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20.04.2023 | Kapitalmarkt | Schwerpunkt | Online-Artikel

Einzelhandels- und Büroimmobilien sind als Kapitalanlage "out"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5:30 Min. Lesedauer

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Online-Händler und die Corona-Pandemie haben dem stationären Handel mächtig zugesetzt. Trotz punktueller Verbesserungen gibt es reichlich Leerstand. Auch Büroimmobilien werden zu Ladenhütern - selbst in größeren Städten. Die Aussichten dieser Asset-Klasse sind laut einer aktuellen Umfrage daher düster.

Immobilieninvestoren konnten sich lange Zeit über steigende Büromieten freuen. Doch mit Corona kam das Homeoffice und die Art, wie Menschen arbeiten, veränderte sich grundlegend. Anbieter von Büroflächen buhlen regelrecht um neue Mieter. Laut einer Anfang April veröffentlichten Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ist jedes vierte Inserat rund 38 Wochen auf dem Markt. Büros mit einer schlechteren Ausstattung oder Räumlichkeiten abseits von Top-Lagen haben es besonders schwer. Das gilt sogar in Großstädten. Für die Untersuchung wurden rund 439.000 Inserate von Büroimmobilien analysiert, die vom Immobilienbewerter Value aus verschiedenen Quellen gesammelt wurden. 

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Der Erhebung zufolge sind die Mieten für Büroräume bundesweit im Vergleich zum Vorjahr um 5,9 Prozent gestiegen. Unter Berücksichtigung der Inflationsrate seien sie daher real erstmals seit vielen Jahren sogar gesunken. Dabei gelten Metropolen wie Berlin, Hamburg, München und Köln als zentrale Standorte von Unternehmen. Hier werden 36 Prozent aller entsprechenden Immobilien angeboten. Mieter für Objekte im Umland von Städten oder im ländlichen Raum zu finden, ist besonders diffizil. 

Trendwende bei Büroimmobilien eingeläutet

Die geringsten Mietsteigerungen gab es in Dresden, München und Nürnberg mit 1,8 Prozent. Dies werde eine Trendwende einläuten, glauben die Studienautoren. Da aber etliche Mietverträge über viele Jahre laufen, werde es dauern, bis die Unternehmen auf die schwächelnde Konjunktur oder das Homeoffice reagieren. 

"Wir arbeiten spätestens seit der Pandemie anders als früher", sagt IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. "Das Büro wird vor allem als Begegnungsort genutzt. Entsprechend tobt jetzt ein Wettbewerb um innovative Konzepte." Das mache Gebäude mit älterer Ausstattung und in schlechteren Lagen unattraktiv. "Wir beobachten eine ganze Reihe von Ladenhütern. Das hat es in dieser Dimension in den vergangenen Jahren nicht gegeben."

Remote Work verändert Büronachfrage 

Dass die Nachfrage nach Büros nach der Pandemie überdacht werden muss, davon war Rudolf Faltermeier bereits im 2022 erschienen Buch "Pandemie als nicht alltägliches Event-Risk" (Seite 24 f.) überzeugt. 

"Der bisherige Trend zu immer kleineren Büros, Office Sharing und Open Spaces bekommt durch die Erfahrungen mit dem Homeoffice eine völlig neue Dimension", erläutert der Springer-Autor, der auch im Bereich Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität München lehrt. 

Je nach Branche und Position des Mitarbeiters sei der Spielraum für Remote Work "weitaus größer, als noch vor der Pandemie angenommen".

Neue Bürokonzepte sind gefragt

Doch auch wenn zunehmend vom Homeoffice aus gearbeitet wird, führe dies nicht automatisch zu einer Reduktion der benötigten Bürofläche, glauben Marion Peyinghaus, Regina Zeitner und Ann-Kathrin Kempter. "Denn im Büro ergibt sich parallel ein Mehrbedarf für Raum zum Austausch, zum Knüpfen von sozialen Kontakten und zur Entwicklung kreativer Ideen", so das Autoren-Trio im Buchkapitel "Megatrends und ihr Einfluss auf die Immobilienwirtschaft" (Seite 20 f.). 

Neben der quantitativen Ungewissheit werden sich konzeptionell neue Ansätze ergeben, wie etwa das Hotelling. Hier werde den Mitarbeitenden nur für eine begrenzte Zeit ein Büroraum zur Verfügung gestellt. "Diese neuen Konzepte führen dazu, dass die Unternehmen der Immobilienwirtschaft mit einer Zunahme von Sharing-Plattformen rechnen, welche die Möglichkeit zur Untervermietung eines Flächenüberhangs anbieten", fassen die Springer-Autorinnen zusammen.

Einzelhandel leidet unter den Krisen

Eigentümer von Immobilien für den stationären Einzelhandel müssen schon lange an neuen Strategien und Konzepten tüfteln. Dieser Sektor war besonders stark von der Corona-Pandemie betroffen. "Die Krise wirkte als Katalysator der ohnehin schon schwierigen Situation aufgrund der zunehmenden Konkurrenz durch den Online-Handel. Nun belastet der deutliche Kaufkraftverlust durch die hohe Inflation", so Stefan Mitropoulos, Head of Capital Market Research & Economics bei der Landesbank Hessen-Thürigen (Helaba), in einem aktuellen Fokus-Papier. Mieten und Kaufpreise werden daher in diesem Segment 2023 in Deutschland weiter sinken, heißt es dort weiter. 

Allerdings sei die Performance von Einzelhandelsimmobilien auf internationaler Ebene zuletzt weniger schlecht als bei Büroimmobilien. In Deutschland belasteten vor allem umfangreiche Schließungen in den vergangenen Jahren die Branche. Während der Online-Handel 2020 ein Plus von 25 Prozent und im Folgejahr von immerhin 11,5 Prozent verbuchte, musste die Sparte 2022 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes einen Rückgang um preisbereinigt mehr als acht Prozent verkraften. Stationäre Einzelhändler wiesen 2022 hingegen zumindest einen kleinen Umsatzanstieg von 1,2 Prozent vor. 

Geringerer Flächenbedarf im stationären Handel

"Dabei hat sich die Situation für manche Sparte im Vergleich zur Corona-Zeit geradezu umgekehrt. So steigerte der damals besonders betroffene Einzelhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen die realen Umsätze um 27 Prozent", so Mitropoulos. Lebensmittelläden, die zu den Profiteuren der Lockdowns gehörten, verbuchten 2022 ein Minus bei den Umsätzen von 4,6 Prozent. Insgesamt werde die schwierige Lage im deutschen Einzelhandel "zu einer geringeren Flächennachfrage führen". Unternehmen überprüften derzeit ihre Filialnetze und schließen weniger rentable Geschäfte. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen haben bislang allerdings einen deutlichen Anstieg der Insolvenzzahlen verhindert. 

Mittel- bis langfristig geht die Helaba von einer leicht zurückgehenden Einzelhandelsfläche in Deutschland aus. Laut dem Handelsverband Deutschland (HDE) stagniert diese bereits seit mehreren Jahren bei rund 125 Millionen Quadratmeter. "Dagegen hat die Zahl der Einkaufszentren in Deutschland bis zuletzt - allerdings verlangsamt - zugenommen und erreichte 2022 mit 493 und einer Verkaufsfläche von rund 16 Millionen Quadratmeter einen neuen Höchststand", heißt es in dem Papier weiter.

Kapitalmarktexperten rümpfen die Nase

Insgesamt werden für viele Kapitalmarktexperten Immobilien als Anlage unattraktiver, wie der ZEW-Finanzmarkttest vom März 2023 zeigt: Diesem zufolge beurteilen die befragten Finanz-Professionals  die Aussichten für Immobilien in den kommenden sechs Monaten erneut deutlich schlechter. Bereits in der Umfrage vom September 2022 wurde diese Anlageklasse sehr negativ beurteilt. 

Als Gründe geben die Teilnehmer die gestiegenen Zinsen und mögliche weitere Zinserhöhungen an. Aber auch der Umstand, dass sich die Immobilienpreise noch nicht an das veränderte Marktumfeld angepasst haben und aktuell zu hoch sind, werten sie als Nachteil. Mit Blick auf den Euroraum werden Anlagen in Immobilien zudem durch die politischen Rahmenbedingungen belastet, so das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

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