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04.02.2021 | Karosserie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie der Karosseriebau energieeffizienter werden kann

verfasst von: Thomas Siebel

3:30 Min. Lesedauer

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Der Karosseriebau zählt zu den größten Energieverbrauchern in der Produktion konventioneller Fahrzeuge. Mit einem neuen Konzept lassen sich bis zu 15 Prozent der elektrischen Energie einsparen.

Die Fertigung eines Mittelklassewagens verschlingt mit etwa 3,5 Megawattstunden so viel Energie wie ein Vierpersonenhaushalt in einem ganzen Jahr. Bislang erfuhr diese Tatsache nicht allzu viel Aufmerksamkeit, ist doch der Energieverbrauch eines verbrennungsmotorisch angetriebenen Autos allein durch die zurückgelegten Kilometer im Laufe seines Fahrzeuglebens um ein Vielfaches höher. Spätestens mit dem Übergang zur Elektromobilität rückt die Energieeffizienz in der Fahrzeugproduktion aber ins Blickfeld, schließlich ist es bei Elektrofahrzeugen die Produktion, die die Ökobilanz dominiert. In erster Linie liegt das zwar an der energieintensiven Herstellung der Fahrzeugbatterien; allerdings streben große Automobilhersteller ohnehin zur klimaneutralen Fabrik und müssen dafür auch weitere Effizienzreserven ausschöpfen.

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Systematische Steigerung der Energieeffizienz im Karosseriebau

Die vorliegende Dissertation präsentiert ein Konzept zur Steigerung der Energieeffizienz im Karosseriebau um durchschnittlich 10-15%. Die dafür benötigte Energietransparenz wird durch die strukturierte energetische Analyse bestehender Karosseriebauanlagen erreicht.

Ein wesentlicher Faktor ist dabei auch die Karosseriefertigung, auf die fast ein Viertel des Energiebedarfs in der Fahrzeugproduktion entfällt, wie Hanno Teiwes im Kapitel Grundlagen und Stand der Technik seiner Dissertation Systematische Steigerung der Energieeffizienz im Karosseriebau beschreibt. Nur die Lackierertechnik verbucht mit 46 Prozent noch mehr Energie für sich. Große Verbraucher sind dabei Elektroantriebe für Roboter oder Druckluft, die Fügetechnik, aber auch Beleuchtung und die Erzeugung von Raumwärme. Mehrere Arbeiten haben sich bislang mit Maßnahmen zur Effizienzsteigerung in der Produktion gewidmet. Dazu gehören auf Betriebsmittelebene etwa

  • der Einsatz von Betriebsmitteln mit geringeren Stand-by-Verbräuchen, um die Grundlast in Produktionspausen zu senken
  • effizientere Abschalt- und Anfahrstrategien der Betriebsmittel
  • Systeme zur Rekuperation von Roboterbremsbewegungen

und auf Arbeitsgruppen- und Gewerkeebene

  • effizientere Produktionsplanung zur Vermeidung von Stillstandzeiten
  • Entzerrung gleichzeitig anlaufender Prozesse, um Energiespitzen abzuschwächen
  • die Vermeidung des Gebrauchs von Druckluft, etwa mithilfe elektromotorisch betriebener Spann- und Schweißzangentechnik anstelle von pneumatischen Lösungen

sowie insgesamt auch die bedarfsgerechte Dimensionierung der Fertigungsanlagen. Für die Umsetzung vieler wirkungsvoller Maßnahmen zur Effizienzsteigerung müsste eine bestehende Karosserieproduktion allerdings angehalten werden, was Teiwes zufolge in der Praxis kaum möglich ist. Deswegen plädiert er dafür, Energieeffizienzabschätzungen möglichst bereits im frühen Planungsprozess einer Fertigungsanlage einzubeziehen.

Expertensystem liefert Effizienzmaßnahmen

Im Rahmen seiner Dissertation hat er ein Konzept entwickelt, mit dem sowohl neue Karosseriebauanlagen auf Energieeffizienz getrimmt werden als auch bestehende Anlagen signifikant energetisch optimiert werden können. Zunächst werden dabei Energie-, Verbrauchs- und Prozessdaten einer bestehenden Karosseriebauanlage gemessen, aufbereitet und in einer Datenbank hinterlegt, wie Teiwes im Kapitel Konzeptentwicklung beschreibt. Die Datenbank enthält damit energetische Daten für Betriebsmittel, energetisch parametrisierte Prozessschritte und Maßnahmen zur Verbesserung der Anlage. Wird eine Anlage neu geplant, so lassen sich anhand von Planungsdaten und der Datenbank Energieverbräuche der Standby- und Produktionslasten sowie das Lastprofil geplanter Prozesssequenzen prognostizieren. Die Energieprognose bildet zugleich den Input für ein Expertensystem, das die theoretisch erreichbare Einsparungen darstellt und Effizienzmaßnahmen vorschlägt.

Konsequent angewendet können auf diese Weise beispielsweise elektrische Versorgungsleistungen bedarfsgerecht dimensioniert und Betriebsmittel optimal aufeinander abgestimmt werden. Ebenso lässt sich das Konzept Teiwes zufolge nutzen, um mittels Lastprofilanalyse einer bestehenden Anlage Energieeffizienzpotenziale zu heben.

Umsetzung in Volkswagen-Karosseriebaulinie

Exemplarisch angewendet hat Teiwes das Konzept an Teilen einer Karosseriebaulinie von Volkswagen, auf der SUV und Vans gefertigt werden. Als besonders energieaufwendig beschreibt der Autor im Kapitel Anwendung des Gesamtkonzeptes am Beispiel des Karosseriebaus die Roboter-, die Füge- und die Hub-Senk-Fördertechnik, die zusammen 85 Prozent des Energieverbrauchs im Produktionsbetrieb ausmachen. Insbesondere Schweißzangen und Industrieroboter mit Traglasten von mehr als 210 Kilogramm erwiesen sich als kritisch hinsichtlich der Energieeffizienz. Das Expertensystem schlägt schließlich mehrere Maßnahmen zur energetische Optimierung vor, darunter die bedarfsgerechte Optimierung der eingesetzten Robotertechnik sowie das Abschalten einzelner Arbeitsgruppen oder der gesamten Anlage während Produktionsunterbrechungen, sofern gezielt Abschaltstrategien entwickelt würden, die dafür sorgten, dass die Betriebsmittel beim nächsten Produktionsstart wieder synchron laufen.

Unter dem Strich lassen sich durch die identifizierten Effizienzmaßnahmen 10 Prozent der elektrischen Energie der bestehenden Anlage einsparen. Würde die Anlage auf Basis des gewonnen Wissens neu geplant, könnte diese sogar um 15 Prozent effizienter sein.

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