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Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik 5/2017

Open Access 25.08.2017 | Schwerpunkt

Interaktive Informationsmanagement-Tools in Online Shops: Studienergebnisse und Gestaltungsempfehlungen

verfasst von: Thomas Groissberger, René Riedl

Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Ausgabe 5/2017

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Zusammenfassung

In Online Shops steht Käufern eine Vielzahl an Produkten mit unterschiedlichen Produkteigenschaften zur Verfügung. Dieses große Informationsangebot kann eine Informationsüberlastung (Information Overload) bewirken, was zu Unzufriedenheit bei den Käufern und zu niedrigeren Abschlussraten führen kann. Abhilfe schaffen Interaktive Informationsmanagement-Tools (IIMT), die es den Käufern ermöglichen, durch Filtern, Sortieren oder Vergleichen das Informationsangebot selbst steuern zu können. IIMT unterstützen dabei verschiedene Entscheidungsstrategien, die Käufer beim Produktkauf in Online Shops anwenden. Zum Beispiel eliminiert ein Käufer, der die Elimination-by-Aspects-Strategie anwendet, Produkte, die gewünschte Grenzwerte beim wichtigsten Attribut nicht erreichen. Sind nach diesem Schritt noch mehrere Produkte in der Auswahl verblieben, wird mit dem zweitwichtigsten Attribut fortgefahren, und zwar solange, bis ein Produkt übrig bleibt. Ein Online Shop mit Filter würde die Anwendung dieser Strategie unterstützen.
Wir analysierten die in den 100 umsatzstärksten Online Shops in Nordamerika vorhandenen IIMT. Die Studienergebnisse zeigen, dass Online Shops Entscheidungsstrategien unterstützen, die von Käufern auch häufig angewendet werden. Diese Strategien werden durch einige wenige Tools (Funktionen zum Filtern, Funktionen zum Sortieren, Produktvergleichsmatrizen) unterstützt. Die Ergebnisse zeigen weiter, dass vor allem bei der Gestaltung der Tools noch Potentiale zur Verbesserung bestehen.

1 Problembeschreibung

Da beim Online Shopping der Zugang zu Produktinformationen im Vergleich zu traditionellen Absatzkanälen (z. B. Einzelhandelsgeschäft) erleichtert wird, steigt auch das Informationsangebot. Dieses zunehmende Angebot birgt jedoch die Gefahr, dass Informationen von potenziellen Käufern im Kaufentscheidungsprozess nicht mehr wirksam verarbeitet werden können. Es entsteht eine Informationsüberlastung (Information Overload), die zu einer geringeren Kundenzufriedenheit führen sowie negative Effekte auf Kaufabschlüsse haben kann.
Die Menge an im Kaufentscheidungsprozess benötigten Informationen hängt von objektiven Faktoren (z. B. Art des Produktes wie technische Produkte) und subjektiven Faktoren (z. B. individuelles Informationsbedürfnis des Käufers) ab. Während der objektive Informationsbedarf des Käufers in Online Shops vorhersehbar ist (z. B. Informationen zu Produktdaten sowie Preis, Liefer- und Zahlungsbedingungen), ist hingegen das subjektive Informationsbedürfnis in der Regel nicht zuverlässig prognostizierbar, da dieses Bedürfnis durch personenbezogene Faktoren (z. B. Erfahrung des Käufers mit dem Produkt) und situationsbezogene Faktoren (z. B. Zeitdruck) beeinflusst wird, die schwierig vorherzusehen sind. Diese Umstände haben zu einer Integration von Interaktiven Entscheidungshilfen, und hier vor allem von Interaktiven Informationsmanagement-Tools (IIMT), in Online Shops geführt, die Käufer bei der Informationsverarbeitung unterstützen.
Interaktive Entscheidungshilfen stellen nach Wang und Benbasat (2009) Entscheidungsunterstützungssysteme in Online Shops dar, mit deren Hilfe die Informationsverarbeitung gesteuert werden kann. Insbesondere IIMT wie Filter- oder Sortierfunktionen helfen den Käufern dabei, explizit mit dem Informationsangebot interagieren zu können (Gupta et al. 2009). Abb. 1 zeigt drei Beispiele für in Online Shops weit verbreitete IIMT.
Die Auslagerung der Steuerung des Informationsangebotes an die Käufer führt zu einem hohen Maß an Kundenintegration. Das heißt, die Käufer sind aktiv an der Erstellung der Dienstleistung des Online Shops beteiligt (als primäre Dienstleistung wird die Unterstützung der Käufer im gesamten Kaufentscheidungsprozess gesehen). IIMT setzen dabei vor allem in den Phasen „Informationssuche“ und „Bewertung der Alternativen“ im Kaufentscheidungsprozess nach Kotler et al. (2007) an und bieten den Käufern durch Filtern, Sortieren und Vergleichen ein individuelles, auf die Bedürfnisse der Käufer angepasstes Informationsangebot. Dies rückt die Service-dominierte Logik (Vargo und Lusch 2004) in den Fokus von Online Shops und impliziert, dass der Wert für den Käufer nicht erst beim physischen Erhalt der Waren, sondern während des gesamten Nutzungsprozesses und folglich auch bei der digitalen Bereitstellung der Produktinformationen entsteht. Demzufolge ist es ein wesentliches Ziel der Implementierung von IIMT, dass der Käufer eine positive Wahrnehmung zur gesamten Digital Customer Experience hat.
Da IIMT zwar in der Praxis weit verbreitet, jedoch kaum erforscht sind, plädierte Pfeiffer (2010) dafür, einen stärkeren Forschungsfokus auf IIMT zu legen. Eine Studie von Pfeiffer (2010) analysierte die nach Google Page Rank am besten platzierten 100 Online Shops und stellte fest, dass vor allem Filter als IIMT angeboten wurden. Seit 2010 wurden IIMT-Prototypen mit unterschiedlichen Funktionen entwickelt (Pfeiffer et al. 2010, 2014), deren Verwendung in der Praxis allerdings noch unzureichend erforscht ist.
Um einer Informationsüberlastung entgegen zu wirken und zu einer bestmöglichen Entscheidung zu gelangen, folgen Entscheidungsträger grundsätzlich, und somit auch potenzielle Käufer in Online Shops, einem Prozessablauf und verwenden Entscheidungsstrategien. In der Fachliteratur werden den Strategien bestimmte Charakteristiken zugeordnet. Riedl et al. (2008) verwenden ein Klassifikationsmodell mit neun Charakteristiken und unterscheiden dabei 13 verschiedene Strategien. Zum Beispiel eliminiert ein Käufer, der die Elimination-by-Aspects-Strategie (EBA) anwendet, Produkte, die gewünschte Grenzwerte beim wichtigsten Attribut nicht erreichen. Sind nach diesem Schritt noch mehrere Produkte in der Auswahl verblieben, wird mit dem zweitwichtigsten Attribut fortgefahren, und zwar solange, bis ein Produkt übrig bleibt.
IIMT unterstützen bestimmte von Käufern in Online Shops eingesetzte Entscheidungsstrategien. Ein Online Shop mit Tools zum Filtern unterstützt beispielsweise die Anwendung von EBA. Pfeiffer et al. (2009) analysierten in einer theoretischen Arbeit, welche IIMT für die Unterstützung von bestimmten Entscheidungsstrategien benötigt werden. Ist bekannt, welche Tools in welchen Online Shops implementiert sind, kann daraus abgeleitet werden, welche Entscheidungsstrategien dort von Käufern angewendet werden können.
Auf der Basis der beschriebenen Vorarbeiten analysierten wir, welche IIMT in den 100 umsatzstärksten Online Shops in Nordamerika implementiert sind, um damit auch festzustellen, welche Entscheidungsstrategien angewendet werden können. Die Ergebnisse zeigen, dass Online Shops Entscheidungsstrategien unterstützen, die von Käufern auch häufig angewendet werden, beispielsweise EBA; vgl. dazu im Detail Riedl und Brandstätter (2007). Diese Strategien werden nach der aktuellen Analyse durch einige wenige IIMT (Funktionen zum Filtern, Funktionen zum Sortieren, Produktvergleichsmatrizen) unterstützt. Der Einsatz genau dieser IIMT in Online Shops ist daher für die Erzielung hoher Conversion Rates und Umsätze bedeutsam und steht im Fokus dieses Beitrages.

2 Interaktive Informationsmanagement-Tools (IIMT)

IIMT unterstützen Käufer in ihrem Entscheidungsprozess in Online Shops. Entscheidungsprozesse im Konsumentenbereich bestehen typischerweise aus zwei grundlegenden Phasen: eine initiale Phase (Screening Phase), in welcher durch Elimination die Anzahl möglicher Produkte auf eine überschaubare Menge reduziert wird. Funktionen zum Filtern (FILTER) und Sortieren (SORT) helfen den Käufern, Produktangebote in Online Shops zu durchsuchen und die Anzahl der Produkte auf eine kleinere Auswahl (Consideration Set) einzuschränken (vgl. Abb. 2 – Screening Phase). In einer zweiten Phase (In-depth-comparison Phase) werden die Produkte im Consideration Set einem genaueren Vergleich unterzogen, um so zu einer Entscheidung zu gelangen. Das Übertragen von Produkte von der Screening- in die In-depth-comparison Phase kann beispielsweise durch Aktivieren der Checkbox „Add to compare“ (COMPARE) erfolgen (vgl. Abb. 2 – Screening Phase). Der Vergleichsprozess selbst wird durch Produktvergleichsmatrizen unterstützt, welche die Produkte in einer n * m Matrix darstellt (n = Produkt im Consideration Set, z. B. Handy 1, Handy 2, …, Handy n; m = Produkteigenschaft (Attribut), z. B. Preis oder Farbe). Ein Entfernen von Produkten aus der Matrix ist beispielsweise wie in Abb. 2 (In-depth-comparison Phase) dargestellt durch Klicken auf den Link mit der Aufschrift REMOVE möglich. Ebenso können Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Produkteigenschaften farblich hervorgehoben werden (HIGHLIGHT).

3 Analyse der 100 umsatzstärksten Online Shops

Wir analysierten die 100 umsatzstärksten Online Shops in Nordamerika. Dieser geographische Raum wurde gewählt, da die USA 2015 die weltweit höchsten E‑Commerce-Umsätze hatten (Digital Market Outlook 2016). Der Umsatz als Reihungskriterium wurde herangezogen, da bekannt ist, dass Unternehmen mit hohem Umsatz die nötigen finanziellen Mittel haben, um IIMT auf deren Internet-Plattformen zu integrieren und weiterzuentwickeln, wobei technische Entwicklungen (wie ein zunehmendes Angebot an Open-Source-Shop-Systemen mit entsprechenden Features) mehr und mehr dazu führen, dass auch kleine Shop-Betreiber IIMT auf ihren Websites integrieren können. Als Datenquelle wurde die jährlich erscheinende Studie von Internet Retailer (2015) verwendet, welche die 500 umsatzstärksten Online Shops listet. Die in den 100 umsatzstärksten Online Shops vorhandenen IIMT wurden im Zeitraum vom 25. März bis 02. April 2016 evaluiert (Desktop-Versionen, da diese mehr Funktionen bieten als Mobile-Versionen – insbesondere in der In-depth-comparison Phase). Neben der grundsätzlichen Verfügbarkeit von IIMT wurden auch deren konkrete Gestaltung und Funktionalität analysiert.

3.1 Verbreitung von Interaktiven Informationsmanagement-Tools in Online Shops

Unsere Studie zeigt, dass Filter- und Sortierfunktionen eine hohe Verbreitung haben. In 93 % der Online Shops konnten in der Screening Phase FILTER und in 90 % SORT zum Durchsuchen und zur Eingrenzung auf relevante Produkte genutzt werden. Gründe, warum einige Online Shops keine Tools zum Filtern oder Sortieren implementiert hatten, konnten nicht erkannt werden. Das Auswählen von Produkten für einen direkten Vergleich in Produktvergleichsmatrizen (COMPARE) war hingegen nur in 29 % der Fälle möglich.
Die geringe Verbreitung von Produktvergleichsmatrizen stellt auf den ersten Blick einen ernüchternden Befund dar. Hier zeigten sich jedoch starke Branchenunterschiede. Durch Produktvergleichsmatrizen können Produkte mit einer größeren Anzahl an Attributen übersichtlich dargestellt werden. In Online Shops mit Produkten, die wenige Attribute aufweisen (z. B. Bekleidung), ist diese Darstellung weniger relevant als bei Produkten, bei denen oftmals viele Attribute entscheidungsrelevant sind (z. B. elektronische Produkte). Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Produktvergleichsmatrizen vor allem in Online Shops der Branchen „Hardware/Home Improvements“ und „Computers/Electronics“, also in Branchen mit informationsintensiven Produkten, verfügbar waren (vgl. Abb. 3).

3.2 Gestaltung von Interaktiven Informationsmanagement-Tools in Online Shops

3.2.1 Filtern

FILTER stellte mit 93 % das am meisten verbreitetste Tool dar. Im Durchschnitt standen 8,9 Attribute zum Filtern zur Verfügung. Die Anzahl der zum Filtern verfügbaren Produktattribute zeigte signifikante Branchenunterschiede. Vor allem Online Shops mit informationsintensiven Produkten (z. B. „Computers/Electronics“) stellten viele Attribute zum Filtern bereit (vgl. Abb. 4).
Ein bedeutsamer Aspekt bei der Gestaltung von Filtern ist die Vermeidung, dass durch eine Filter-Kombination null Produkte im Set an Alternativen verbleiben. Dies kann beispielsweise durch den Einsatz von dynamischen Filtern (Filter passen sich stetig den verbleibenden Produkten an) verhindert werden. Bei 83 % der Online Shops mit FILTER konnte eine dynamische Anpassung festgestellt werden. Handlungsbedarf besteht bei den 17 % der Online Shops, in denen Filter-Kombinationen zu null Produkten führen konnten. Eine Alternative zu dynamischen Filtern stellen Empfehlungssysteme dar, die dem vom Benutzer präferierten Produkt ähnliche Produkte vorschlagen.
Eine Möglichkeit, dem Benutzer die Kontrolle über die gesetzten Filter zu geben, stellt CLEAR FILTER dar. Durch CLEAR FILTER können Benutzer gesetzte Filter zurücksetzen. In den untersuchten Online Shops konnten entweder alle Filter, einzelne gefilterte Attribute oder einzelne Attributsausprägungen zurückgesetzt werden. Insgesamt 90 % der Online Shops mit FILTER wiesen explizit CLEAR FILTER auf. Die fehlende Integration bei den verbleibenden 10 % ist zu kritisieren, da Benutzer ihre Eingaben nicht mehr korrigieren können. Abb. 5 zeigt je ein Beispiel für eine Filterfunktion in einem Online Shop mit CLEAR FILTER und ohne.

3.2.2 Sortieren

Um die Produkte eines Consideration Sets reihen zu können, stehen in Online Shops Sortierfunktionen zur Verfügung. Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Sortierfunktionen ebenfalls weit verbreitet sind. Grundsätzlich konnten folgende zwei Gestaltungsformen identifiziert werden: Dropdown-Listen und Menüpunkte (vgl. Abb. 6). Um bei der Gestaltung als Dropdown-Liste bei einem Attribut die Reihung wählen zu können, muss für jede Reihung ein eigener Punkt in der Liste erscheinen. Bei der Gestaltung als Menüpunkte wird die Reihung neben dem Attribut mit einem Pfeil visualisiert. Durch einen erneuten Klick auf das Attribut ändert sich die Reihung.
In den untersuchten Online Shops standen zum Sortieren durchschnittlich 4,3 Attribute zur Verfügung. Beachtenswert ist, dass die Online Shops zwar produktspezifische Attribute (durchschnittlich 8,9) zum Filtern zur Verfügung stellten, jedoch nahezu ausschließlich allgemeine Attribute wie „Preis“ oder „Bestseller“ sortierbar waren. Die geringe Anzahl an sortierbaren Attributen ist zu kritisieren, da dies bewirkt, dass einige in der Praxis häufig verwendete Entscheidungsstrategien nur bedingt angewendet werden können. Die Lexikographische Strategie (LEX) wählt beispielsweise das Produkt mit dem besten Wert beim wichtigsten Produktattribut (Riedl et al. 2008). In Online Shops, in denen nur nach allgemeinen Attributen sortiert werden kann, wird die Anwendung von LEX somit nicht unterstützt.

3.2.3 Vergleichen

Nachdem ein Käufer sein Consideration Set durch Filtern und Sortieren auf eine geringere Anzahl an Produkten eingeschränkt hat, hätte er diese zumindest in 29 der 100 Online Shops mittels Produktvergleichsmatrizen näher vergleichen können. Bei der Gestaltung dieser Matrizen sind die im Folgenden diskutierten Aspekte zu beachten.
Grundsätzlich sind Produktvergleiche nur innerhalb einer Produktgruppe sinnvoll, da nur diese in der Regel dieselben Attribute aufweisen. Ein Vergleich von Produkten verschiedener Produktgruppen war jedoch in 59 % der Online Shops möglich. Beispielsweise war im Online Shop der Hayneedle Inc. (www.​hayneedle.​com) der nicht zweckmäßige Vergleich von Matratzen mit Mixern möglich. Eine bessere Lösung sind eigene Matrizen je Produktgruppe und ein möglicher Wechsel zwischen diesen.
In 28 der 29 Online Shops war die Matrix wie in Abb. 2 (In-depth-comparison Phase) angeordnet (Produkte als Spalten und Attribute als Zeilen). Im Online Shop der Cabela’s Inc. (www.​cabelas.​com) erfolgte die Anordnung jedoch umgekehrt (Produkte als Zeilen und Attribute als Spalten). Die zweite Darstellungsform erscheint für Produktvergleichsmatrizen als weniger geeignet, da bei horizontaler Ausrichtung oft nur wenige Attribute am Bildschirm ersichtlich sind, was die Informationsaufnahme durch den Benutzer ungünstig beeinflusst.
Ein bedeutsamer Aspekt bei der Gestaltung von Produktmatrizen ist, dass Produkte, nachdem sie zum Vergleich hinzugefügt wurden, durch den Käufer auch wieder aus einer Vergleichsmatrix entfernt werden können (REMOVE). Dies war in 27 der 29 Online Shops mit Produktvergleichsmatrizen möglich.
Ein für die Entscheidung hilfreiches Tool in Produktvergleichsmatrizen stellt HIGHLIGHT dar. In lediglich drei der 29 Online Shops mit Produktvergleichsmatrizen konnten Zeilen mit unterschiedlichen Attributsausprägungen farblich hervorgehoben werden. Dadurch können Käufer leichter erfassen, bei welchen Attributen sich Produkte unterscheiden. Die in Abb. 2 (In-depth-comparison Phase) gezeigte Produktvergleichsmatrix bietet beispielweise eine Funktion zum Hervorheben von Gemeinsamkeiten und Unterschieden.
IIMT zum quantitativen Vergleich, welche z. B. Attribute gewichten und Attributsausprägungen bewerten, um in Folge einen gewichteten Gesamtnutzen zu ermitteln, konnten in keinem Online Shop beobachtet werden. Da quantitative Entscheidungsstrategien in der Praxis jedoch kaum Verwendung finden (vgl. Riedl und Brandstätter 2007), ist dieser Befund zwar theoretisch gehaltvoll, jedoch für die Praxis von nachrangiger Relevanz.

3.2.4 Zusammenfassende Darstellung der Gestaltungsempfehlungen

Da die von Käufern am häufigsten genutzten Entscheidungsstrategien bereits durch Funktionen zum Filtern und Sortieren sowie durch Produktvergleichsmatrizen unterstützt werden, empfehlen wir den Einsatz genau dieser IIMT. Der Nutzen für die Käufer entsteht jedoch erst durch eine nutzerfreundliche Gestaltung dieser Tools. Tab. 1 fasst die aus den Studienergebnissen abgeleiteten Gestaltungsempfehlungen zusammen.
Tab. 1
Empfehlungen zur Gestaltung von IIMT in Online Shops
Phase
Zweck
Gestaltungsempfehlungen
Screening Phase
Filtern
(Abschn. 3.2.1)
– Vermeiden Sie, dass Filter-Kombinationen zu null Produkten im Set an Alternativen führen.
– Dies kann durch dynamische Filter (Filter passen sich stetig den verbleibenden Produkten an) verhindert werden.
– Eine Alternative stellen Empfehlungssysteme dar, die dem vom Benutzer präferierten Produkt ähnliche Produkte vorschlagen.
– Durch den Einsatz von CLEAR FILTER geben Sie den Benutzern die Möglichkeit, gesetzte Filter wieder zurückzusetzen. Geben Sie den Nutzern die Möglichkeit, alle Filter (clear all), einzelne gefilterte Attribute (clear) sowie einzelne Attributsausprägungen zurückzusetzen
Sortieren
(Abschn. 3.2.2)
– Stellen Sie eine Sortierfunktion zur Verfügung, die entweder als Dropdown-Liste oder durch Menüpunkte gestaltet ist.
– Geben Sie den Benutzern auch die Möglichkeit, nach produktspezifischen Attributen zu sortieren (nicht nur nach allgemeinen Attributen wie „Preis“ oder „Bestseller“), damit in der Praxis häufig verwendete Entscheidungsstrategien angewendet werden können
In-depth-comparison Phase
Vergleichen
(Abschn. 3.2.3)
– Produktvergleiche sind nur innerhalb einer Produktgruppe sinnvoll (mit denselben Attributen). Wenn Sie mehrere Produktgruppen anbieten, stellen Sie den Benutzern eigene Matrizen je Produktgruppe mit einem möglichen Wechsel zwischen diesen bereit.
– Ordnen Sie die Produktvergleichsmatrix mit den Produkten als Spalten und den Attributen als Zeilen an.
– Geben Sie den Benutzern mittels REMOVE die Möglichkeit, Produkte aus der Matrix zu entfernen.
– Erlauben Sie den Benutzern das Hervorheben von Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Produkteigenschaften in der Produktvergleichsmatrix mittels HIGHLIGHT

4 Fazit

Auf der Basis einer Grundlegung und Einführung in die IIMT-Thematik wurden bedeutsame Ergebnisse einer empirischen Studie vorgestellt, in der die 100 umsatzstärksten Online Shops in Nordamerika untersucht wurden. Mit diesem Beitrag sollen einerseits Betreiber von Online Shops und andererseits Entwickler von Online-Shop-Systemen für ein bislang vor allem im deutschsprachigen Raum wenig beachtetes Thema sensibilisiert werden.
Betreiber von Online Shops müssen die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit IIMT und deren positive Effekte auf Kundenzufriedenheit und Kaufabschlüsse erkennen. Diese Effekte können durch den Einsatz von A/B-Tests oder multivariaten Tests bestimmt werden. Die bloße Integration der Tools ist dabei nur der erste Schritt. Der Wert für die Käufer entsteht erst durch eine nutzerfreundliche Gestaltung. Beispielweise ist es wichtig, dass durch die Gestaltung der Filter vermieden wird, dass null Produkte im Consideration Set verbleiben können. In 17 der 100 analysierten Online Shops führten Filter-Kombinationen jedoch dazu, dass null Produkte im Set verblieben. Neben dynamischen Filtern könnten auch Empfehlungssysteme positive Effekte haben. Im stationären Handel würde ein geschulter Schuhverkäufer seinen Kunden im Normalfall auch ein dem gewünschten Schuh ähnliches Modell empfehlen, falls der Schuh in der gewünschten Größe nicht mehr lieferbar ist.
Da viele Online-Shop-Betreiber ihre Shops nicht selbst entwickeln, sondern auf bestehende Online-Shop-Systeme (z. B. Magento) zurückgreifen, sind die zur Verfügung stehenden IIMT stark von den Entwicklern dieser Shop-Systeme abhängig. Daher sollten Online-Shop-Entwickler enger mit Online-Shop-Betreiber zusammenarbeiten, um IIMT weiterzuentwickeln, da vor allem die Online-Shop-Betreiber Daten über das Benutzerverhalten zur Identifikation von Gestaltungspotentialen haben. Besser entwickelte IIMT können in Folge einen Wettbewerbsvorteil darstellen.
Die vorgestellten Studienergebnisse zeigen deutlich, dass selbst die umsatzstärksten Online Shops in Nordamerika, von denen etliche zu den weltweit größten Shops gehören, nach wie vor viele Potentiale aufweisen, die Gestaltung der eingesetzten IIMT zu verbessern. Da Käufer in der Praxis vor allem Entscheidungsstrategien anwenden, die bereits durch einige wenige IIMT anwendbar sind (Funktionen zum Filtern, Funktionen zum Sortieren, Produktvergleichsmatrizen), sollten Online-Shop-Betreiber und Online-Shop-Entwickler den Fokus vor allem auf die Optimierung dieser Tools richten. Dass in den 100 untersuchten Online Shops keine Tools zum quantitativen Vergleich angeboten wurden (beispielsweise IIMT, welche Attribute gewichten und Attributsausprägungen bewerten) (für eine Übersicht an Tools zum quantitativen Vergleich siehe Pfeiffer et al. (2010) und Pfeiffer et al. (2014)), sehen wir als unproblematisch an. Erstens werden quantitative Entscheidungsstrategien in der Praxis kaum angewendet und zweitens sind fast alle untersuchten Online Shops auf Verkäufe an Privatpersonen ausgerichtet, was zur Folge hat, dass hier im Gegensatz zu gewerblichen Käufen Entscheidungen typischerweise nicht gerechtfertigt werden müssen (und eine solche Rechtfertigungsnotwendigkeit geht oft mit quantitativen Vergleichen einher, z. B. durch Anwendung der Nutzwertanalyse). Überhaupt neue Tools zu implementieren, halten wir aktuell für ein weniger relevantes Aufgabengebiet.
Ziel aus Sicht der Praxis ist es letztlich, die Digital Customer Experience im Entscheidungs- und Kaufprozess zu verbessern, weil sich dies positiv auf Conversion Rates und Umsätze auswirkt. Online-Shop-Umgebungen bieten dabei ideale Voraussetzungen, um die Wirkungen von Veränderungen von Funktionen und Designelementen unter kontrollierten Bedingungen zu testen (A/B-Tests, multivariate Tests).

Acknowledgements

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Literatur
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Metadaten
Titel
Interaktive Informationsmanagement-Tools in Online Shops: Studienergebnisse und Gestaltungsempfehlungen
verfasst von
Thomas Groissberger
René Riedl
Publikationsdatum
25.08.2017
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Ausgabe 5/2017
Print ISSN: 1436-3011
Elektronische ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-017-0340-3

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