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11.10.2024 | IT-Sicherheit | Interview | Online-Artikel

"Forschung und Praxis sind eng verzahnt"

verfasst von: Lea Sommerhäuser

5 Min. Lesedauer

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Im Interview erläutert Sicherheitsexperte Dr. Thomas Wollinger, wie die Stadt Bochum im Ruhrgebiet ein attraktives Ökosystem schafft, das talentierte Fachkräfte und Unternehmen anzieht, um die Dynamik und Innovationskraft im Bereich "IT-Sicherheit" in der Region zu verstärken.

springerprofessional.de: Herr Dr. Wollinger, in den vergangenen Jahren hat sich die Stadt Bochum zu einem Zentrum für IT-Sicherheit entwickelt. Welche strategischen Maßnahmen und Partnerschaften haben diese Transformation besonders gefördert?

Dr. Thomas Wollinger: Die Transformation Bochums zu einem IT-Sicherheits-Hotspot ist das Ergebnis einer konsequenten und langfristig angelegten Strategie. Wesentliche Maßnahmen waren die gezielte Förderung von Bildung und Forschung sowie die Ansiedlung bedeutender Institutionen. Das Horst-Görtz-Institut (HGI), das Exzellenzcluster Casa und das Max-Planck-Institut für Sicherheit und Privatsphäre sind dabei zentrale Akteure. Das HGI, angesiedelt an der Ruhr-Universität Bochum, spielt eine Schlüsselrolle in der Ausbildung und Forschung im Bereich "IT-Sicherheit". Mit etwa 1.000 Studierenden und 40 Professoren zählt es zu den führenden Ausbildungsstätten für IT-Sicherheit in Europa. Am Exzellenzcluster Casa, das ebenfalls an der Ruhr-Universität angesiedelt ist und als einziges Exzellenzcluster in Deutschland im Bereich der IT-Sicherheit gilt, forschen rund 90 hochkarätige Wissenschafter aus verschiedenen Disziplinen der IT-Sicherheit an Lösungen für eine nachhaltig sichere digitale Welt. Das Max-Planck-Institut stärkt hingegen die wissenschaftliche Kompetenz in Bochum weiter. Beide Institutionen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Stadt international anerkannt ist und innovative Lösungen für aktuelle und zukünftige Herausforderungen in der IT-Sicherheit entwickelt.

Wie gestaltet sich das aktuelle Start-up-Ökosystem vor Ort, insbesondere im Bereich "IT-Sicherheit"?

Das hiesige Start-up-Ökosystem im Sicherheitsbereich ist dynamisch und stark wachsend. Bochum hat sich in den vergangenen Jahren als bedeutender Standort für IT-Sicherheit etabliert, und das spiegelt sich auch im florierenden Start-up-Ökosystem wider. Dieses wird von mehreren Faktoren getragen, darunter die enge Vernetzung von Forschung, Wirtschaft und Gründerszene sowie gezielte Unterstützungsmaßnahmen wie unter anderem durch den Inkubator Cube 5. Bochum ist die Heimat vieler erfolgreicher Start-ups im IT-Sicherheitsbereich wie zum Beispiel Physec, das sich auf Sicherheitslösungen für das Internet of Things (IoT) spezialisiert hat, und Ai.dopt, das Unternehmen bei der sicheren Implementierung von Künstlicher Intelligenz (KI) unterstützt. Diese Start-ups profitieren von der Nähe zu führenden Forschungseinrichtungen und etablierten Unternehmen wie Etas und G Data, was den Wissenstransfer und die Innovationskraft in der Region fördert. Das Ökosystem zeichnet sich auch durch eine starke Vernetzung aus. Organisationen und Netzwerke wie Bitsi e.V. und Eurobits e.V. fördern die Zusammenarbeit zwischen Forschung, Wirtschaft und Gründerszene und schaffen so ein unterstützendes Umfeld, in dem neue Ideen und Technologien gedeihen können.

Welche besonderen Unterstützungsangebote gibt es für junge Unternehmen und wie trägt dies zur Stärkung des IT-Sicherheitsstandorts bei?

In Bochum gibt es eine Vielzahl von speziellen Unterstützungsangeboten für junge Unternehmen, insbesondere im Bereich "IT-Sicherheit". Ein zentrales Angebot ist der bereits erwähnte Cube 5 Inkubator, der direkt am Horst-Görtz-Institut für IT-Sicherheit und der Ruhr-Universität Bochum angesiedelt ist. Cube 5 bietet Start-ups und Gründungsinteressierten umfassende Unterstützung, die von der Konzeptentwicklung über die Finanzierung bis hin zur Markteinführung reicht. Es ist eines der vier Standorte des Programms "StartUpSecure" in Deutschland, welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Der Inkubator stellt den jungen Unternehmen Zugang zu einem breiten Netzwerk aus Wissenschaft, Industrie und Investoren zur Verfügung. Dadurch können Start-ups nicht nur von technischem Know-how und modernster Forschung profitieren, sondern auch wertvolle Kontakte zu potenziellen Geschäftspartnern und Kunden knüpfen. Darüber hinaus erhalten die Start-ups maßgeschneiderte Beratungsleistungen und können sich in einem innovativen Umfeld weiterentwickeln. Cube 5 hat bereits mehr als 70 Teams in Bochum und ganz Deutschland beraten. Seit 2019 wurden über Cube 5 14 Empfehlungen für das BMBF-Förderprogramm "StartUpSecure" ausgesprochen, von diesen sind aktuell 13 noch im Geschäft. Die Investmentsumme in von Cube 5 unterstützten Start-ups beläuft sich auf über 30 Millionen Euro. Diese gezielte Förderung junger Unternehmen trägt erheblich zur Stärkung des IT-Sicherheitsstandorts bei. Durch die enge Verzahnung von Forschung und Praxis entstehen neue, marktfähige Lösungen im Bereich der IT-Sicherheit, die den Standort international wettbewerbsfähig machen. Gleichzeitig wird ein attraktives Ökosystem geschaffen, das talentierte Fachkräfte und weitere Unternehmen anzieht, was die Dynamik und Innovationskraft in der Region weiter verstärkt.

Inwiefern sind die in Bochum entwickelten quantensicheren Verschlüsselungsverfahren und die Sicherheitslösungen für das Internet der Dinge wegweisend für die globale IT-Sicherheitslandschaft?

Die quantensicheren Verfahren des Exzellenzclusters Casa aus legen den Grundstein für die Verschlüsselung der Zukunft in allen Lebensbereichen. Mit ihrem Sieg im renommierten NIST-Standardisierungswettbewerb hat Bochum sich als globaler Vorreiter in der Kryptografie etabliert und definiert den internationalen Standard für Sicherheitstechnologien. Die IoT-Sicherheitslösungen, entwickelt von Start-ups wie Physec, kombinieren physische und digitale Schutzmechanismen, um vernetzte Geräte vor Cyberangriffen zu schützen. Da das IoT in kritischen Infrastrukturen (KRITIS) wie bei den Stadtwerken oder Versorgern zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind diese Innovationen entscheidend für den globalen Schutz und prägen die IT-Sicherheitsbranche.

Welches Projekt liegt Ihnen derzeit besonders am Herzen und warum?

Aktuell beschäftigen wir uns bei der Bochum Wirtschaftsentwicklung intensiv mit der Umsetzung der NIS-2-Richtlinie. Diese bringt für uns, wie für viele andere, verpflichtende Sicherheitsmaßnahmen und Meldepflichten mit sich. Die NIS-2-Richtlinie verfolgt das Ziel, die Cybersicherheit in der EU nachhaltig zu stärken. Sie erweitert den Kreis der betroffenen Unternehmen, verschärft die Anforderungen und intensiviert die behördliche Kontrolle – gerade im Umgang mit Daten ein besonders wichtiger Aspekt. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, sich eingehend mit diesem Thema zu befassen und die notwendigen Schritte zu ergreifen. Als Bochum Wirtschaftsentwicklung setzen wir uns im Innovationsfeld "IT-Sicherheit" mit genau solchen Themen auseinander – und das betrifft auch uns selbst. Denn es geht schon lange nicht mehr um die Frage, ob Unternehmen und Behörden Opfer von Cyberangriffen werden, sondern vielmehr darum, wann sie angegriffen werden.

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