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2024 | Buch

Journalismus von der ‚Insel‘ Nairobi

Europäische Afrikaberichterstattung aus Kenia

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Über dieses Buch

Journalismus – als eine der zentralen Quellen, die die Sichtweise auf die Welt prägen – berichtet über die abstrakte Größe des ‚Auslands‘. So entstammt auch ein beträchtlicher Teil unseres Wissens über ‚Afrika‘ journalistischer Produktion. In der kenianischen Hauptstadt Nairobi sind zahlreiche internationale und europäische Medieninstitutionen tätig, die (‚Subsahara‘-)Afrikaberichterstattung für lokale, aber insbesondere für Zielgruppen des globalen Nordens anbieten. Die journalistischen Produkte werden medial durch die Gesellschaften, für die sie berichten, geprägt und haben Auswirkungen auf diese. Europäische Medieninstitutionen agieren in spezifischen Organisationsstrukturen und sind an der (Re-)Produktion medialer Repräsentationen und damit einem entsprechenden Raumexport beteiligt. Europäische Afrikaberichterstattung aus Kenia lässt sich in medialen Organisationsstrukturen, Spannungsfeldern der (Re-)Präsentation, postkolonialen Themen sowie innerhalb globaler Machtverhältnisse und der ‚Glokalität‘ von Auslandsjournalismus verorten. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Sichtweisen von für europäische Afrikaberichterstattung tätigen Journalist*innen, die für in Nairobi ansässige Medieninstitutionen arbeiten.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Kapitel 1. Einführung
Zusammenfassung
Auslandsjournalismus prägt die Wahrnehmung anderer Länder und Kulturen und hat politische sowie gesellschaftliche Auswirkungen. Insbesondere die europäische Berichterstattung über Afrika ist stark von kolonialen Perspektiven beeinflusst. Diese Arbeit untersucht die Struktur und Dynamik europäischer Afrikaberichterstattung in Nairobi und beleuchtet die Spannungsfelder, die sich aus der Zusammenarbeit internationaler und lokaler Journalisten ergeben. Die Untersuchung basiert auf einer Kombination aus teilnehmender Beobachtung und Interviews, die Einblicke in die organisatorischen Prozesse und die Handlungsmacht der Journalisten geben. Die Methodik stützt sich auf organisationsethnologische Forschung und postkoloniale Medientheorien.
Hannah Eichhorn
Kapitel 2. Theoretische Rahmung und konzeptuelle Grundlagen
Zusammenfassung
Journalistische Praktiken umfassen die Beschaffung, Auswahl, Strukturierung, Verifizierung und Veröffentlichung von aktuellen, relevanten Informationen, um Öffentlichkeit herzustellen und Orientierung in einer komplexen Welt zu bieten. Themen zeichnen sich durch Neuigkeit, Faktizität und Zielgruppenrelevanz aus, wobei Journalismus als soziales Subsystem in Beziehung zur Gesellschaft steht. Medien fungieren als Beobachtungssysteme, die mit selektiver Berichterstattung eine eigene soziale Realität schaffen und gesellschaftliche Wahrnehmung prägen. Journalismus ist dabei immer auch Repräsentation: Er vermittelt kulturelle Deutungen (Doing Culture). Dies wird besonders in der Afrikaberichterstattung aus postkolonialer Perspektive sichtbar, wo historische Machtstrukturen fortwirken und oft stereotype Darstellungen reproduziert werden, anstatt differenzierte Perspektiven zu bieten. Medieninstitutionen versuchen heute, ihren Produkten eine postkoloniale Reflexivität einzuschreiben.
Hannah Eichhorn
Kapitel 3. Setting the Scene: Journalismus in Kenia
Zusammenfassung
Journalismus in Kenia spielt eine zentrale Rolle in der politischen und gesellschaftlichen Meinungsbildung und fungiert historisch wie gegenwärtig als Erinnerungsagent und öffentliche Arena für antikoloniale Bewegungen und Befreiungskämpfe. Heute wird Kenia, insbesondere die Hauptstadt Nairobi, als mediales Tor zu Afrika gesehen. Die Stadt ist ein wichtiger Standort für internationale Medienhäuser, die von dort aus Berichtsgebiete in ganz Ost- und Zentralafrika erschließen. Lokale Medien bieten Plattformen für nationale Themen und handeln politische Einflüsse aus. Journalismus in Kenia wird, trotz einer vergleichsweise freien Presse, immer wieder durch staatliche Eingriffe und Drohungen gegen kritische Berichterstattung herausgefordert, was Debatten über Pressefreiheit und die Sicherheit von Journalist*innen in der Region prägt.
Hannah Eichhorn
Kapitel 4. Methodologische Rahmung: Reflexive Grounded Theory
Zusammenfassung
In dieser Arbeit wird eine systematische ethnologische Methodologie verwendet, um soziale und ‚kulturelle‘ Phänomene abzubilden. Darin sind eine Reflexion des Forschungsinteresses, die eigene Involvierung in das Feld sowie die Herausforderungen einer ‚kulturellen‘ Kontextualisierung inbegriffen. Als eines der meistverwendeten Verfahren qualitativer Sozialforschung bietet die Reflexive Grounded Theory eine multiperspektivische Analyse alltagsweltlicher Forschungsthemen durch empirische Erhebung und deren flexible Auswertung, die innerhalb ihres methodologischen Rahmens die Subjektivität und Forschungsinteraktion der forschenden Person zu einer Erkenntnisquelle ausarbeitet. Der Forschungsfokus der vorliegenden Arbeit entstand aus dem untersuchten Feld heraus. Unter den Forschungsteilnehmenden lassen sich fünf Fokusgruppen herausstellen: ‚Fest angestellte*r Korrespondent*in‘, ‚fest angestellte*r Journalist*in in europäischer Medieninstitution‘, ‚freie*r Korrespondent*in für europäische Medieninstitution‘, ‚freie*r Journalist*in in Kenia‘ sowie ‚freie*r Journalist*in in afrikanischem Land, Arbeit als Stringer*in/ Fixer*in für europäische Medieninstitution in Kenia‘.
Hannah Eichhorn
Kapitel 5. Auswertung: Die Organisation europäischer Afrikaberichterstattung
Zusammenfassung
Journalist*innen sind als Individuen in mediale Institutionen eingebettet, die als Teil des globalen Mediensystems agieren. Im folgenden Kapitel wird die Wechselwirkung zwischen individuellem Handeln und organisationalen Strukturen betrachtet, wobei journalistische Werdegänge und professionelle Rollenverständnisse eine zentrale Rolle spielen. Eine individuelle Handlungsmacht prägt die sozialen und organisatorischen Realitäten der Medieninstitutionen und beeinflusst den ‚Mikrokosmos‘ der Medienpraxis. Die Dynamiken der journalistischen Produktion werden durch Machtstrukturen, Kommunikationsprozesse und den Zugang zu Ressourcen bestimmt. Der Standort Nairobi weist eine spezifische organisatorische Struktur auf, die durch geografische, zeitliche und ressourcenbedingte Faktoren beeinflusst wird. Dazu zählen lokale Gegebenheiten als auch globale Anforderungen und Erwartungen, die die journalistische Repräsentation von ‚Afrika‘ mit sich bringen.
Hannah Eichhorn
Kapitel 6. Strukturelle Herausforderungen der Afrikaberichterstattung
Zusammenfassung
Dieses Kapitel beleuchtet die strukturellen Herausforderungen der Afrikaberichterstattung auf der Individualdimension (Mikroebene), der institutionellen Dimension (Mesoebene), der ‚kulturellen‘ Dimension (‚kulturelle‘ Makroebene) und der standortspezifischen Dimension (kontextuelle Makroebene).  Journalist*innen stehen vor der schwierigen Aufgabe, den afrikanischen Kontinent zu repräsentieren, wobei sie begrenzte Ressourcen, logistische Komplexität, stereotype Narrative und organisatorische Hierarchien aushandeln müssen. Die Berichterstattung ist häufig von logistischen Hürden wie bürokratischen Anforderungen, Sicherheitsmanagement und infrastrukturellen Einschränkungen geprägt, was zu einer Praxis des „Desk Journalism“ führt. Trotz eines Bewusstseins für stereotype Darstellungen Afrikas bleibt die Perspektive auf den Kontinent oft von postkolonialen Reflexionen beeinflusst. Journalist*innen verhandeln ihre Handlungsspielräume innerhalb institutioneller Strukturen, wobei die Praxis der Afrikaberichterstattung in einem Spannungsfeld zwischen intrinsischer Motivation und externen Vorgaben steht. Die Dominanz eines europäischen Blickwinkels schränkt die Fähigkeit zur Dekolonisierung der Perspektiven und die Umsetzung der eigenen postkolonialen Reflexivität ein. Die Forschungsteilnehmenden stellen künftige Entwicklungen des Feldes heraus und formulieren Handlungsimplikationen.
Hannah Eichhorn
Kapitel 7. Fazit und Ausblick
Zusammenfassung
Journalist*innen, die in der Afrikaberichterstattung tätig sind, stehen vor der Herausforderung, die europäische Kolonialgeschichte und die bis heute fortbestehenden Machtungleichgewichte und Asymmetrien in ihrer Arbeit zu reflektieren, um eine vielfältige und rezipien*innenorientierte Berichterstattung zu gewährleisten. Journalist*innen navigieren zwischen individuellen Karrieren, institutionellen Machtstrukturen und dem globalen Mediensystem. Berichterstattung aus Kenia wird durch logistische und finanzielle Hürden geprägt, was zu eindimensionalen, stereotypen Darstellungen führt. Spannungen entstehen zwischen europäischen und lokalen Journalisten, verstärkt durch ungleiche Ressourcen und rassistische Strukturen. Trotz dieser Herausforderungen setzen Journalist*innen ihre agency ein, um die Berichterstattung zu transformieren und postkoloniale Reflexivität einzubringen sowie eine nuanciertere Sicht auf Afrika zu fördern.
Hannah Eichhorn
Backmatter
Metadaten
Titel
Journalismus von der ‚Insel‘ Nairobi
verfasst von
Hannah Eichhorn
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-46747-0
Print ISBN
978-3-658-46746-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-46747-0