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04.06.2021 | Kapitalmarkt | Nachricht | Online-Artikel

Gamestop war kein Protest gegen die Wall Street

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

3:30 Min. Lesedauer
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Zu Jahresbeginn standen tausende Kleinanleger, die den Kurs des US-amerikanischen Videospielhändlers Gamestop in die Höhe getrieben hatten, im Fokus weltweiter Medien. Eine Untersuchung zeigt nun, dass sie eher Räuber als Robin Hood waren.

Wissenschaftler der Universität Paderborn haben sich die Entwicklungen rund um die Gamestop-Aktie genauer angeschaut. Im Fokus des Projekts standen die handelnden Kleinanleger sowie deren persönliche und handelstechnische Merkmale. Nun liegen die Ergebnisse der Untersuchung vor und belegen, dass es sich bei der Aktion für viele nicht um einen Protest gegen die Wall Street handelte, sondern um den spekulativen Handel einer Gruppe von Kleinanlegern. 

Hintergrund: Zu Jahresbeginn hatte der rasant gestiegene Kurs der Gamestop-Aktie, der zeitweilig um rund 1.600 Prozent nach oben geschossen war, für Tumulte an der Wall Street gesorgt. "Im Januar 2021 verabredeten sich Kleinanleger im Diskussionsforum Wallstreetbets auf der amerikanischen Online-Plattform Reddit zum Kauf von Gamestop-Aktien. Zuvor hatten die US-Hedgefonds Citron Research und Melvin Capital auf einen Kursverlust gesetzt und die Papiere leerverkauft", erläuterte die Unternehmensberaterin Tracy Dathe im Februar die Hintergründe bei Springer Professional. In der Folge kam es zu einem Kampf der Spekulanten. 

Kleinanleger praktizierten Predatory Trading

"Der starke Preisanstieg war allerdings keine Reaktion auf ein wirtschaftliches Ereignis, wie es in der Regel der Fall ist, sondern ist weitgehend Kleinanlegern zuzuschreiben. In den Nachrichten wurde suggeriert, dass sie sich gegen die Wall Street stellen", erläuterte Matthias Pelster im Fachmagazin "Finance Research Letters". Für den Professor im Bereich Taxation, Accounting and Finance und sein Forschungsteam ist das Ergebnis auch deshalb so interessant, weil es den ersten Fall von räuberischem Handel darstellt, der privaten Anlegern zuzuschreiben ist. 

Pelster beschreibt das Verhalten als sogenanntes Predatory Trading. Das trete dann auf, wenn Anleger dem Markt Liquidität entziehen, anstatt sie bereitzustellen. Sie handelten in diesem Fall gleich einem, möglicherweise notleidenden, Großanleger, um ihn zur Liquidation zu zwingen. So schieße der Preis nach oben und den "Räubern" gelinge es, Gewinne zu realisieren.

Orderflow bestimmt den Aktienkurs

Obwohl die Kleinanleger eine große Aufmerksamkeit der Medien genießen, bleiben ihre Identität und ihre Ziele in Bezug auf die Gamestop-Aktie unbekannt. Doch habe der Vorfall gezeigt, wie sie durch eine Vielzahl von Käufen und Verkäufen, den sogenannten Orderflow, "innerhalb kürzester Zeit die Aktienkurse bewegen", so Pelster. 

Dabei hätten Gamestop-Händler bereits in der Vergangenheit häufig in spekulative Instrumente investiert, darunter in Aktien mit lotterieähnlichen Merkmalen. "Außerdem schlossen sie ihre Positionen mit größerer Wahrscheinlichkeit schon vor dem Höhepunkt der Episode im Januar", erklärt der Wirtschaftswissenschaftler. Ihren Peak erlebten die Papiere am 27. Januar 2021 bei einem Kurs von etwas mehr als 347 US-Dollar. 

Spektulative Anleger nutzen Gamestop-Aktie wie eine Lotterie

Dabei zeigte die Untersuchung, wie sich das Profil der Kleinanleger mit zunehmender Medienpräsenz geändert hat. Denn Anfang Januar hätte eine Vielzahl von Kleinanlegern wie auch die großen US-Investoren sogenannte Short-Positionen gegen Gamestop eingenommen. Daher sei die mediale Darstellung als Kampf zwischen Kleinanlegern und der Wall Street unvollständig. Dabei schlossen gerade die spekulativen Anleger ihre Positionen bereits vor dem Höhepunkt der Blase. Das lege nahe, "dass die Entscheidung, mit Gamestop-Aktien zu handeln, mit einer Anziehungskraft des Glücksspiels am Aktienmarkt einhergeht".

Um die jeweiligen Entscheidungen der Kleinanleger zum Handel mit Gamestop-Aktien zu identifizieren, dienten den Forschern statistische Analyseverfahren. Dabei haben sie sich auf verschiedene Zeiträume konzentriert, um die unterschiedlichen Phasen des Börsenrauschs zu erfassen. "Wir haben zu jeder Zeit Käufe und Verkäufe beobachten können", erläutert Pelster. "Einige der Gamestop-Investoren, die Teil unserer Stichprobe sind, verfolgen sicherlich keine räuberischen Interessen, sondern sind echte Value-Investoren", schränkt der Wirtschaftsprofessor ein. "Bei unseren Studien haben wir uns nur auf Privatanleger konzentriert und können daher nicht sagen, wie sich institutionelle Anleger verhalten haben. Als Verursacher des Short Squeeze wurden Kleinanleger identifiziert."

Interessant ist, dass der Kurs der Aktie nach dem Absturz Anfang Februar in den vergangenen Wochen wieder kontinuierlich gestiegen ist - mit kleinen Auf- und Abschwüngen. Zum Börsenschluss am 1. Juni standen die Papiere bei 222 US-Dollar. Was sich hinter dieser Entwicklung verbirgt, dazu äußerten sich die Paderborner Forscher allerdings nicht. 

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