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2014 | Buch

Innovationsprozesse und organisationaler Wandel in der Automobilindustrie

Eine prozesssoziologische Analyse betrieblicher Machtproben

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Über dieses Buch

Die Fallstudie gibt einen Einblick in die betriebliche Doppelwirklichkeit eines umfassenden Restrukturierungsprozesses auf Basis eines ganzheitlichen Produktionssystems. Die Autorin rekonstruiert die vorherrschenden Machtverhältnisse zwischen den betrieblichen Figurationen und analysiert die ungeplanten Folgen standardisierter Innovationsprozesse. Angeordnete Gleichheit zwischen den Teilnehmern moderierter KVP-Workshops entladen sich in arbeitspolitischen Verhandlungen auf der Ebene des shop-floor zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten. Die Organisation gerät dabei in einen hyperaktiven Stillstand, der durch unaufhörliche Kompromissbildung zwischen den Verhandlungspartnern entsteht. Mit der Rekonstruktion der Disziplinierungsgeschichte der Fabrikarbeit in dieser Studie wird deutlich, dass der gestiegene Subjektbedarf in Arbeitsprozessen nicht einfach auf eine Managementidee zurückzuführen ist. Die Autorin zeigt wie die Figurations- und Prozesssoziologie nach Norbert Elias für die Organisationsforschung nutzbar gemacht werden kann und liefert zudem einen methodologischen Beitrag innerhalb der weiterentwickelten Prozesstheorie.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einleitung
Zusammenfassung
Neue Arbeitsformen sind seit den 1990er Jahren in der Automobilindustrie die ausschlaggebenden Wettbewerbsmerkmale auf dem globalisierten Markt. Der stetig wachsende Konkurrenzdruck zwingt die Unternehmen zu einer Steigerung der Produktivität, zu erheblichen Kostensenkungen und erhöhter Flexibilität. Es ist unübersehbar, dass sich der Verkäufer- zu einem Käufermarkt gewandelt hat. Dabei müssen die Beschäftigten im Rahmen der Einführung beteiligungsorientierter Konzepte wie dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) die damit verbundenen „Unsicherheitserfahrungen in Permanenz“ (Dörre 2005: 194) selbst bewältigen. Die Rekonstruktion der von ihnen angewandten Bewältigungsstrategien oder auch Abwehrmechanismen im Hinblick auf die Gestaltung der besonderen Lage zwischen neuen Optionen und Anforderungen ermöglicht den Blick auf sich wandelnde Fremd- und Selbstkontrollen. Auch wenn zur individuellen Bewältigung neuer Formen von Arbeitsorganisation vielfältige Studien vorliegen (Pfeiffer 2007, Lohr/Nickel 2005; Senghaas-Knobloch et al. 1997 etc.), ist die figurations- und prozesssoziologische Dimension, die die Entwicklung von Fremd- und Selbstzwängen unter den Bedingungen flexibilisierter Strukturen fokussiert, noch relativ unbestimmt (vgl. Ernst 2007: 138).
Melanie Frerichs
2. Norbert Elias’ Figurations- und Prozesssoziologie
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird der figurations- und prozesstheoretische Rahmen für die Studie beschrieben, für die Organisationsforschung nutzbar gemacht und ein prozesssoziologisches Vokabular entwickelt, mit dem im weiteren Verlauf gearbeitet wird. Die Zivilisationstheorie von Norbert Elias dient als Beobachtungs- und Erklärungsrahmen und soll bei Bedarf erweitert werden. Die Explikation der Methode und die Entwicklung eines Forschungsdesigns dieser Figurationsanalyse folgt in Kapitel 5 zum methodischen Vorgehen.
Melanie Frerichs
3. Untersuchungsleitende Konzepte: Subjektivierung und Entgrenzung von Arbeit
Zusammenfassung
Der gestiegene Subjektbedarf in Arbeitsprozessen im Vergleich zur tayloristischen und fordistischen Arbeitsorganisation ist Gegenstand in den aktuellen Diskursen der Arbeits- und Industriesoziologie. Die folgenden Ausführungen beschreiben die Aspekte einer Subjektivierung von Arbeit in forschungsrelevanter Hinsicht und berücksichtigen die sich historisch wandelnde Relevanz von Subjektivität im Arbeitsprozess. Bei der Analyse der Subjektivierung von Arbeit aus prozesssoziologischer Sicht, wird deutlich, dass sie das Resultat einer Vermengung geplanter Handlungen und ungeplanter Folgen auf Grundlage einer Trial-and-error-Methode (vgl. Minssen 2012: 54f.) oder eines Experimentierens (Elias 1986/2006: 192) ist.
Melanie Frerichs
4. Die Disziplinierungsgeschichte der Fabrikarbeit
Zusammenfassung
Elias hat in seiner Abhandlung „Über den Prozess der Zivilisation“ das „Wesen geschichtlicher Prozesse“ (Elias 1939/1997, Bd. 1: 84) mit „seelischen Prozessen“ (ebd.) und mit den Begriffen Soziogenese und Psychogenese in Beziehung gesetzt. Auch die Entwicklung der Disziplinierungsgeschichte der Fabrikarbeit kann nur mit der Verflechtung der Entwicklung des psychischen Habitus der Menschen und den gesellschaftlichen Hierarchien und Machtverhältnissen nachvollzogen werden. Die Disziplinierungsgeschichte ist demnach eine gesamtgesellschaftliche Entwicklungsgeschichte. Die Wirtschaftssphäre ist nach Elias keine Sphäre, die unverbunden neben anderen steht und unabhängig von staatlich-politischen Entwicklungen analysiert werden kann (Elias 1970/2004: 155). Aus der Perspektive der Prozesssoziologie handelt es sich um „völlig unabtrennbare Aspekte der Entwicklung eines gesamtgesellschaftlichen Funktionszusammenhangs“ (ebd.: 154).
Melanie Frerichs
5. Forschungsdesign und methodisches Vorgehen
Zusammenfassung
Grundlage für diese Studie ist ein qualitatives Forschungsdesign, das über das Medium Sprache ein „Eintauchen“ in Lebensformen ermöglicht, die nicht die eigenen sind (vgl. Senghaas-Knobloch/Dohms 1997: 33; Senghaas-Knobloch/Nagler 2000). Bei Befragungen steht nicht immer die Beantwortung der Fragen im Vordergrund, sondern die Schwerpunkte, die die Befragten in die Antworten legen. Der Fokus der Analyse liegt auf der Herausarbeitung, wie etwas in der Alltagssprache thematisiert oder verdeckt wird (ebd.: 33). In Zeiten betrieblicher Restrukturierungen „werden für die Betroffenen Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt und damit grundlegende Bedürfnisse, berufliche Selbstbilder und Ich-Ideale wieder bewusster Selbstreflexion zugänglich“ (ebd.: 34). Der kommunikative Charakter des qualitativen Forschungsprozesses entspricht den Alltagsinteraktionen, die ebenfalls kommunikativ sind. Die „Gruppe“ wird als zentrale Untersuchungseinheit gewählt.
Melanie Frerichs
6. Empirische Ergebnisse
Zusammenfassung
Die Analyse hat sich von den untersuchungsleitenden Konzepten, der Forschungsfrage und vom emergenten Charakter des offenen und rekonstruktiven Verfahrens leiten lassen. Das Ergebnis dieser induktiv und deduktiv verschränkten Verfahrensweise sind Kategorien und Motive. Das Kapitel fokussiert die im Forschungsprozess herausgearbeiteten zentralen Motive (Kernkategorien), die im weiteren Verlauf die Kapitelüberschriften bilden (Submotive bilden Unterkapitel). Die dargestellten Zitate dienen als Ankerbeispiele und der Illustration der herausgearbeiteten Motive.
Melanie Frerichs
7. Schlussbetrachtung und Ausblick
Zusammenfassung
Auch wenn sich mit einer dynamischen prozesssoziologischen Studie nur „offene Antworten“ ergeben und sich gegenwärtige Ereignisse aufgrund ihrer zeitlichen Nähe in ihrer Analyse eher kompliziert und unübersichtlich erweisen, lassen sich Ergebnisse formulieren, die Grundlage für weitere Forschung sein können.
Melanie Frerichs
Backmatter
Metadaten
Titel
Innovationsprozesse und organisationaler Wandel in der Automobilindustrie
verfasst von
Melanie Frerichs
Copyright-Jahr
2014
Electronic ISBN
978-3-658-05146-4
Print ISBN
978-3-658-05145-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-05146-4