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01.02.2023 | Investitionsfinanzierung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Kapitalströme gezielter in grüne Investitionen lenken

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

6 Min. Lesedauer

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Damit mehr Geld von Unternehmen, Banken und Investoren in Investitionen zum grünen Umbau der deutschen Wirtschaft fließt, müssen die Risikotransparenz, der regulatorische Rahmen, der Kapitalmarktzugang und die Förderinfrastruktur verbessert werden, fordern KfW-Research-Experten.

"Green Finance umfasst die Finanzierung von Projekten und Investitionsausgaben, deren Mittelverwendung auf den Umwelt- und Klimaschutz sowie die Anpassung an den Klimawandel ausgerichtet ist", skizziert Mica Valdivia im gleichnamigen Buch, wie sich mit Sustainable Finance die Transformation dynamisieren lässt (Seite 98). "Angesichts des Ausmaßes der Herausforderung und der Kosten, die durch Untätigkeit oder verzögertes Handeln entstehen, sollte das Finanzsystem nach und nach angepasst werden, in dem es die Wirtschaft so unterstützt, dass diese nachhaltiger funktionieren kann", zitiert der Springer-Autor die Erwägungsgründe zur Taxonomie-Verordnung der Europäischen Union. "Zu diesem Zweck muss ein nachhaltiges Finanzwesen zum Standard und müssen die Auswirkungen von Finanzprodukten und Finanzdienstleistungen auf die Nachhaltigkeit berücksichtigt werden."

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Quantitative Messung der Einflussstärke von ESG-Maßnahmen auf die Rendite von Kapitalgebern

Der Autor widmet sich in diesem Beitrag der realistischen normierten Messung von Investmentergebnissen zu jeder Investitionssparte für jeden Kapitalgeber und zu jeder zeitlichen Perspektive. 

Die notwendigen Investitionen zum Erreichen der Klimaneutralität belaufen sich laut einer Green-Finance-Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) aus dem Jahr 2021 in Deutschland bis Mitte des Jahrhunderts auf rund fünf Billionen Euro. Neben der Finanzindustrie sind laut eines Thesenpapiers der Volkswirte von KfW Research vom Januar 2023 auch "umfangreiche private Investitionen" nötig. 

Auf dem Weg zum ambitionierten CO2-Preis

Damit Kapitalströme nicht nur von Banken und Anleihekäufern, sondern auch von aktiven Geldgebern wie Private-Equity- und Venture-Capital-Gesellschaften, klassischen Investmentfonds, Versicherern und Versorgungswerken in der Breite in die grüne Transformation der deutschen Wirtschaft fließen, braucht es einen "ambitionierten CO2-Preis". 

Bis dieser erreicht oder "zumindest glaubhaft politisch angestrebt" ist, nehmen Green-Finance-Maßnahmen "eine unterstützende Rolle für eine originäre Klima- und Nachhaltigkeitspolitik ein". Da sich der gesellschaftlich vereinbarte Transformationsprozess über einen langen Zeitraum erstrecken werde, ist es wichtig, dass für alle Marktakteure kontinuierlich Anreize bestehen, dem Transformationspfad zu folgen, so die Experten. Das verhindere eine Fehlallokation von Kapital. 

Zahl der UN-PRI-Unterzeichner steigt

Dass die Nachhaltigkeit im Finanzbereich schon lange kein Nischenthema mehr ist, belege die steigende Zahl der Investoren, die sich durch die Unterzeichnung UN Principles for Responsible Investment, kurz UN PRI, verpflichtet haben, ESG-Kriterien (Environmental,Social, Governance) zu berücksichtigen, wie die nachstehende Grafik zeigt: 

Erfolg grüner Finanzierungsinstrumente umstritten

Den Unternehmen stehen mit grünen Anleihen und Aktien zwar Finanzierungsinstrumente zur Verfügung, die "in den vergangenen Jahren ein dynamisches Wachstum erfahren haben", so KfW Research. Ob diese allerdings in der Praxis nachweisbar zur Erfüllung klimapolitischer Ziele beitragen, ist laut der KfW-Research-Ökonomen umstritten und die Förderung transformatorischer Realinvestitionen empirisch nicht hinreichend belegt. Allerdings gebe es Stimmen in der Wissenschaft, denen zufolge Neuemissionen zumindest als Signal gewertet werden, dass das emittierende Unternehmen "bereit für die Tansformation" ist. 

Insgesamt haben passive Akteure wie Banken oder Anleihekäufer aber deutlich weniger Einfluss auf die tatsächlichen Unternehmenspraktiken als aktive Investoren, die nachhaltige Impluse - etwa durch eine Beteiligung - setzen können. Entscheidend für die Mobilisierung privater Investitionen sei, "dass die erforderlichen Ressourcen zum richtigen Zeitpunkt und in geeigneter Form zur Verfügung stehen". Andernfalls komme es zu einem qualitativen Missverhältnis zwischen den verfügbaren Kapitalquellen und den erforderlichen Investitionen. 

Ganzheitliches Rahmenwerk für Sustainable Finance

Damit künftig nicht nur in "tiefgrüne Vermögenswerte" investiert wird, "sondern auch und gerade in den Umbau von Unternehmen entlang ihrer Transformationsstrategien", brauche es ein ganzheitliches Rahmenwerk. Dieses trage dazu bei, "Nachhaltigkeit in der Breite des Markts zu verankern und strukturelle Hemmnisse bei der Verfügbarkeit besonders relevanter Kapitalquellen sowie beim Zusammenspiel zwischen verfügbarem Kapital und notwendigen Investitionen abzubauen". Hierfür sorgen insgesamt vier wesentliche Bausteine:

1. Transparenz über Klimawirkung und Klimarisiken

"Ob eine Ausrichtung von Kapitalströmen auf die Unterstützung klimapolitischer Ziele gelingen kann, hängt zunächst maßgeblich davon ab, ob ausreichend Informationen zu den klimarelevanten Eigenschaften der Investitionsprojekte zur Verfügung stehen", heißt es im Thesenpapier. Die Forschung zeige, dass die Verfügbarkeit von Informationen über die Klimawirkung einzelner Vorhaben eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung privater Investitionen spiele. 

So rücke die Bankenaufsicht verstärkt Klimarisiken, die Finanzinstitute in ihrer Bilanz haben, in den Fokus. Diese müssen wesentliche Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsaspekte im Zuge der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) berücksichtigen. Damit leiste die Branche "einen unverzichtbaren Beitrag für die Steigerung der Transparenz auf den Märkten und die Mobilisierung privater Klimainvestitionen".

2. Kohärenz und Handhabbarkeit im regulatorischen Rahmenwerk

Bei der Weiterentwicklung regulatorischer Rahmenbedingungen im Bereich Green Finance bestehe ein Zielkonflikt zwischen der verbesserten Informationslage mit Blick auf klimabezogene Tätigkeiten und der Komplexität des Systems. "Für Unternehmen kann die Umsetzung der Anforderungen verschiedener regulatorischer Initiativen heraufordernd sein. Das gilt in besonderem Maße für Mittelständler, da Skaleneffekte große Unternehmen bevorzugen", so die Volkswirte.

Ziel sei es, die derzeit in Arbeit befindlichen regulatorischen Initiativen international zu harmonisieren. Erst wenn Berichterstattungsstandards für ESG-Aktivitäten vereinheitlicht, Taxonomien für nachhaltige Finanzen international definiert und die ESG-Offenlegungsrahmen angeglichen sind, könne auch auf globaler Ebene das notwendige Kapital für die Transformation mobilisiert werden. 

3. Starke Kapitalmarktfinanzierung

Da technologische und politische Risiken bei Transformationsvorhaben in der Regel höher sind, gerate die Kreditfinanzierung über Banken bei Zukunftstechnologien an ihre Grenzen. Notwendig sei daher ein guter Zugang zum Kapitalmarkt. Basis sei ein "vielschichtiges System von Eigenkapitalgebern", das allerdings in Deutschland und im Euroraum im Gegensatz zu den USA und Großbritannien nur eine vergleichsweise kleine Rolle einnimmt. 

Um auch hier den Finanzierungsmix zu erweitern, seien "Fortschritte bei der europäischen Kapitalmarktunion unbedingt erforderlich, um die bisher fragmentierten europäischen Kapitalmärkte stärker zu vereinheitlichen und zu verbreitern". Zudem müssen mittelständische Unternehmen stärker als bisher an diese Finanzierungswege herangeführt werden.

4. Effektive Förderinfrastruktur

Ein zu geringer aktueller oder für die Zukunft erwarteter CO2‐Preis wirke sich negativ auf die relativen Renditen nachhaltiger Investitionen aus. Ohne staatliche Förderung blieben private Klimainvestitionen dann ineffizient niedrig. "Bei der Finanzierung der Transformation ist daher ein gelungenes Zusammenspiel von privatem und öffentlichem Kapital gefragt". Den staatliche Förderbanken komme hier eine Schlüsselrolle zu, "indem sie einerseits zur Schließung von Finanzierungslücken und andererseits zur ergänzenden Mobilisierung von privatem Kapital beitragen". 

Dynamische Entwicklung vielfältiger Initiativen

"In der Rückschau auf die Entwicklung von Sustainable Finance über die letzten Jahre wird eine beeindruckende Dynamik vielfältiger Initiativen erkennbar. Eine große Zahl von Einzelakteuren, aber noch mehr Zusammenschlüsse von Interessengruppen befassen sich mittlerweile mit konkreten Schritten zur Zielerreichung der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens", so Michael Schmidt zur Rolle von Multi-Stakeholder-Initiativen in Sustainable Finance (Seite 92).

Mit mehr Ambition, klarerer Zielsetzung und größerer Entscheidungsfreude könne es dem Springer-Autor zufolge gelingen, dem Anspruch, führender Sustainable Finance-Standort zu werden, schnell näher zu kommen. Dazu gehöre auch die Bereitschaft, Impulse aus dem Ausland im Sinne eines Benchmarkings aufzunehmen, europäische Prozesse frühzeitig mitzuprägen und Allianzen mit Ländern einzugehen, die ähnliche spezifsche Fragestellungen wie Deutschland haben. Hilfreich sei zudem, dass viele Stakeholder in Deutschland mittlerweile bereit scheinen, die politische Positionierung in Sustainable Finance tatkräftig zu unterstützen. 

Multi-Stakeholder-Prozesse sind nicht reibungsfrei, benötigen viel Zeiteinsatz, persönliche Energie und Frustrationstoleranz. Das Ziel der Sicherung von Wohlstand für künftige Generationen in einer lebenswerten Umwelt und Gesellschaft ist es aber mehr als wert", lautet Schmidts Fazit.

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