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25.10.2019 | Interieur | Interview | Online-Artikel

"Im XiM20 bieten wir neue Erlebnisse während der Fahrt"

verfasst von: Michael Reichenbach

6:30 Min. Lesedauer

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Han Hendriks und Tim Shih von Yanfeng Technology sprechen im Interview darüber, warum das Interieur nicht mehr als langweilig gilt und was die Aufteilung des XiM20-Konzepts in zwei Zonen ausmacht. 

ATZ _ springerprofessional.de: Herr Hendriks, etwas provokant gefragt: Lange Zeit galt das Interieur als langweilig, außer neuen Zierleisten für die Armauflage tat sich nicht viel Neues. Wie können die Megatrends automatisiertes Fahren und Shared Mobility, also Mitfahrgelegenheiten, der Interieurentwicklung wieder Schwung geben?

Hendriks: Mit dem ersten Satz sind wir einverstanden, wir haben heute eine für uns viel spannendere Zeit. Schon vor sieben Jahren haben wir angefangen, uns Gedanken zu machen, welche Einflüsse die Megatrends aus unserer Sicht als Interior-Zulieferer haben. Man kann es sich gut vorstellen, wenn man zukünftig morgens und abends je 40 Minuten zur Arbeit pendelt. Denn wenn ich nicht mehr selbst fahre, sondern autonom gefahren werde, muss sich auch der Innenraum mit- und weiterentwickeln. Nun kann ich während der Fahrt arbeiten, essen, spielen. Mit der Vernetzung wird jede verbaute Komponente im Innenraum smart. Durch die Elektromobilität wird der Boden des Interieurs flach. Dadurch ergeben sich neue Freiräume und Möglichkeiten für unsere Designer. 

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Beim Design des Interieurs sind die unterschiedlichen Vorlieben der Kulturen zwar wichtig, aber beim Begriff Lebensqualität verschwimmen sie. Das liegt an der Globalisierung. Im ATZ-Interview beantworten Han Hendriks und Tim Shih Fragen zur neu formierten Geschäftseinheit Yanfeng Technology und sprechen darüber, welche Vorteile die neue Konzeptstudie XiM20 für das Level-5-Fahren hat und wie sich Duft digital von Tannenbaum- zu Erdbeergeruch umschalten lässt.

Herr Shih, wie können Sie als Designer wissen, wie der Konsument den Innenraum von morgen haben möchte?

Shih: Zu unseren Interiorstudien wie jetzt dem Konzeptfahrzeug XiM20 führen wir vorab immer Forschungsstudien mit weltweit rund 2.000 Personen durch. Daraus ergab sich: Der Megatrend heißt heutzutage Lebensqualität. Als Megatrend ist das global in den Märkten, USA, China und Deutschland zu erkennen. Natürlich gibt es auch kleinere Unterschiede in den Subthemen. Wir überlegten nun: Was heißt der Begriff Lebensqualität für das Thema Mobilität, für unsere Industrie.

Wie wurde gefragt, nur mit Multiple Choice zum Ankreuzen?

Shih: Zuerst wurden persönliche Interviews durchgeführt; danach wurde ein Fragebogen erstellt, den 2000 Probanden beantwortet haben. Die Interviews waren uns sehr wichtig, weil mit ihnen es erst möglich war, die richtigen Fragen zu definieren. Nur so hat man ein richtig gutes Feedback.

Welche waren die drei wichtigsten Kriterien der "Quality of Life"?

Shih: Aus 28 Dimensionen haben sich Top 7 herauskristallisiert, daraus wurden diese Top 3 herausgefiltert: Sicherheitsbedürfnis, körperliches Wohlbefinden und Qualität. Um diese Ergebnisse besser zu verstehen, haben wir eine Folgeforschungsarbeit angestrengt, um erkennen zu können, wie ein Erlebnis zu einem unvergesslichen zu machen ist. Hier haben wir drei Kategorien identifiziert, die den einfach perfekten Service, die für sich einnehmende Erfahrung mit Vernetzung sowie die Flucht aus dem Alltag umfassen. Die schönsten Erlebnisse des Menschen sind eine Mischung aus diesen dreien.

Wie wurden die Studienergebnisse nun in den zwei Zonen des XiM20-Konzepts umgesetzt?

Shih: Eigentlich haben wir zwei Zonen gestaltet: Vorne im Fahrzeug einen Freiraum, der Exposure Zone genannt wird. Er ist ganz offen und mit einer großen Glasscheibe versehen, gut geeignet zum Kaffeetrinken und allein Vor-sich-hin-Träumen. Hinten im Pkw haben wir den privaten, kuschligen Bereich geplant, Enclosure Zone genannt, wo sich eine kleine Gruppe geschützt unterhalten kann, ohne dass sie von außen gesehen wird. Der User hat also die Wahl, wo er während der Fahrt verweilen möchte. Wir haben die entsprechenden Technologien hineingebracht, um die Erlebnisse zu unterstützen. Das alles wird choreografiert und miteinander verbunden, sodass unsere sogenannte "Smart Cabin" für einen SAE-Stufe-5-Personentransporter entsteht. Am Ende ist der XiM20 weit mehr als dies, wir bieten neue Möglichkeiten für neue Erlebnisse während der Fahrt. So erreichten wir unsere Entwicklungsziele.

Ist die Smart Cabin nur etwas für neue Mobilitätsdienstleister oder auch für BMW, Daimler und Co?

Shih: Die Zweiteilung der Zonen fürs autonome Fahren ist gut und revolutionär. Wir glauben aber, dass dieses Erlebniskonzept auch in heutige herkömmliche Pkw hineingebracht werden kann, um einen Mehrwert bei Unterhaltung und Komfort zu schaffen. Wir haben nicht nur die neuen Player hier in der Arena2036 gehabt, sondern auch unsere traditionellen OEM-Kunden zeigten Interesse, denn die fragen sich genauso, wo die Zukunft des Interieurs liegt.

Das autonome Fahren wird nicht für den Privat-Pkw kommen, sondern für Personentransporter als Fahrgemeinschaft, das Ride Sharing, weil all die Technik sonst zu teuer wird. Wie wichtig ist dem Fahrgast ein schönes Ambiente?

Hendriks: Ich habe mich über den Satz gewundert, denn autonomes Fahren wird auch mit dem Privat-Pkw kommen. Es hängt aber davon ab, wie sich die Gesellschaft entwickelt, ob sie ein Auto weiterhin kauft oder es eher nur dann benutzt, wenn sie es braucht. Ich persönlich würde statt derzeit zwei Autos für die Familie sofort eines verkaufen, weil es einen ja in gewisser Weise auch ein bisschen einschränkt, ein Auto zu besitzen: für vier oder mehrere Jahre fest, es muss alles können – die Kinder zum Fußball bringen, sicher zum Skigebiet kommen, mit meiner Frau zu einem romantischen Dinner auf dem Land fahren oder zur Oper in die Großstadt gelangen. Für jede dieser Anwendungen stellt das Auto eigentlich nicht das Optimum dar. In Zukunft kann ich mir aber das passende Auto vor die Tür bestellen, etwa für das Restaurant einen schicken roten Zweisitzer für einen Abend. Und für die Skifahrt mit Freunden einen großen SUV mit Allrad für eine ganze Woche. So wird es sein: Purpose Design für die Pkw und ihr Interieur, und ich nehme das Fahrzeug, das am besten passt.

Das Leben wird bequemer und fokussierter, ...

... ja, denken Sie an die Parkplatzsuche in der Stadt oder die Fahrt zur Arbeit. Warum nicht ein Fahrzeug bei Starbucks dafür buchen, dieses Unternehmen wird vielleicht auch bald einen Mobilitätsservice anbieten. Und der Personentransporter hat dann die obligatorische Kaffeemaschine an Bord hat, natürlich mit meiner Lieblingssorte, die weiß er vom Smartphone und meinen bisherigen Bestellungen. Statt meines Dienstwagens habe ich dann ein monatliches Mobilitätsbudget, das ich für meine Fahrten aufbrauche.

Spricht so etwas auch die 80-jährige Oma an – oder nur den 18-jährigen Smartphone-User?

Hendriks: Wenn wir uns in einem Jahr wiedertreffen, kann ich Ihnen unser E-Concept, unsere neue Konzeptstudie, vorstellen, daran wird derzeit hart gearbeitet. Dieser Wunsch, den Sie gerade beschreiben, setzen wir mit dem E-Concept in eine serienreife Lösung um. Wenn man sich dem Fahrzeug nähert, erkennt das Auto, wer kommt. Man geht in das Fahrzeug, und automatisch wird zum Beispiel auf Han Hendriks personalisiert: 80 Kilogramm schwer, 1,86 Meter groß, das ist seine präferierte Sitzposition, die Sicherheitssysteme passen sich an. Die Gesichtserkennung weiß meinen Gemütszustand, sodass gutes Licht, Musik und entspannender Duft eingestellt werden.

Und was passiert noch im Interieur?

Hendriks: Alle Systeme stellen sich so ein, wie ich es zuvor mal in einer App bestimmt habe. Tische und Ablagen werden flexibler, weil ich ja nicht mehr nur in Fahrtrichtung, sondern auch rückwärts sitzen kann. Die Schnittstellen werden multimodal, das heißt es ist egal, ob ich die Funktion über Sprachsteuerung, mechanische Taste, Gestensteuerung oder Touchscreen aktiviere. Das Fahrzeug weiß dann: Der ältere Fahrgast möchte eben seinen Sitz nicht drehen und lieber mit mechanischen Tasten als mit Gesten agieren.

Herr Hendriks, Herr Shih, ich bedanke mich bei Ihnen für das interessante Gespräch.

Mehr vom Interview können Sie in der ATZ 11-2019 lesen.

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