Der Kursverlauf der Zahlungsdienstleisters Wirecard war in den vergangenen Monaten nichts für schwache Nerven. Wie Unternehmen am besten auf Gerüchte reagieren und wie hoch der Einfluss der sozialen Medien mittlerweile ist.
An den weltweiten Börsen sind die Kurse von Unternehmen ständig in Bewegung.
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Welchen Einfluss Gerüchte auf Unternehmenskurse an der Börse haben, davon kann die Aschheimer Firma Wirecard ein Lied singen. Lag die Aktie des Dax-Aufsteigers laut Onvista.de Anfang September 2018 noch bei knapp 196 Euro, fiel das Papier Anfang Februar 2019 um mehr als die Hälfte auf knapp 95 Euro. Die Gründe waren der Verdacht auf Scheingewinne und Korruption innerhalb des Konzerns.
Am 26. März folgte dann laut Medienberichten die Entwarnung. Die Kanzlei Rajah & Tann aus Singapur habe keine Hinweise auf das sogenannte "Round-Tripping" und Korruption sowie keine Erkenntnisse zu einer strafrechtlichen Verantwortung der deutschen Zentrale gefunden, heißt es beispielsweise im Fachblatt "Börse Online", die sich auf Unternehmensangaben beruft. Diese Nachrichten sorgten dann innerhalb eines Tages für ein sattes Plus von knapp 26 Prozent, so dass die Wirecard-Aktie den Börsentag laut Börse Online in Höhe von knapp 125 Euro schloss.
Langfristig setzen sich harte Fakten durch
Generell seien Gerüchte und psychologische Faktoren zwei verschiedene Dinge, sagt Franz-Josef Leven, Stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Aktieninstituts, gegenüber Springer Professional. Bei einem Gerücht handele es sich um eine Tatsachenbehauptung über ökonomische, juristische oder andere Daten, deren Wahrheitsgehalt nicht feststehe: Sie könne wahr oder falsch, absichtlich oder unabsichtlich entstanden sein. "Meistens scheint ein Gerücht von erheblicher Bedeutung zu sein, und darauf reagieren Anleger kurzfristig, unter Umständen überschießend", so Leven. Das sei dann psychologisch bedingt. Langfristig setzen sich an der Börse laut Leven an der Börse die harten Fakten durch. Kurzfristig würden psychologisch bedingte Schwankungen den Trend überlagern.
Wie an der Börse gelistete Unternehmen am besten auf Gerüchte reagieren, ist laut Leven ein komplexes Thema. Grundsätzlich sei eine offene und direkte Kommunikation am Kapitalmarkt erwünscht. "Gerüchte könnten Unternehmen aber unter bestimmten Umständen dazu zwingen, eine Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizität vorzeitig zu beenden, also eine Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen", betont Leven. Das könne vor allem ein Problem in M&A-Verfahren sein, wenn im Markt über Übernahmeziele spekuliert oder gar bewusst Gerüchte gestreut würden. "Früher konnte man in einem solchen Fall mit 'no comment' reagieren", so Leven weiter. Heute gehe das nicht mehr, wenn das Gerücht hinreichend präzise sei.
Ökonomische Vorhersagen sind unsicher
Ökonomische Vorhersagen sind immer mit sehr hoher Unsicherheit behaftet, obwohl sie in der täglichen Berichterstattung der Medien einen prominenten Platz einnehmen und umfassend diskutiert und kommentiert werden, argumentiert Springer-Autor Max Otte in dem Buchkapitel "Die Finanzkrise und das Versagen der modernen Ökonomie" (Seite 7 f.). Dennoch ist es für Trader und Analysten wichtig, so schnell wie möglich Zugang zu unternehmensspezifischen Informationen zu erhalten. Daher sehen Praktiker und Wissenschaftler laut der Springer-Autoren Marten Risius, Fabian Akolk und Professor Roman Beck nutzergenerierte Inhalte als relevante, zusätzliche Informationsquelle für Investmententscheidungen an. Wie das genau funktioniert, beschreiben sie in dem Artikel "Mit Social-Media-Stimmungen Börsenkursbewegungen vorhersagen" der März-Ausgabe 2016 der Zeitschrift Wirtschaftsinformatik & Management.
Soziale Medien beeinflussen die Aktienmärkte laut den Autoren nicht nur vereinzelt, sondern regelmäßig. Den Einfluss von Social Media auf den Wertpapierhandel zeigt den Autoren zufolge beispielsweise ein manipulierter Tweet des gehackten Twitter-Accounts der Nachrichtenagentur "Associated Press" Ende April 2013. Der Tweet hatte fälschlicherweise einen Angriff auf das Weiße Haus gemeldet und laut den Autoren innerhalb von nur drei Minuten einen Marktwert von annähernd 136 Milliarden US-Dollar vernichtet. Seit dem Jahr 2014 liefert die New York Stock Exchange Ergebnisse einer automatisierten Sentiment-Analyse von Social-Media-Plattformen. So versorgt die Börse den Autoren zufolge Investoren in Echtzeit mit stimmungsbezogenen Informationen über Marktindizes, Branchen oder einzelne Unternehmen.