Andreas Burkert
Lange Zeit konnten Google, SAP und Co. aus dem Vollen schöpfen. Sie galten unter IT-Absolventen als erste Adresse und waren mit Abstand die beliebtesten Arbeitgeber. Doch das Blatt hat sich gewendet, allein der Branchenprimus Google verliert in diesem Jahr jeden siebten potenziellen Bewerber, so ein Ergebnis der aktuellen Absolventenstudie von Trendence. Trotz einer wachsenden Zahl der Absolventen ist das Silicon Valley nicht mehr automatisch die erste Wahl. Doch warum nur meiden IT-Absolventen die seinerzeit so beliebten Arbeitgeber aus dem IT-Sektor?
Dazu hat auch der Wirtschaftsexperte Frank Rechsteiner eine klare Meinung. Sie sind der Ansicht, dass viele IT-Unternehmen bei der Personalgewinnung und -bindung wertvolle Punkte verschenken - obwohl die Konkurrenz auf dem Bewerbermarkt immer größer wird. Die Springer-Autoren halten die Ursachen oftmals für hausgemacht: Sie reichen von der „Außendarstellung, die jegliche Individualität und Originalität vermissen lassen, über unklar formulierte Stellenprofile bis hin zu überlangen Recruiting-Prozessen, die dazu führen, dass interessante Bewerberinnen und Bewerber wieder abspringen“, schreibt er auf Seite 29 in Kapitel „Neue Optionen für attraktive IT-Arbeitgeber“.
IT-Kräfte zieht es zu den klassischen Beratern
Die Attraktivität eines Arbeitgebers wird unter den Berufseinsteigern zwar noch immer hoch geschätzt, doch mit Banken, öffentlicher Dienst und klassische Wirtschaftsprüfer buhlen nun auch nicht mehr nur klassische IT-Firmen um die Gunst junger IT-Experten. Wie die etablierte Branche um den Nachwuchs kämpft, lässt im aktuellen Trendence-Graduate-Barometer 2016 ablesen. Demnach fällt etwa SAP im Ranking der Wunscharbeitgeber von Rang 2 auf 5. Und auch IT-Beratungen wie IBM, Capgemini und Accenture verlieren in der Gunst der Informatiker. Klassische Beratungen wie McKinsey wie auch die Wirtschaftsprüfer EY, PwC und KPMG hingegen legen zu – auf Rang 38, Rang 53 beziehungsweise Rang 58.
Der Wettberwerb wird sich dabei laut trendence-Geschäftsführer Holger Koch noch verschärfen: „Die klassischen Beratungen müssen diversifizieren und sich in neuen Tätigkeitsbereichen spezialisieren, um auch künftig wachsen zu können“, so Koch. „Entsprechend intensiv sind sie auf der Suche nach Informatikern, die die neuen Karrierechancen gern wahrnehmen.“ Das Ranking verrät aber auch, wie sehr mittlerweile Banken bei IT-Absolventen punkten. Im Vergleich zum Vorjahr wollen sich heute etwa bei der Commerzbank (Rang 49) und der Postbank (Rang 70) doppelt so viele Informatiker bewerben. Und erstmals „zählt die Deutsche Bundesbank zu den 100 Top-Arbeitgebern der Informatiker und belegt Rang 81.“
Das Bankengeschäft wird digitaler und lockt Informatiker
Aus gutem Grund, wir Koch weiß: „Das Bankengeschäft wird digitaler, der Sektor braucht mehr Informatiker und weniger Wirtschaftswissenschaftler“, erklärt er. „Die Deutsche Bundesbank beispielsweise präsentiert sich seit zwei Jahren aktiv auf der CeBIT als Arbeitgeber – und das zeigt Wirkung.“ So rücken Banken immer stärker ins Bewusstsein der junger IT-Absolventen. Und selbst der der Öffentliche Dienst, die Bundeswehr und der Bundesnachrichtendienst überzeugt laut Trendence „immer mehr Informatiker“.