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16.03.2015 | Innovationsmanagement | Interview | Online-Artikel

"Innovation braucht Führung"

verfasst von: Anja Schüür-Langkau

5 Min. Lesedauer

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Führungspersönlichkeiten haben für die Innovationskraft von Unternehmen eine große Bedeutung. Werner Seidenschwarz hat mit führenden Managern von Siemens, BMW und Bayer gesprochen und erläutert im Interview, wie Innovationen entstehen.

Springer für Professionals: Sie haben lange Gespräche mit drei führenden Managern von BMW, Bayer und Siemens zum Thema Innovation geführt. Was eint diese drei Innovatoren im Hinblick auf die Herangehensweise an Innovationen?

Werner Seidenschwarz: Alle drei eint eine Unvoreingenommenheit gegenüber „dem Neuen“ und eine ausgeprägte Neugierde auf „das Neue“. Keiner der drei will sich dabei ins stille Kämmerchen verziehen, sondern ließ und lässt sich gerne auf das intellektuelle Sparring ein, egal ob mit Steve Jobs als Unternehmerpersönlichkeit, mit potenziellen chinesischen Kunden nach einer fünfstündigen Autofahrt von Nanjing landeinwärts oder mit Jugendlichen, die (noch) nicht das Selbstvertrauen haben, ein MINT-Studienfach zu wählen, weil sie selbst vielleicht noch nicht einschätzen können, wie facettenreich und vielfältig Technologieunternehmen sein können. Und alle drei haben frühzeitig über das Innovieren hinaus auch den Spaß am Führen entdeckt. Das ist außergewöhnlich. Deshalb auch die doppelte Bedeutung des Buchtitels: „Führend innovieren“.

Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen schaffen, um Innovationen möglich zu machen?

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„Müssen“ ist beim Innovieren eher etwas, was es zu vermeiden gilt. Erzwingen kann man Innovationen in der Regel nicht. „Möglich machen“, das sind dagegen zwei exzellente Stichworte: Es ist das, wofür eine Führungskraft sorgen kann: Freiraum für das Innovieren schaffen und Mitarbeiter nicht mit einer Over-Administration erdrücken – zusätzlich zum Over-Engineering, das man ja meistens schon hat. Gleichzeitig erfordert Spielraum aber auch klare Spielregeln, zum Beispiel einen straffen Priorisierungsprozess. Denn – und das ist eine Aussage von Wolfgang Plischke von Bayer – „Wer aus Angst zu viele Projekte vor sich hertreibt, wird keines ins Ziel bringen“. Nicola Leibinger-Kammüller hat das Thema so auf den Punkt gebracht: „Innovation braucht Führung. Und sie braucht Menschen, die von der Kraft neuer Ideen begeistert sind und dafür eintreten.“ Und speziell in Deutschland braucht man zusätzlich vielleicht etwas mehr Verrücktheit für neue Geschäftsmodelle. Siegfried Russwurm fordert daher eine Weiterentwicklung unserer Innovationskultur im Sinne einer „Akzeptanz des Scheiterns bei einem mutigen Investment“.

Welche Unternehmen sind aus Ihrer Sicht Vorreiter in Sachen Innovation und warum?

Die Unternehmen Bayer, BMW und Siemens zählen aus meiner Sicht zu den Innovatoren mit nachhaltigem Unternehmenserfolg. Unternehmen wie Google und Amazon erscheinen aus heutiger Sicht als innovativer. Jeder spricht darüber. Es wird aber interessant sein, deren nachhaltige Entwicklung zu verfolgen. Wer kennt beispielsweise die innovative Erfolgsstory einer Siemens Simatic in der Industrieautomatisierung, seit nun über 50 Jahren? Und wer weiß, dass hinter der Entscheidung für den Elektro-i3 von BMW eine solch weitreichende Entscheidung stand, auch die Elektromotoren selbst zu produzieren und die ganze Nachhaltigkeitsstrategie nicht nur auf das Auto zu beziehen, sondern auch auf die ganze dahinterliegende Infrastruktur bis hin zur Produktion des Stroms im Werk Leipzig mit Windrädern? Ein Strohfeuer entzünden können viele, aber schon weniger Unternehmen schaffen das nachhaltige Innovieren.

Brauchen Unternehmen spezielle Innovationsabteilungen oder Think Tanks, um dem wachsenden Innovationsdruck standzuhalten?

Innovation kann von überallher kommen. Man braucht als Führung eine feine Sensorik, um innovative Geister aufzuspüren und zu pflegen. Denn viele Innovatoren sind stille Wasser. Und manchmal braucht man „Innovationswährungshüter“, die dafür sorgen, dass die Innovation im Unternehmen nicht gekillt wird, durch unintelligentes Kostenreduzieren, fehlgeleitete Mehrprojektplanungen oder den fehlenden Einsatz bewährter durchgängiger und profitabilitätssichernder Produktentwicklungsansätze wie dem Target Costing. Ob die Innovation dann aus Think Tanks, F&E-Abteilungen oder aus Open Innovation-Quellen kommt, sollte für die Unternehmen eher eine untergeordnete Bedeutung besitzen.

Viele Studien belegen, dass mehr oder minder dreiviertel aller Neuproduktentwicklungen floppen. Was machen diese Unternehmen bei ihren Produktentwicklungen falsch?

Da zitiere ich gerne nochmal Siegfried Russwurm: „Gute Innovationen setzen sich durch. Um die Innovationsleichen ist es nicht schade.“ Ein pauschales Urteil, woran es im Einzelnen liegt, wenn es nicht klappt, würde sicher der Komplexität der Materie nicht gerecht. Das unterscheidet sich bereits nach Branchen ganz fundamental. So werden beispielsweise in konservativen Industrien wie Chemie oder Pharma Innovationen nicht so leicht angenommen wie in der Unterhaltungsindustrie. Manchmal wird ein Bedarf nicht richtig eingeschätzt, manchmal gelingt die Umsetzung einer Idee in ein Produkt nicht. Und manchmal wurde ein tolles Produkt entwickelt, aber man hat die Markteinführung nicht rechtzeitig eingeleitet. Fallen gibt es – je nach Branche – viele. Lösungsansätze gibt es genauso viele. Von übergeordneter Bedeutung ist deshalb in jedem Fall die durchgängige Prozessführung bei Neuproduktentwicklungen von der Idee bis zur Umsatzerzielung.

Welche Rolle spielt das Thema Führung bei Innovationen?

Führung heißt Orientierung geben, Konsens schaffen, andere ermutigen und ihnen zu helfen, sich zu entwickeln, im richtigen Moment Entscheidungen zu treffen und positive Energie zu versprühen. Führungspersönlichkeiten an der Spitze von innovativen Organisationen besitzen eine überragende Bedeutung. Wenn sie selbst in ihrem Berufsleben bereits innoviert haben und diese Innovationen vielleicht auch schon einmal einem Kunden gegenüber ausloben mussten, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass „man bei Innovationen die gleiche Sprache spricht“ – den Mitarbeitern und den Kunden gegenüber.

Zur Person
Prof. Dr. Werner Seidenschwarz führt ein Management Consulting-Unternehmen für Strategie, Innovation und Vertrieb. Mit seiner Dissertation zum Target Costing innovierte er eine heute etablierte Managementmethodik zum Entwickeln profitabler Produkte. Seit seiner Habilitation zum Führen unternehmerischen Wandels lehrt(e) er unter anderem an der TU München, der London School of Economics und der National University of Singapore. In seinem Buch "Führend innovieren", diskutiert er mit Dr. Friedrich Nitschke (BMW, Prof. Dr. Wolfgang Plischke (Bayer) und Prof. Dr. Siegfried Russwurm(Siemens) darüber,wie Innovationen in den Unternehmen entstehen und umgesetzt werden
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