Das neue Bürokratieentlastungsgesetz soll Kosten senken und Investitionen fördern. Doch eine aktuelle Umfrage zeigt: Deutsche Unternehmen bleiben skeptisch. Vor allem langwierige Prozesse der Behörden belasten die Betriebe stark.
Das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV), das am 26. September 2024 vom Bundestag beschlossen wurde, soll nicht nur die Kosten für Dokumentations- und Verwaltungsprozesse in Unternehmen senken, sondern auch die Investitionsbedingungen für den Standort Deutschland verbessern. Wichtige Maßnahmen umfassen die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen von Buchungsbelegen, die Digitalisierung von Steuerbescheiden und die Reduzierung von Meldepflichten. Dennoch rechnen laut aktuellen Ergebnissen des German Business Panels (GBP) nur zehn Prozent der Unternehmen mit einer spürbaren Entlastung. Mehr als zwei Drittel (69 Prozent) erwarten hingegen nicht, dass der bürokratische Druck spürbar nachlässt. Besonders im Verarbeitenden Gewerbe, Gesundheitswesen, Baugewerbe und Handel sind mit dem Gesetz nur wenige Hoffnungen verknüpft.
Das GBP befragt monatlich mehr als 800 Unternehmen und seit März 2024 mehr als 250 Wissenschaftler zur Unternehmenslage in Deutschland. Dabei werden Zahlen zu erwarteten Umsatz-, Gewinn- und Investitionsänderungen sowie Daten zu unternehmerischen Entscheidungen, der erwarteten Schließungsrate in der jeweiligen Branche und der Zufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik erfasst.
Wirtschaft sieht Hauptproblem bei Behörden
Dabei sieht die Mehrheit (57 Prozent) der Befragten ein Problem vor allem in der Umsetzung von Gesetzen durch Behörden und deren Prozesse begründet. Die häufigsten Beschwerden beziehen sich auf doppelte Dateneingaben, eine unzureichende Vernetzung zwischen Ämtern, den Rückstand bei der Digitalisierung der öffentlichen Hand und lange Bearbeitungszeiten. Für viele Unternehmen stellen diese strukturellen Schwierigkeiten eine größere Belastung dar als die gesetzlichen Vorgaben an sich.
Infolge des bürokratischen Aufwands entgeht den Betrieben im Schnitt rund 17 Prozent ihres potenziellen Gewinns, bei Unternehmen mit intensiven Behördenkontakten ist es sogar fast ein Fünftel (19,6 Prozent). Der Bereich Steuern und Sozialabgaben wird als einer der größten Bürokratietreiber genannt. Die Gewerbe- und Umsatzsteuer sorgen in den Betrieben für die höchste bürokratische Last, wie nachstehende Übersicht zeigt:
Neue Vorgaben belasten den Mittelstand
Hinzu komme der Aufwand durch neue Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die besonders mittelständische Unternehmen treffen. Nach GBP-Angaben empfinden 30 Prozent der Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden die Verpflichtungen aus dem LkSG als Belastung, während dies bei Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden sogar 35 Prozent betrifft.
"Bürokratische Hürden durch Dokumentationspflichten entlang der Lieferkette sind häufig ein Investitionshemmnis für deutsche Unternehmen und können sogar zu volkswirtschaftlich nachteiligen Effekten führen", erläutert Philipp Dörrenberg, Inhaber des Lehrstuhls für ABWL und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Mannheim und wissenschaftlicher Projektleiter des GBP. Fast ein Viertel der betroffenen Firmen (23,6 Prozent) hat aus diesem Grund Projekte ins Ausland verlagert. Bei den Unternehmen, die in diesem Bereich keine Belastungen spüren, sind es nur 10,4 Prozent.
Bürokratie hemmt Investitionen und Personalplanung
Die Bürokratiebelastung wirkt sich nicht nur auf Gewinne, sondern auch auf Investitions- und Personalentscheidungen aus. Mehr als die Hälfte (56,4 Prozent) der befragten Betriebe hat in den letzten zwei Jahren geplante Investitionen deshalb gestrichen. Während im Compliance-Bereich vermehrt Personal aufgebaut wurde, haben im Kerngeschäft 46 Prozent der Unternehmen aufgrund des bürokratischen Aufwands auf neue Fachkräfte verzichtet.
Trotz gesetzgeberischer Bemühungen stellt der bürokratische Aufwand für viele Unternehmen in Deutschland nach wie vor eine erhebliche Hürde dar. Vor allem der Umgang mit Behörden stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen. Ohne eine umfassende Reform dieser Prozesse ist der Erfolg des Bürokratieabbaus aus Sicht vieler Unternehmen begrenzt", lautet daher Dörrenbergs Fazit.