„In vielen Beziehungen ist der Japaner uns nahe verwandt“, schrieb der Philosoph Graf Keyserling1 nach einer Reise, die ihn vor dem Ersten Weltkrieg nach Ostasien führte. „Auch seine Energie ist kinetisch, auch sein Bewußtsein nach außen gekehrt, vor allem aber ist er ebenso neugierig und neuerungssüchtig wie wir”, fährt er fort und steht dabei stark unter Eindrücken, die er zuvor in China sammelte. Im gleichen Abschnitt ergänzt er, „daß seine Kultur trotzdem ein Ausdruck chinesischen Geistes ist.“
Philosophie bedeutet im klassischen Sinne die Liebe zu Weisheit und Wissen. In der Alltagssprache wird es im angelsächsichen Bereich für Einstellungen oder Überzeugungen in Fragen des Handelns verwendet. Das gilt auch für Japan,und so soll es hier benutzt werden.
Handeln gilt in Japan als ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Wesens. Zum Handeln gesellen ich Klugheit, technische Kenntnisse und Stil beziehungsweise Form. Zum guten Geschenk gehört die schöne Verpackung. Ein ausgezeichnetes Produkt zeichnet sich durch Funktion und ästhetische Form aus. Das gilt auch für die handelnden Menschen, und zwar um so mehr, je höher ihre hierarchische Stellung ist.
Aus den vorangehenden Kapiteln folgt, daß Management in Japan zuerst das Management von Menschen bedeutet. Bank und Handelshaus des Mitsui-Keiretsu erinnern äußerlich nicht mehr an das Unternehmen Mitsui zu Beginn des 17. Jahrhunderts. Gebäude, Geld und Vorräte sind verschwunden. Dennoch leben die beiden Firmen auf der Höhe modernen Know-hows im Geiste ihrer Gründer weiter. Seine Menschen haben es durch fast vier Jahrhunderte getragen.
Der japanische Manager sieht sich nicht als überragenden Einzelkämpfer, der Kraft seiner überdurchschnittlichen Fähigkeiten den Rest der Konkurrenz aus dem Felde schlägt. Für ihn besteht die Welt aus Verbindungen, Vernetzungen, Abhängigkeiten und Verpflichtungen. Er weiß, daß auch die Wettbewerber tüchtig sind und nur durch beharrliche Teamarbeit ein kurzer temporärer Vorsprung zu erzielen ist. Er vertraut nicht auf einmalige Effekte, die morgen zerrinnen können, und Strukturen, die angesichts neuer Entwicklungen bald obsolet sein werden.
Lean Management ist ein Schlagwort, das bis vor kurzer Zeit in Japan nicht bekannt war. Es kommt aus dem Amerikanischen und fand vor allem durch das Buch „The Machine That Changed the World“ von Womack, Jones, Roos und Sammons-Carpenter 1990 Verbreitung.
Die Prozeßkette „Planung“ beginnt mit dem Sammeln von Informationen. Sodann werden Zielsetzungen formuliert, denen die eigentliche Planung folgt, die danach in Entscheidungen mündet. Diese Entscheidungen gilt es zu implementieren; zum Schluß werden die Ergebnisse rückgemeldet in die Informationsammlung.
Als soziale Gebilde sind auch Unternehmen ein Teil der Natur. „In der Natur ist nichts starr, aber alles stabil“ schreibt Fuchs in seinem Buch „Das biokybernetische Modell“1. Dazu führt der Kybernetiker Beere2 aus, daß alle Mechanismen bei Tieren instabil sind. Das bildet keinen Widerspruch zu der Aussage von Fuchs. Beer verweist darauf, daß ein Flugzeug, an dessen Ende (Schwanz) sich kein Leitwerk befindet, schnell außer Kontrolle geraten und abstürzen würde. In diesem Sinne wären Vögel, die kein Höhenleitwerk besitzen, aerodynamisch instabil. Dennoch sind sie einem Flugzeug nicht nur in der Wirtschaftlichkeit der eingesetzten Energie, sondern auch in ihrer Flugstabilität weit überlegen. Sie erreichen dies durch eine hoch-entwickelte neurale Kontrolle ihrer Muskeln an den Flügeln und am Schwanz, mit wenig Kraft aber intensiver sensorischer Information und schneller Rückkoppelung.
Der Geist der Zeit befreit sich von den Trägheitsgesetzen der klassischen Physik mit turbulenter Schnelligkeit; Glaubenssätze, Dogmen und starre Ideologien fallen dem zum Opfer.