Das aktuelle Marktumfeld ist von vielen Unsicherheitsfaktoren und Widersprüchen geprägt. Die hohe Inflation und eine drohende Rezession stehen gute Quartalsergebnisse von DAX-Konzernen gegenüber. In Zeiten volatiler Märkte können Anleger von einer Long-Short-Strategie profitieren.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat zu zweistelligen Inflationsraten geführt. Auch wenn es bereits Anzeichen dafür gibt, dass die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat - so ist sie beispielsweise in den USA im November das fünfte Mal in Folge auf einen Wert von 7,1 Prozent gesunken - dürfte die Teuerung auch weiterhin auf einem relativ hohen Niveau bleiben. Führende Notenbanken wie die Federal Reserve und die Europäische Zentralbank haben die Inflationsbekämpfung zu ihrem primären Ziel erhoben und die Leitzinsen nach oben geschraubt. Nach über zehn Jahren Null- und Negativzinsen, die die Spekulation mit Anlageformen wie Aktien angetrieben haben, befinden wir uns nun wieder in einem Markt mit positiver Geldverzinsung. Des einen Freud, ist des anderen Leid: Finanzierungen und Investitionen werden durch die höheren Zinsen deutlich teurer.
Die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat angesichts der Energiekrise ihre Wachstumsprognose für das Jahr 2023 mehrmals nach unten korrigiert - zuletzt lag die Prognose für das globale Wirtschaftsprognose bei 2,7 Prozent. Vor allem für Deutschland und Italien sieht der IWF eine Rezession aufziehen. Diese düsteren Aussichten werden jedoch immer weniger vom Kapitalmarkt widergespiegelt. Der Deutsche Aktienindex (DAX) schaltete beispielsweise ab September in den Rally-Modus und viele DAX-Konzerne vermeldeten rekordhohe Quartalsergebnisse. Gefahr für die Weltkonjunktur könnte weniger von Energieknappheit, sondern von China ausgehen. Die Lieferketten sind nach dem Höhepunkt der Corona-Pandemie noch immer gestört.
Buy and Hold hat ausgedient
In diesem volatilen Marktumfeld mit vielen weiterhin bestehenden Risiken ist eine simple Buy-and-Hold-Strategie nicht ausreichend. Selbst die Diversifizierung des Portfolios durch die Streuung in verschiedenen Assetklassen wie Aktien, Anleihen, Immobilien oder Gold hat 2022 zu Verlusten geführt, da fast alle Anlageklassen in den Korrekturmodus geschaltet haben. Es bedarf somit ausgefeilter Investmentstrategien, um die neue Marktdynamik optimal navigieren zu können und mögliche Verluste zu vermeiden.
Eine flexible Strategie, die von schwankenden Märkten profitiert, ist die Long-Short-Strategie. Dieser Ansatz bietet unter anderem den Vorteil, dass Verluste infolge von Verwerfungen an den Aktienmärkten durch Gewinne auf der Short-Seite teilweise aufgefangen werden können. Auf Basis umfangreicher Expertise und eines sorgfältigen Auswahlprozesses kann der Fondsmanager mögliche Gewinner und Verlierer des vorherrschenden Marktumfelds identifizieren.
Während die Gewinner aufgrund der potenziell steigenden Aktienkurse in Form von Aktieninvestments auf die Kaufliste (Long) genommen werden, werden die Verlierer über Derivate (Optionen, Zertifikate, Futures oder Credit Default Swaps) auf die Verkaufsliste (Short) gesetzt. Letzteres bedeutet, dass der Wert der Anlage steigt, wenn der Aktienwert der Verlierer sinkt. Zentraler Orientierungspunkt ist der Preis der Aktie: Aktien, die als unterbewertet gelten, werden auf die Long-Seite gesetzt, während überteuerte Werte in das Short-Portfolio aufgenommen werden.
Auf langfristige Investments ausgerichtet
Bei der Long-Short-Strategie handelt es sich nicht um eine kurzfristige Spekulation, sondern um einen Anlageansatz, der auf langfristige Investments ausgerichtet ist. Dieser wird traditionellerweise vor allem bei Hedgefonds angewandt, bei denen höhere Risiken eingegangen werden dürfen und dementsprechend höhere Gewinne realisiert, aber möglicherweise auch höhere Verluste erlitten werden können. Bei normalen Fonds wie UCITS-Fonds mit enger gesetzten Grenzen für risikoreiche Investments entspricht der Ansatz durch die im Falle eines Marktrückgangs erzielten Gewinne auf der Short-Seite einem Hedging des Portfolios gegen Verluste auf der Long-Seite.
Kandidaten für die Short-Seite zu identifizieren, erfordert andere Skills als das normale Investieren in Long-Kandidaten. Hierfür müssen die Fondsmanager, ähnlich einem Investigativjournalisten oder einem Forensik-Detektiv, sehr kritisch denken und Unternehmen mit Problemen erkennen. Vor allem Unternehmen aus dem Small und Mid-Cap-Anlageuniversum bieten in dieser Hinsicht einen reichen Jagdgrund, da diese weniger von Analysten gecovert werden.
Fondsmanagement folgt unterschiedlichen Ansätzen
Zur Umsetzung der Long-Short-Strategie stehen Fondsmanagern verschiedene Ansätze zur Verfügung, die sich jeweils unterschiedlich auf das Rendite-Risiko-Profil auswirken. Ein bekannter Ansatz ist der marktneutrale Ansatz, bei dem die Long- und Short-Positionen gewählt werden, die aus dem gleichen Bereich, wie etwa der gleichen Branche, stammen. Das führt zu geringeren Renditeaussichten, aber auch zu geringerem Risiko.
Ein weiterer Ansatz ist eine Long-Short-Strategie mit einer gezielten Ausrichtung auf verschiedene Themen, die sich jeweils im Hinblick auf die Long- und Short-Seite unterscheiden, aber auf beiden Seiten Alpha generieren. Überhaupt können Long-Short-Fondsmanager flexibler agieren, da ihre Performance nicht an die einer Benchmark geknüpft und die Portfolioaufteilung nicht statischen Vorgaben unterliegt.
Mit einer Long-Short-Strategie können Anleger von der vorhandenen Marktunsicherheit profitieren. Diese komplexe Anlagestrategie erfordert jedoch intensives Research sowie tiefe Expertise und Erfahrung, um die besten Long- und Short-Kandidaten ausfindig zu machen.