1 Einleitung
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F1: Welche Rollen und Gremien enthält ein inter-organisatorisches Data Governance Rollenmodell für einen kooperativen Datenaustausch?
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F2: Wie lassen sich diese inter-organisatorischen Rollen und Gremien in ein bestehendes intra-organisatorisches Data Governance Rollenmodell integrieren?
2 Grundlegende Begriffe
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Data Governance definiert die Aufgaben, Verantwortlichkeiten, Prozesse und Richtlinien für den Umgang und die Pflege von Daten und orientiert sich dabei an den strategischen und operativen Zielen der Organisation (Weber 2009; Abraham et al. 2019; Weber und Klingenberg 2020). Das Ziel von Data Governance ist die Schaffung der Rahmenbedingung zur Verbesserung und nachhaltigen Sicherung der Datenqualität (Al-Ruithe et al. 2018). Eine erfolgreiche Umsetzung von Data Governance Strategien erfordert die Unterstützung durch wichtige Entscheidungsträger (Al-Ruithe et al. 2018; Van de Weerd 2021). Data Governance ist ein unternehmensspezifischer Ansatz, individuelle Implementierungen können daher variieren, dennoch schaffen gemeinsame Merkmale einen Leitfaden und eine Orientierung für die Implementierung in eine bestehende Organisation und im inter-organisatorischen Sinne in das Beziehungsgeflecht der informationsaustauschenden Organisationen (Al-Ruithe et al. 2018).
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Data Governance Rollenmodell definiert nach Weber und Klingenberg (2020) sowohl Rollen als auch Gremien. Die Rollen werden meist durch Individuen besetzt, die Gremien bilden sich aus den definierten Rollen. Data Governance Rollenmodelle werden typischerweise in strategische, taktische und operative Ebenen unterteilt (Otto et al. 2011).
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Datenqualität bezeichnet den Erfüllungsgrad der Gesamtheit der Anforderungen an die für einen bestimmten Zweck benötigten Daten (fitness for use). Die in der Praxis häufig genannten Datenqualitäts-Dimensionen sind: Aktualität, Genauigkeit, Konsistenz, Korrektheit, Vollständigkeit und Zuverlässigkeit (Wang und Strong 1996; Kahn et al. 2002; Hüner et al. 2011).
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Kooperativer Datenaustausch bezeichnet eine synchrone bzw. asynchrone, koordinierte, ko-konstruktive Zusammenarbeit zwischen Datenproduzenten und Datenkonsumenten, um eine gemeinsame Lösung für den Datenaustausch, Datenprobleme oder ein gemeinsam geteiltes Verständnis für die aktuelle Datensituation zu entwickeln (Pauli und Reusser 2000; Reinmann-Rothmeier und Mandl 2002).
3 Vorgehensweise
Rolle | Data Space Coordinator (DSC) |
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Synonyme | Data Network Coordinator, Data Network Manager, Data Key Account Manager, Data Business Partner |
Aufgaben/Verantwortung | DSC ist Anlaufstelle für neue Daten-Kooperationen |
DSC verantwortet die Daten-Kooperationen zu anderen Organisationen | |
DSC verantwortet die Beschaffung extern-bezogener Daten | |
DSC hat Mitspracherecht bei der Entwicklung strategischer Handlungsvorgaben | |
DSC formuliert die Ziele eines kooperativen Datenaustauschs | |
DSC leitet die Gespräche zu Standards eines kooperativen Datenaustauschs | |
Beziehungen zu anderen Akteuren | DSC ist Bindeglied zu Data Space Board und Data Space Working Team |
DSC ist Vorsitzender des Data Space Working Team | |
DSC unterstützt die Arbeit des Strategic Data Steward | |
DSC ist direkter Ansprechpartner für die Data Space Coordinator anderer Organisationen | |
Anforderungen/Fähigkeiten | Kommunikative Kompetenzen |
Fachliches Verständnis für Datenmanagement | |
Ergebnisse | Operative Handlungsvorgaben im Umgang mit Daten-Kooperationen |
Übersicht der Daten-Kooperationen | |
Quellen |
Gremium | Data Space Board (DSB) |
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Mitglieder | Chief Data Officer, Strategic Data Steward, Data Space Coordinator |
Aufgaben/Verantwortung | DSB erarbeitet Handlungsstrategien zum kooperativen Datenaustausch |
DSB übernimmt die Kontrolle und Steuerung des Data Space Working Team | |
DSB definiert die Anforderungen an die Datenqualität | |
DSB führt regelmäßig Evaluationen des Datenaustausches durch | |
DSB sorgt für die Förderung der Umsetzung von Handlungsvorgaben | |
DSB stellt die Überwachung der Einhaltung von Handlungsvorgaben sicher | |
DSB schafft das Umfeld zur Arbeitsfähigkeit des Data Space Working Teams | |
DSB definiert die strategischen Standards einer Datenqualität | |
Beziehungen zu anderen Akteuren | DSB ist dem Data Space Working Team Weisungsbefugt |
DSB ist die Schnittstelle zwischen zwei Organisationen (Datenproduzent bzw. Datenlieferant und Datenkonsument) | |
Ergebnisse | Strategische Handlungsvorgaben im Umgang mit Daten-Kooperationen |
Richtlinien zur Gewährleistung der Datenqualität | |
Quellen |
Gremium | Data Space Working Team (DSWT) |
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Mitglieder | Data Space Coordinator, Business Data Stewards, Technical Data Stewards, Operational Data Stewards |
Aufgaben/Verantwortung | DSWT verantwortet die Umsetzung der Handlungsvorhaben |
DSWT sorgt für die Konfliktlösung auf fachlicher und technischer Ebene | |
DSWT definiert die fachlichen und technischen Anforderungen der Datenqualität | |
Beziehungen zu anderen Akteuren | DSWT verbindet die teilnehmenden Organisationen auf taktischer Ebene |
DSWT ist dem Data Space Board untergeordnet | |
Ergebnisse | Leitlinien für eine inter-organisational Data Governance aus operativer Sicht |
Spezifikation der Metadaten zur Gewährleistung der Datenqualität | |
Quellen | Experteninterviews und Fokusgruppe |
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Die Literaturanalyse zeigt, dass aktuelle Data Governance Rollenmodelle überwiegend die intra-organisatorischer Perspektive beinhalten. Lediglich ein Rollenmodell beschreibt inter-organisatorische Aspekte (Jagals 2021). Folglich fehlt die Integration der inter-organisatorischen Rollen und Gremien in bestehende intra-organisatorische Data Governance Rollenmodelle bzw. wird nur in Ansätzen beschrieben.
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Die Experteninterviews bzw. die Fokusgruppe adressieren, aufgrund der Digitalisierung und den einhergehenden Anforderungen an die Logistik 4.0, den Handlungsbedarf einer inter-organisatorischen Data Governance. Hierfür wurden die erforderlichen Aktivitäten und die Beziehungen zu Rollen und Gremien genannt.
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Die Definition der Benennung und Ausprägung von Rollen und Gremien einer Data Governance weichen sowohl in der Literatur als auch in der Praxis stark voneinander ab bzw. werden individuell interpretiert. Daher ist eine Harmonisierung der Begrifflichkeiten zu einer einheitlichen Terminologie und die Zuordnung der Aktivitäten und Beziehungen untereinander erforderlich.
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Die Struktur der sieben Data Governance Rollenmodelle vereint ein nahezu identisches Ebenenmodell, welches im Kern folgende drei aufeinander aufbauende Ebene besitzt: strategische Ebene (strategic layer), taktische Ebene (tactical layer) und operative Ebene (operative layer).
4 Inter-organisatorisches Data Governance Rollenmodell
4.1 Inter-organisatorische Rollen und Gremien
4.2 Integration in intra-organisatorische Data Governance Strukturen
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Das Data Steering Committee ist die oberste Ebene der intra-organisatorischen Data Governance. Mitglieder des Data Steering Committee sind der Chief Information Officer, der Chief Data Officer, sowie zusätzliche Executive Sponsors. Einige Quellen führen hierzu synonyme Begrifflichkeiten wie Data Governance Council oder Data Quality Board an (Wende 2007; Weber 2009; Otto 2011). Die Aufgabe des Data Steering Committee ist die Formulierung einer intra-organisatorischen Datenstrategie, sowie die Ermöglichung der Umsetzung durch Ressourcenfreigabe. Diese Datenstrategie dient dem Data Space Board als Handlungsspielraum zur Festlegung einer Strategie für den Datenaustausch im Inter-Organisational Data Space.
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Der Chief Information Officer ist als Leiter der IT einer Organisation zwingend an einer erfolgreichen Data Governance beteiligt. Ihm wird direkte Verantwortlichkeit für die Datenqualität und inter-organisatorische Data Governance zugeordnet (Wende 2007; Cheong und Kuan 2007; Jagals 2021). Andere Quellen rechnen dieser Rolle eher indirekte Verantwortung durch die Schaffung geeigneter Strukturen zu (Weber 2009; Otto 2011). Im Hinblick auf die Verantwortung für Data Governance Mechanismen, Ressourceneinteilung und der Schaffung einer Datenstrategie sind sich die genannten Autoren einig und schreiben sie dieser Rolle zu.
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Das Data Governance Office ist aus hierarchischer Sicht unterhalb dem Governance Board angesiedelt und hat die Koordination der Vorgaben zur Datenstrategie zur Aufgabe. Innerbetrieblich wird vertikal kommuniziert mit dem Data Steering Committee darüber und den Data Teams darunter (Al-Ruithe et al. 2018). Jagals (2021) ergänzt diese Kommunikation um eine vertikale Komponente und ermöglicht so die Kommunikation mit partizipierenden Organisationen durch den Data Space Coordinator.
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Der Chief Data Officer wird auch als Head of Data oder Data Governance Manager bezeichnet (Otto 2011). Unterstützt vom Chief Information Officer liegt seine Verantwortung in der Schaffung einer geeigneten Datenstrategie und Aufrechterhaltung der Datenqualität (Wende 2007; Weber 2009; Otto 2011; Mahanti 2021). Der Chief Data Officer ist im inter-organisatorischen Kontext Mitglied des Data Space Boards und leitet die Entwicklung einer Datenstrategie für den inter-organisatorischen Datenaustausch (Jagals 2021).
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Der Strategic Data Steward unterstützt bei der Entwicklung einer Datenstrategie und verantwortet die Kontrolle und Steuerung der Umsetzung von datenstrategischen Vorgaben auf taktischer und operativer Ebene. Er wird auch Enterprise Data Architect bezeichnet und besitzt umfassende Kenntnisse über die gesamte Datenarchitektur der Organisation (Otto 2011; Al-Ruithe et al. 2018; Lis und Otto 2020; Mahanti 2021). Als Teil des Data Space Board bringt er technische Expertise in die Entwicklung von inter-organisatorischen Handlungsstrategien mit ein.
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Das Tactical Data Team umfasst den Lead Data Steward, die Business Data Stewards und die Technischen Data Stewards, es beinhaltet somit sämtliche Data Stewards auf taktischer Ebene (Weber und Klingenberg 2020).
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Der Lead Data Steward verantwortet die Sicherstellung der Umsetzung der vom Data Steering Committee entwickelten Datenstrategie. Er steuert die operativen Handlungen mit Daten. Im Tactical Data Team hat der Lead Data Steward den Vorsitz, an ihn berichten die Business Data Stewards und Technical Data Stewards (Wende 2007; Loshin 2008; Weber 2009; Reichert 2014). Direkte inter-organisatorische Verantwortlichkeiten werden dieser Rolle nicht zugesprochen, agiert jedoch als koordinierende Stelle für die Business Data Stewards bzw. Technical Data Stewards (Jagals 2021).
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Die Business Data Stewards steht in direktem Kontakt mit Datennutzern aus den Fachbereichen und assistieren beim Erheben der Anforderungen an die Daten, sie koordinieren somit die Beziehungen zu den Datenkonsumenten (Wende 2007). Weiterhin definieren sie Standards und tragen somit zur Verbesserung und Aufrechterhaltung der Datenqualität bei (Weber 2009; Wende 2007). Business Stewards besitzen Autorität über die operative Nutzung spezifischer Daten und sind hierbei für die Berücksichtigung der Datenstrategie aus fachlicher Perspektive verantwortlich (Cheong und Kuan 2007; Jagals 2021; Mahanti 2021). Sie verfügen über die Entscheidungsgewalt über Zugriffsrechte (Jagals 2021; Mahanti 2021). Synonym wird für Business Data Stewards auch der Begriff der Data Owner geprägt.
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Der Technical Data Stewards betrachtet die operative Nutzung der Daten und die Lenkung der Data Governance Aktivitäten aus technischer Sicht. Ihnen obliegt in erster Linie technische Nutzbarmachung von Daten und die Entwicklung von Datenmodellen (Al-Ruithe et al. 2018; Jagals 2021). Im inter-organisatorischen Kontext bringen sie technische Anforderungen in das Data Space Working Team ein und tauschen sich mit den technischen Verantwortlichen der anderen Partei aus.
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Das Operative Data Team umfasst den Operational Data Steward, sowie weitere mögliche Akteure auf operativer Ebene. Die Aufgabe der Mitglieder dieses Gremiums besteht im operativen Umgang mit Daten, dies umfasst beispielsweise die Pflege, Aktualisierung und Nutzung der Daten (Cheong und Kuan 2007; Jagals 2021).
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Der Operational Data Steward ist typischerweise im Fachbereich verortet und bearbeitet dort spezifische Daten. Als operative Aufgaben ist beispielsweise die Pflege der Daten genannt. Diese Rolle verantwortet die Qualität spezifischer Unternehmensdaten und ist somit Ansprechpartner für die Anforderungen im Zuge des kooperativen Datenaustausches (Weber 2009; Apel et al. 2015; Yulfitri 2016; Jagals 2021). Synonym wird auch der Begriff des Data Maintainer für diese Rolle verwendet.
5 Diskussion und Ausblick
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Implikationen für Nutzer: Im Zuge der Experteninterviews zeigte sich, dass in vielen Unternehmen eine unternehmensweite Data Governance noch nicht etabliert ist bzw. eine einheitliche Strategie gänzlich fehlt. Hier ist die Schaffung des Bewusstsein einer angemessenen Datenqualität hilfreich und die Entwicklung einer Datenstrategie. Dies ist Grundlage für den nächsten Schritt hin zu einer inter-organisatorische Data Governance, die zweifelsohne für den kooperativen Datenaustausch erforderlich ist.
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Implikationen für Wissenschaftler: Es fällt auf, dass zwar namentlich deckungsgleiche Rollen identifiziert wurden, deren explizite Aktivitäten, Verantwortlichkeiten und vor allem Abgrenzungen untereinander doch unterschiedlich interpretiert werden. Daher empfehlen wir weitere empirische Forschungen zu aktuellen Fragen im Zusammenhang mit kooperativen Datenaustausch und inter-organisatorischen Data Governance, z. B. in Form von Fallstudien oder Umfragen. Ferner ist zu untersuchen, ob weitere Strukturen neben dem interorganisatorischen Rollenmodell nötig sind, um einen kooperativen Datenaustausch mit vielen anderen Organisationen bzw. zu externen Datenplattformen, Data Spaces oder Data Pools zu realisieren.