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2023 | Buch

Innovationsgesellschaft heute

Befunde und Ausblicke

herausgegeben von: Ingo Schulz-Schaeffer, David Seibt, Arnold Windeler

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

Der Band setzt es sich zum Ziel, zentrale Ergebnisse des Graduiertenkollegs Innovationsgesellschft heute zu sammeln und in Hinblick auf dessen übergreifende theoretische Ansätze, empirische Gegenstände und gesellschaftlich relevante Fragestellungen zu reflektieren. Was haben wir über die Strukturen und Dynamiken der Innovationsgesellschaft gelernt und wie haben sich diese über den Forschungszeitraum weiterentwickelt? Wie konstituieren sich Innovationsfelder und andere innovationsbezogene Mesoordnungen und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich zwischen ihnen feststellen? Welche neuen Praktiken reflexiver Innovation bilden sich heraus und welche Steuerungsprobleme, unintendierte Nebenfolgen und Gegenbewegungen sind mit ihnen verbunden? In welchem Verhältnis steht Innovation zu etablierten Strukturen, feldspezifischen Materialitäten und gesellschaftsweiten Entwicklungen wie etwa der Digitalisierung? Welche Rolle spielen gesellschaftliche Krisen bei der Hervorbringung und Durchsetzung von Innovationen?

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Zur doppelten Dynamik der Innovationsgesellschaft heute – eine Einleitung
Zusammenfassung
Der Beitrag bietet einen Überblick über die Entwicklung und Ergebnisse des DFG Graduiertenkollegs Innovationsgesellschaft heute: Die reflexive Herstellung des Neuen und macht Vorschläge zu dessen Weiterentwicklung angesichts aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen, insbesondere der Digitalisierung. Die These des Beitrags lautet, dass Innovationsgesellschaften heute von einer doppelten Dynamik gekennzeichnet sind: In ihnen werden nicht nur die Potenziale zur Hervorbringung des Neuen systematisch gesteigert, sondern auch die mit der gesellschaftlichen Realisierung dieser Potenziale in Innovationsprozessen verbundenen Herausforderungen, Gegenbewegungen und nicht beabsichtigten Nebenfolgen, wobei diese ihrerseits Ausgangspunkte für weitere Innovationen generieren können. Zur Entwicklung unseres Arguments skizzieren wir zunächst die wichtigsten Eckpunkte des Forschungsprogramms des Graduiertenkollegs. Sodann zeigen wir, wie die im Kollegzusammenhang entwickelten Konzepte helfen, die Ubiquität, Heterogenität und Reflexivität von Innovationsprozessen als Bedingungen und Folgen der Doppeldynamik moderner Innovationsgesellschaften zu verstehen. Anhand empirischer Befunde des Kollegs argumentieren wir ferner, dass gerade digitalen Technologien, als Mittel und Gegenstand von Innovationsprozessen, das Potenzial zugeschrieben werden kann, die angesprochene doppelte Dynamik noch zu verstärken. Abschließend skizzieren wir die konzeptionellen Herausforderungen, die sich aus diesen Befunden für die soziologische Innovationsforschung ergeben und ordnen die in diesem Band versammelten Beiträge in den Forschungsraum des Graduiertenkollegs ein.
David Seibt, Arnold Windeler, Ingo Schulz-Schaeffer
Merkmale des Innovationsimperativs und Faktoren seiner Verbreitung
Zusammenfassung
Seit einigen Jahrzehnten lässt sich eine weite Verbreitung der Überzeugung beobachten, dass Innovation grundsätzlich etwas Gutes ist und das Mittel der Wahl darstellt, um Dinge zu verbessern, Probleme aller Art zu lösen und die Gesellschaft in den unterschiedlichsten Handlungsbereichen voranzubringen. Diese Überzeugung begründet den Imperativ, innovativ sein zu sollen und danach zu streben, Neuerungen zu entwickeln und gesellschaftlich zur Wirkung zu bringen. In diesem Beitrag fragen wir nach den Faktoren, die dazu beigetragen haben, dass der Innovationsimperativ gesamtgesellschaftliche Wirksamkeit erlangt hat und sich über die genuin neuheits- und innovationsaffinen gesellschaftlichen Handlungsfelder hinaus auch auf tendenziell innovationsaverse Handlungsfelder ausgebreitet hat.
Ingo Schulz-Schaeffer, Simon Egbert
Wie soziale Innovationen die ländliche Raumentwicklung durchdringen
Zusammenfassung
Der Beitrag zeigt die zunehmende Durchdringung von ländlicher Raumentwicklung und sozialen Innovationen. Während noch 2010 für die räumliche Planung eine fundierte Anwendung des sozialwissenschaftlichen Innovationskonzepts gefordert wurde, wird zehn Jahre später die ubiquitäre Verwendung des Begriffes in der Raumentwicklung kritisiert. Unterdessen beobachtet die Raumforschung inzwischen anhand ausdifferenzierter Konzepte Phänomene sozialer Innovation auch in der ländlichen Raumentwicklung, und die Praxis regionaler Entwicklung fördert zunehmend soziale Innovationen zur Stärkung ländlicher Räume. Dabei verschwimmen mitunter drei Bedeutungsebenen sozialer Innovationen als Phänomen, Forschungskonzept und normativer Zielsetzung der Raumentwicklung. Mithilfe einer analytischen Trennung dieser unterschiedlichen Bedeutungen und der Erweiterung bestehender Forschungskonzepte um die Beobachtungsperspektiven Semantik, Grammatik und Pragmatik argumentiert der Beitrag, dass sich die diagnostizierte Innovationszone auch räumlich bis in die ländliche Raumentwicklung ausgedehnt hat. Vor dem Hintergrund einer normativen Zielsetzung sozialer Innovationen als Element räumlicher Entwicklung zeigt sich darüber hinaus, dass Semantik einerseits sowie Grammatik und Pragmatik andererseits oftmals auseinanderfallen.
Ariane Sept
Innovation as Keeping Up. Interdependent Technologies as Drivers of the Innovation Society
Abstract
This article explores the role of technological interdependence as a socio-technical driver of the innovation imperative. Depending on the accompanying social conditions, constellations of technological interdependence can either inhibit or incentivize the creation of innovations. In the latter case, the less powerful actors in the actor constellation experience a strong pressure to keep up with the innovation activities of the owners of the complementary core technologies. The role of technological interdependence is explored in more detail by investigating the mobile app industry. Based on its pattern of interdependence, the field exhibits a particularly strong pressure to engage in innovation. In mobile app development, actors must deal with six issues of interdependent innovations: the retention of compatibility, the timing of the interdependent innovations, the management of innovation frequency, the preservation of compatibility with previous iterations, the handling of compatibility with a large number of complementors, and achieving compatibility with a wide range of diverse complementors. The article concludes with a discussion of how digitalization, through the growing proliferation of platforms, creates conditions that further catalyze the innovation imperative.
Christopher Grieser
Wicked Problems und Innovationen. Wie heterogene Akteure das verzwickte Feld der Energiewende bestellen
Zusammenfassung
Systemische Innovationen erfolgen häufig in als überkomplex wahrgenommenen Umgebungen, etwa bei der Transformation unseres Energiesystems. In diesem Beitrag wenden wir uns Diskursen im Kontext der Energiewende in Deutschland zu, letztere getrieben vom Innovationsimperativ des Klimaschutzes. Anhand von vier exemplarischen Fällen (atomare Endlagersuche, Solarenergie sowie Windenergie an Land und auf See) betrachten wir Diskurskoalitionen heterogener Akteure in diesem Handlungsfeld. In Anlehnung an die wicked problems-Forschung von Horst Rittel und Melvin Webber konnten wir teils mehr, teils weniger verzwickte Auffassungen von Energiewendefragen herausstellen. Verzwickte Probleme werden unter erheblicher gesellschaftlicher Anstrengung erkannt und können umso motivierter einer gewissen Zähmung zugänglich sein. Wicked problems können Innovationen sowohl ankurbeln als auch hemmen, oftmals in Abhängigkeit der agierenden Akteure.
Johann Köppel, Juliane Biehl
Wem gehört das ausgedachte Neue? Drei Fallstudien zur Praxis des geistigen Eigentums
Zusammenfassung
Die Entwicklung der modernen Innovationsgesellschaft hängt ab von den Rechtsinstituten, mit denen die Suche nach dem Neuen und seine Durchsetzung beim Kreis seiner Nutzerinnen begleitet, gestützt und abgesichert wird. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Institut des „geistigen Eigentums,“ das sich allerdings vom Sacheigentum in signifikanter Weise unterscheidet. Der Streit über die zukünftige Ausgestaltung des Immaterialgüterrechts wird durch Fallstudien anschaulich gemacht. In den Episoden wurden Steuervermeidungsstrategien für Erträge aus Suchmaschinenpatenten, Lizenzinnovationen für Computerprogramme sowie Rechte zur Nutzung einer digitalen Musiksequenz gesellschaftlich ausgehandelt.
Michael Hutter
What Futures? Reflections on the Temporal Plurality of Innovation Processes
Abstract
Innovation strives for the ongoing production of novelty in a systematic manner (Rammert, W., Windeler, A., Knoblauch, H. & Hutter, M. (2018a): Expanding the Innovation Zone. In W. Rammert, A. Windeler, H. Knoblauch & M. Hutter (Eds.): Innovation Society Today. Perspectives, Fields, and Cases (pp. 1–11). Springer VS, p. 3). However, the very idea of novelty necessarily entails non-linear, contingent and therefore unpredictable elements, as it is concerned with futures that are not yet stabilized. This paper aims to reflect upon this relationship by asking how those futures appear in the making of innovations and how these images are shaped by ongoing processes of producing novelty. Comparing four empirical cases – the development of nudges, the discursive justification of ‘autonomous’ driving technology, the playful tinkering with technologies in hacking and making, and the construction of neo-traditional and futuristic buildings – we develop and answer three analytical questions: 1) What futures become effective in each respective case, and how can they be described? 2) Which ways lead to these futures, how can they be achieved? 3) How certain are these futures, what relationship with uncertainty do they entail? We show how ‘the future’ is better described as a plurality of ‘futures’, depending on the concrete realization of a certain innovation process. Hence, our paper suggests taking this heterogeneity into account when analyzing innovation processes. Moreover, we argue that such a comparison of diverging cases can yield important insights for the theory of the innovation society, as it demonstrates innovation’s general multiplicity and situational adaptability.
Barbara Crespi, Sebastian Dahm, Marco Paladines, Tim Seitz
Innovation und Kommunikation
Über die Entstehung einer kommunikativen Gattung
Zusammenfassung
In diesem Aufsatz wird der Science Slam als innovative Wissenschaftskommunikation thematisiert. Innovation wird dabei eine Neuerung definiert, die sich durch situierten und interpersonellen Erfolg auszeichnet. In Anlehnung an (Yates und Orlikowski, Academy of Management Review 17:299–326, 1992) wird die Gattung des Science Slam als neu bezeichnet, weil eine Gruppe von Menschen neue Formen und neue Zwecke von Kommunikation in Differenz zu Vorherigen beschreibt und umsetzt. Innovative Wissenschaftskommunikation im Rahmen des Science Slams bezeichnet (in situierten oder digitalen Settings) erfolgreiche (d. h. sozial anerkannte) Auftritte. Dieser Beitrag schließt an soziologische Ansätze der Innovationsforschung (vgl. Hutter, M., Knoblauch, H., Rammert, W., & Windeler, A. (2011). Innovationsgesellschaft heute: Die reflexive Herstellung des Neuen. Technical University Technology Studies Working Papers. TU Berlin) an, indem er wirtschaftliche und technische Betrachtungen von Innovation durch eine soziale Dimension erweitert. Wie ich zeige, stellt der Science Slam eine exemplarische Gattung einer nach Innovation strebenden Gesellschaft dar (vgl. Hill, 2020). Der Innovationsimperativ trifft hierbei nicht nur den Inhalt der Vorträge (Verkünde das neue Wissen!), sondern auch die Form (Stelle dich neu und anders dar!). In diesem Kontext hat die Digitalisierung zu besonderen Dynamiken und reflexiven Produktionsweisen geführt. Wie sich zeigt, wird der Innovationsimperativ zu einem Treiber und temporären Stabilisator der Verstetigung innovativer Wissenschaftskommunikation. Unterdessen entzieht sich innovative Wissenschaftskommunikation in ihrer institutionalisierten Form die eigene Legitimation. In diesem Sinne gleicht der Prozess der kommunikativen Konstruktion des Slams einer „schöpferischen Zerstörung“ (vgl. Schumpeter, J. (2000 [1934]). Entrepreneurship as innovation. In R. Swedberg (Hrsg.), Entrepreneurship. The social science view (S. 51–75). Oxford University Press [1934]) der jüngst etablierte Kommunikationsstrukturen zerstört.
Miira Hill
Kritik als Triebkraft organisationaler Innovation
Eine Fallstudie aus dem Transformationsfeld der Integrationsmaßnahmen für Migrant:innen
Zusammenfassung
Der Text präsentiert Befunde einer praxistheoretisch informierten Fallstudie zur innovativen Organisationsform des Nachbarschaftshauses NOVOS, die ihren Ausgangspunkt in der Kritik an der staatlich-administrativen Organisation von Integrationsmaßnahmen für Migrant:innen nimmt. Die Untersuchung geht der Frage nach, inwiefern Kritik im Fall von NOVOS eine praktisch wirksame Triebkraft organisationaler Innovation ist. Aufgezeigt wird, dass die Positionierung einer Organisation als Kritikerin in einem umfassenderen Transformationsfeld eine zentrale Triebkraft für organisationale Innovation ist. Differenzierte Kritiken der Praktiker:innen an der etablierten Organisationsform von Integrationsmaßnahmen ermöglichen die Entstehung und Stabilisierung einer innovativen Organisationsform und prägen lokal-wirksame und neuartig ausgelegte Praktiken der organisationalen Regulation in der Erbringung konkreter Integrationsangebote. Diese Praktiken organisationaler Innovation beziehen sich stets reflexiv auf die Beeinflussung des umfassenderen Transformationsfeldes der Integrationsarbeit und ermöglichen es den Praktiker:innen die Organisation selbst über ihre innovative Organisationsform als Alternative aktiv in dieses Feld einzubetten. Die organisationalen Praktiken zielen zudem darauf ab, verschiedene Feldakteure zu beeinflussen. Kritisch orientierte Organisationen wie NOVOS bieten flüchtige Ausblicke auf realisierbare Alternativen an und sind damit bereits an ihrer Verwirklichung beteiligt. Indem sie neue Sehnsüchte und Möglichkeiten bereitstellen, sind sie Teil einer interessierten Ausgestaltung heutiger Innovationsgesellschaften, die keine einheitliche Entwicklung und kein Zentrum mehr kennen.
Robert Jungmann, Florence Eyok
Das Finanzsystem der Innovationsgesellschaft
Zum Zusammenspiel von Innovation und Risiko in der Finanzindustrie
Zusammenfassung
Das globalisierte Finanzsystem nimmt in der modernen Innovationsgesellschaft eine Schlüsselposition ein. Investmentbanken, Hedge-Fonds und andere Finanzorganisationen versuchen permanent, durch die Entwicklung neuer Finanzinnovationen Wettbewerbsvorteile zu erschließen und Profite zu maximieren. Zugleich verdeutlichen immer wieder auftretende Finanzkrisen, dass diese forcierte Innovationsorientierung mit der Erzeugung neuer und komplexerer Risikolagen einhergeht. Innovation und Risiko spielen im Finanzsystem in problematischer Weise zusammen. Vor diesem Hintergrund zeigt der Beitrag in historischer Perspektive, wie die permanente Entwicklung neuer technischer und sozialer Innovationen im Finanzsystem progressiv systemische Risikoproblematiken verschärft.
Marco Jöstingmeier
Zehn Jahre Innovationsgesellschaft heute. Reflexionen über ein Forschungsprogramm
Zusammenfassung
Der Beitrag präsentiert Reflexionen über das Forschungsprogramm des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Zeitraum 2012 bis 2021 geförderten und an der TU Berlin angesiedelten Graduiertenkollegs Innovationsgesellschaft heute. Die reflexive Herstellung des Neuen. Der Beitrag basiert auf einem Interview, das David Seibt mit Werner Rammert und Arnold Windeler, den Sprechern der ersten und der zweiten Förderphase des Kollegs, am 9. Mai 2022 am Institut für Soziologie an der TU Berlin geführt hat. In dem Interview diskutieren Rammert und Windeler die Motivation zur Einrichtung des Kollegs (1), die Entstehung seines Forschungsansatzes (2) sowie seine relevanten empirischen Ergebnisse und theoretischen Entwicklungen (3). Thematisiert werden ferner die konzeptionelle Neuausrichtung des Kollegs in der zweiten Förderphase (4), der Zusammenhang zwischen dem strukturierten Forschungsraum und den Promotionsvorhaben der Kollegiat*innen (5), die Rolle der Postdocs im Kolleg (6) sowie die Perspektiven der Sprecher darauf (7) und der Einfluss des Kollegs auf die nationale und internationale Forschungslandschaft (8). Zum Schluss wendet sich das Interview dem Thema aktueller Perspektiven auf die Innovationsgesellschaft heute zu (9). Die Textfassung des Interviews wurde für die Veröffentlichung bearbeitet.
Werner Rammert, Arnold Windeler, David Seibt
Metadaten
Titel
Innovationsgesellschaft heute
herausgegeben von
Ingo Schulz-Schaeffer
David Seibt
Arnold Windeler
Copyright-Jahr
2023
Electronic ISBN
978-3-658-39743-2
Print ISBN
978-3-658-39742-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-39743-2

    Marktübersichten

    Die im Laufe eines Jahres in der „adhäsion“ veröffentlichten Marktübersichten helfen Anwendern verschiedenster Branchen, sich einen gezielten Überblick über Lieferantenangebote zu verschaffen.