Johannes Hogg, Kai-Michael Griese, Kim Werner
9. Nachhaltigkeitsforschung in einer transzendenten Entwicklung des Hochschulsystems – ein Ordnungsangebot für Innovativität
Zusammenfassung
Die deutsche Hochschullandschaft stellt sich grob vereinfacht folgendermaßen dar: Etwa 400 Hochschulen ringen um nationale und internationale Sichtbarkeit aufgrund sehr unterschiedlicher Motive. Die Privathochschulen positionieren sich in Nischen, um zahlungsfähigen Studierenden ein besonderes Lehrangebot zu machen und ringen dabei mit den Anforderungen, auch durch Forschung nach hohen Qualitätsmaßstäben einen Platz neben den staatlichen Hochschulen ergattern zu dürfen. Fachhochschulen strecken sich nach den Forschungsräumen der Universitäten und stehen vor der großen Aufgabe, trotz intensiver Lehrtätigkeit ohne akademischen Mittelbau ebenfalls durch Forschung wahrgenommen zu werden. Und Universitäten sind im Wettbewerbsmodus gefangen und versuchen laufend, Unterschiede zueinander zu generieren, um Profil in der Forschungslandschaft zu gewinnen. Für alle Institutionen in der Hochschullandschaft ist es zurzeit bedeutsamer, sich über Forschung zu profilieren denn über gute Lehre. In diese Tendenz hinein versuchte erst die UN‐Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung (2005–2014) und nun ein passendes UN‐Weltaktionsprogramm, Hochschulen dazu zu bewegen, Nachhaltigkeit zum Thema von Forschung, Lehre und Betrieb zu machen (DUK 2016).
Georg Müller-Christ
10. Marktimpulse für Verbraucherprodukte ohne problematische Inhaltsstoffe
Zusammenfassung
„Nachhaltige Konsum‐ und Produktionsmuster sicherstellen“ („Ensure sustainable consumption and production patterns“) – so lautet die Überschrift zum 12. „sustainable development goal“ (SDG) der UN‐Agenda 2030, die 193 Staats‐ und Regierungschefs in der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 25. September 2015 angenommen haben. Zu den vereinbarten Zielvorgaben zählt auch, durch Chemikalien ausgelöste nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt bis 2020 auf ein Mindestmaß zu beschränken sowie bis 2030 sicherzustellen, „dass die Menschen überall über einschlägige Informationen und das Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung“ verfügen (Zielvorgaben 12.4 und 12.8 UN‐Agenda 2030).
Julian Schenten, Martin Führ, Kilian Bizer
11. Transformationspsychologie für nachhaltige Entwicklung: Zur Überwindung von Hindernissen für Nachhaltigkeit im Rahmen einer psychologisch fundierten Sustainability-Science
Zusammenfassung
Folgende Annahmen über unsere eigene psychische Natur sowie über die Gestaltung unseres Wirtschaftssystems und der Verteilungs‐ und Konsummuster haben nach Meinung des Autors die heute vorherrschenden Lebensmuster hervorgerufen, die derzeit nur wenig von der Gesellschaft und an den Hochschulen hinterfragt und diskutiert werden:
  • Die Egofalle: Wir Menschen seien v. a. egoorientierte und wettbewerbsgetriebene Wesen.
  • Die Anthropozentrismusfalle: Wir Menschen seien das höchstentwickelte Wesen der Evolution und hätten mehr Rechte als andere Lebewesen.
  • Die Konsum‐Glücks‐Falle: Konsum mache glücklich; viel Geld ermögliche viel Konsum und mache daher besonders glücklich.
  • Die Zinsfalle: Ein Geldsystem mit Zinsen sei für eine Wirtschaft notwendig.
  • Die Wachstumsfalle: Andauerndes Wirtschaftswachstum sei notwendig.
  • Die Ressourcenfalle: Die uns verfügbaren Ressourcen seien im Prinzip endlos.
  • Die Zentralisierungsfalle: Zentralisierte Produktion sei in jedem Fall besser als verteilte.
  • Die Privatbesitzfalle: Privatbesitz öffentlicher Dinge diene zu deren Erhalt.
  • Die Meinungsbildungsfalle: Es sei leicht, sich eine eigene zutreffende und zielführende Meinung zu bilden.
  • Die Sinnfalle: Es sei unnötig oder trivial, den Sinn des eigenen Lebens finden zu wollen.
Peter Schmuck
12. Innovative Ansätze im Bereich Energie und Nachhaltigkeit
Umnutzung von leerstehenden Industriebauten zu Energiespeichern – Eine Untersuchung am Beispiel der Silobauten
Zusammenfassung
Die Energiewende ist der Wegbereiter zu einer Energieversorgung, die fast vollständig auf dem Einsatz erneuerbarer Quellen basiert. Sollte dies gelingen, wäre es ein Meilenstein hin zur Dekarbonisierung und dem übergeordneten Ziel einer „fossil free future“. Die Abkehr von endlichen Rohstoffen wie Kohle, Gas und Erdöl, deren Nutzung mit dem Ausstoß klimaschädlicher Emissionen verbunden ist, korrespondiert zudem mit dem Leitgedanken nachhaltiger Entwicklung: Potenziale nutzen, ohne die Möglichkeiten zukünftiger Generationen einzuschränken oder zu gefährden. Gerade die Hinwendung zu den erneuerbaren Energiequellen, die aus menschlicher Sicht unerschöpflich sind und emissionsfreie Energie liefern, ist in diesem Sinn der einzig richtige Schritt. Doch bis wir einen Anteil an erneuerbaren Energien von bis zu 60 % (BUNR 2011, S. 5) erreichen, ist die gemeinsame Anstrengung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gefordert. Konkrete Instrumente und einen Fahrplan, wie die Energiewende gelingen soll, benennt die Bundesregierung 2010 im Energiekonzept. Das Programm umfasst ein Paket verschiedener Maßnahmen, zu denen, neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien, auch die Steigerung der Energieeffizienz und der Netzausbau zählen (BUNR 2011, S. 7–32). Eine der Kernfragen bei der Umsetzung dieser Maßnahmen, die ursächlich mit dem Ausbau und der Einbindung der erneuerbaren Energiequellen in Verbindung steht, ist die nach der Speicherung von Energie. Sonnen‐ und Windenergie sind fluktuierende Quellen, weshalb ihr Ertrag nicht zu jeder Zeit und in gleicher Menge verfügbar ist. Dieser Umstand steht allerdings im Widerspruch zu der Aufgabe jeder Energieversorgung, die darin besteht, Versorgungssicherheit zu bieten. Eine Möglichkeit, dieser Problematik zu begegnen, ist der Einsatz von Energiespeichern. Diese können in Zeiten der Überproduktion Überschüsse speichern, um damit Phasen verminderter Produktion zu überbrücken. Deren Ausbau wird explizit von der Bundesregierung gefordert. Darüber hinaus wurde die Forschungsinitiative Energiespeicher (BWMi 2012) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BWMi), Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) und Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ins Leben gerufen, um gezielt Projekte im Kontext der Energiespeicherung zu fördern. Der überwiegende Teil der 87 aufgeführten Projekte befasst sich mit der Neu‐ oder Weiterentwicklung von Speichersystemen und ihrer Einbindung ins Netz, wobei der Fokus überwiegend auf großskaligen Einheiten im Bereich mehrerer Megawattstunden liegt. Doch gerade in der Bereitstellung klein‐ bis mittelformatiger Speicher, die ebenfalls zum Gesamtbedarf beitragen können, gibt es noch weitestgehend unerschlossene Potenziale. Hierzu zählt die Möglichkeit, leerstehende Bauwerke umzunutzen und als Speichereinheiten einzusetzen. Dieser Ansatz bietet gegenüber dem Neubau einige Vorzüge, die auch in Hinblick auf die Nachhaltigkeitsforschung von Bedeutung sind. Allen voran ist es das Einsparen von Ressourcen, wozu Energie, Bauland und Materialien zählen, das die Nachnutzung auszeichnet und sie im Kontext des Gesamtvorhabens zur Transformation des Energieversorgungssystems als Innovation charakterisiert. Eine Referenz ist das Projekt Energiebunker, das im Rahmen der Internationalen Baustellung in Hamburg Wilhelmsburg realisiert wurde. Gegenstand ist ein Flakbunker aus dem Jahr 1943, der mit einem 2000 m großen Wärmespeicher ausgestattet wurde und insgesamt 3000 Haushalte mit Energie versorgen kann. Die Wärmeerzeugung übernehmen ein Blockheizkraftwerk und eine solarthermische Anlage, die sich über das Dach und die Fassade des Bunkers erstreckt (Internationale Bauausstellung 2010, S. 43). Nachfolgend wird das Augenmerk vom militärischen auf den industriellen Gebäudesektor und die Speicherung von elektrischer Energie gelegt. Es geht um die Frage, ob eine vergleichbare Nachnutzung auch in dieser Konstellation möglich ist. Der industrielle Gebäudesektor ist insofern interessant, weil er von einer großen Diversität an Bauwerkstypen gekennzeichnet ist und viele Konversionsvorhaben mit der Entwicklung ehemaliger Industrieanlagen in Verbindung stehen. Das prominenteste Beispiel ist sicherlich die Rhein‐Ruhr‐Region, wo der Strukturwandel bis zum heutigen Tag ein hochaktuelles Thema ist. Der zweite Fokus liegt auf der Speicherung von elektrischer Energie, weil sie eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Energiewende einnimmt. Sie wird benötigt, um die Einbindung von Photovoltaik‐ und Windkraftanlagen sicher zu stellen, die seit Jahren große Zuwachsraten verzeichnen. Darüber hinaus ist die Windkraft designiert, den zentralen Pfeiler (BUNR 2012, S. 30) unserer zukünftigen Energieversorgung zu bilden.
Joachim Schulze
13. Innovationen im Regenwassermanagement in Hamburg
Zusammenfassung
Innovation im Bereich Nachhaltigkeit beinhaltet auch Konzepte, über wie Naturressourcen besser verwendet werden können bzw. sollen. In diesem Beitrag wird ein Beispiel aus der Wassersektor beschrieben, im Rahmen dessen aufgezeit wird, wie Regenwasser nachhaltig gewonnen und verwendet werden kann.
Walter Leal Filho
14. Kommunikation zwischen Wissenschaft und Praxis als Standbein der Nachhaltigkeitsforschung: Projektbeispiel zukunftsfähige Nahrungssysteme
Zusammenfassung
Armut gilt als eine der Hauptursachen für Hunger und Mangelernährung in den Ländern des globalen Südens und immer noch gelten über 800 Mio. Menschen und mehr als 160 Mio. Kinder als chronisch unterernährt (Marke 2014, S. 14); 75 % der 1,4 Mrd. von extremer Armut betroffenen Menschen leben in ländlichen Gebieten und zwei Drittel sind Kleinbauern (IFAD und UNEP 2013, S. 8). Durch diese Zahlen wird deutlich, dass bei der Bekämpfung des Hungers, der ländlichen Armut sowie beim Schutz der natürlichen Ressourcen nachhaltige Nahrungsmittelproduktion auf kleinbäuerlicher Ebene eine zentrale Rolle spielt. Weltweit wirtschaften kleinbäuerliche Produzenten auf 550 Mio. Landwirtschaftsbetrieben mit steigender Tendenz (Campbell und Thornton 2014, S. 2). Der Großteil der Arbeit wird dabei durch kleinteilig wirtschaftende Familienarbeitskräfte erledigt, i. d. R. auf weniger als zwei Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, wodurch weltweit rund 80 % der Nahrungsmittel produziert werden (FAO 2014, S. 10). Die arbeitsintensive Produktion nutzt noch zu einem Viertel menschliche Energie. Der Anteil der Fläche in Subsahara‐Afrika, der mit der Handhacke bearbeitet wird, liegt sogar bei 71 % (Bennetzen et al. 2016, S. 53). Aufgrund der Abgelegenheit vieler ländlicher Regionen sind die soziale und technische Infrastruktur sowie die Anbindung an Märkte und Geld‐ und Kreditsysteme oft unzureichend.
Silke Stöber
15. Third-Mission und Transfer als Impuls für nachhaltige Hochschulen
Dargestellt am Beispiel der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
Zusammenfassung
Der öffentliche Auftrag von Hochschulen ist Lehre und Forschung. Heute gehen die Aktivitäten von Hochschulen jedoch deutlich darüber hinaus: Weiterbildungsangebote, Wissenstransfer oder Begleitung von Gründungen gehören heute regelmäßig zum Aufgabenspektrum von Hochschulen (Henke et al. 2016, S. 6). Kernfunktion von Hochschulen bleibt jedoch, Fach‐ und Führungskräfte auszubilden sowie durch zweckfreie Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung neues Wissen zu schaffen. Dafür werden sie von der Gesellschaft bzw. aus Steuermitteln oder durch Dritte finanziert.
Benjamin Nölting, Jens Pape
Metadaten
Titel
Innovation in der Nachhaltigkeitsforschung
herausgegeben von
Walter Leal Filho
Copyright-Jahr
2017
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-54359-7
Print ISBN
978-3-662-54358-0
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-54359-7