Auszubildende der Generation Z sind deutlich besser als ihr Ruf. Aber sie fühlen sich auf dem Arbeitsmarkt alleingelassen. Es fehlt an Informations- und Orientierungsangeboten.
Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt, immer weniger Betriebe bilden aus und Schulabgänger*innen fühlen sich nicht abgeholt. Eine Bestandsaufnahme.
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Träge, wählerisch, unselbstständig und mit der Hand ständig am Smartphone. Das öffentlich und medial gepflegte Bild der Generation Z (geboren zwischen 1997 und 2012) ist von Klischees überzogen und hat mit der Realität der jüngsten Generation auf dem Arbeitsmarkt wenig gemein.
Zwei aktuelle Studien zeigen, dass bereits in den Schulen am Bedarf vorbei oder ungenügend zu Berufswegen informiert wird. In der Ausbildung angekommen, ist niemand zur Stelle, der mit ihnen die berufliche Zukunft bespricht. Dabei will die Jugend nur das: den richtigen Platz im Job finden und wissen, ob sie dort bleiben kann. In der Arbeitswelt ist die Jugend ganz und gar nicht fordernd, aber allein gelassen.
Was Azubis wollen und was sie bekommen
Auszubildende, die in diesem August oder September neu bei ihren künftigen Arbeitgebern antreten, wollen vor allem eines: mit Freunde zur Arbeit gehen. Das gaben 48 Prozent der für den "Azubireport 2024" durch das Portal Ausbildung.de befragten Auszubildenden an. Nicht viel weniger (45 Prozent) möchten in ihrer Traumausbildung ihre Talente zum Einsatz bringen und 42 Prozent legen großen Wert auf eine gute Atmosphäre im Betrieb und bei der Zusammenarbeit. Damit es zu Ausbildungsbeginn kein böses Erwachen gibt, haben sie sich vorab mit Unterstützung der Eltern (38 Prozent), während Praktika oder Nebenjobs (43 Prozent) und durch Ausbildungsplattformen (53 Prozent) über Arbeitgeber und Ausbildung informiert.
Doch einmal im Job angekommen, blicken 77 Prozent besorgt bis sehr besorgt in ihre berufliche Zukunft. Mitverantwortlich dafür sind die Ausbildungsbetriebe, die ihren jungen Nachwuchskräften zuverlässige Informationen zur Übernahme im Betrieb schuldig bleiben (34 Prozent). Solche Enttäuschungen führen schnell zu Abbruch der Ausbildung.
Mitsprache und Feedback sind der GenZ wichtig und machen einen großen Teil der wahrgenommenen Arbeitgeberattraktivität aus. Aber: Im vergangenen Jahr wurde fast jeder dritte Ausbildungsvertrag vorzeitig aufgelöst und 26 Prozent aller Azubis haben den Betrieb nach Ausbildungsende verlassen. Bei einem Höchststand von 13,4 Prozent unbesetzter Stellen eine alarmierende Meldung. Was also ist zu tun, um eine solide und gangbare Brücke zwischen jungen Arbeitnehmenden und Ausbildungsbetrieben zu errichten?
Betriebe vernachlässigen Bedürfnisse der GenZ
"Azubi-Bindung ist immer auch Eltern- und Peer-Bindung", schreibt Springer-Autor Sascha Armutat in seinem Buchkapitel über Grundlagen und Ansatzpunkte der Mitarbeiter- und Auszubildendenbindung (Seite 456). Er rät Betrieben den Kontakt zu Peer-Group zu halten etwa über:
- Soziale Medien,
- Instant-Messaging-Dienste,
- Informationsangebote für Eltern,
- zielgruppengerechten Informationsmaterialien,
- Elternsprechtage,
- Stammtische.
In der Realität jedoch hinken die Betriebe den Bedürfnissen einer digitalisiert aufgewachsenen jungen Beschäftigengeneration hinterher. Bezeichnend dafür ist: Schon am ersten gemeinsamen Kontaktpunkt im Recruiting-Prozess versagen die digitale Ansprache- und Bewerbungskanäle. So gaben 61 Prozent der Befragten an, während ihrer Bewerbungsphase das Ausfüllen eines benutzerunfreundlichen Online-Formulars abgebrochen zu haben. Gefordert ist auch eine bessere proaktive Kommunikation von den Ausbildenden über Zukunfts- und Entwicklungschancen nach der Lehre.
Grafik aus der Studie "Vom Mismatch zum Match: Wie sich Jugendliche und Unternehmen auf dem Ausbildungsmarkt suchen und finden (können)", August 2024.
Bertelsmann Sttiftung
Was für die Candidate Journey gelte, muss auch für die Azubi-Journey eingelöst werden, schreibt Armutat weiter:
Durch eine klare Arbeitgebermarke und eine daraus abgeleitete Copy Strategie - eine Art Norm für die markenkonforme Kommunikation und Gestaltung, in der Inhalte, Begriffe und Bilder festgelegt werden, mit denen sich das Unternehmen als Arbeitgeber präsentiert (Armutat 2018) - schafft das Unternehmen von der Stellenausschreibung über das Auswahlgespräch bis zur Einführungsveranstaltung und den Gesprächen mit den Ausbildern ein einheitliches und wiedererkennbares Arbeitgebererlebnis, das die Bindung der Azubis positiv beeinflusst. (Seite 457)
Azubis der GenZ wollen Sicherheit und Unterstützung
Schule und Politik kümmern sich ebenfalls nicht gut um die Förderung von Nachwuchskräften auf dem Arbeitsmarkt. Diesen Schluss lassen die Ergebnisse einer Befragung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel "Ausbildungsperspektiven 2024" unter mehr als 1.700 Jugendlichen zwischen 14 und 25 Jahren zu. Wiederum zeigen die Zahlen, dass die Generation Z falsch eingeschätzt und ihr Weg ins Berufsleben durch Klischees und Vorannahmen behindert wird.
Was sie wirklich ausmacht und mit welchen Erwartungen sie im Berufsleben antritt, klären Christoph Kochhan und Laura Cichecki in ihrem Buchkapitel Generation Z und Arbeitsmarkt. Wesentliche sozioökonomische Merkmale der GenZ fassen sie auf den Seiten 77/78 zusammen:
Merkmale der GenZ | Ausprägung |
Umweltbewusstsein | Engagiert sich für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Ist aktiv in Organisationen und bei Demonstrationen. |
Toleranz | Tolerant gegenüber anderen Lebensformen, Minderheiten, sozialen Gruppen. Allerdings: Es gibt auch Jugendliche mit populismus-affinen Einstellungen. |
Familiär und unterstützungsbedürftig | Sehnen sich nach einer sicheren und stabilen sozialen Umwelt. Eltern sind wichtige Berater und Wegbegleiter. Verselbstständigung ist aufgeschoben. |
Kaum Spaltungen und Polarisierungen | Trotz sozialer Unterschiede keine unüberbrückbaren Spaltungen in den Einstellungen. Gemeinsame Sorgen um die ökologische Zukunft. Gegenseitiger Respekt, Achtsamkeit, Sinn für Gerechtigkeit. |
Individualität und Selbstausdruck | Will persönliche Interessen und Talente ausleben. Präsentieren sich mit ihrer Kreativität in den Sozialen Medien. |
Politisches Interesse | Politisch interessierter als die GenY. Nutzen das Internet als Informationsquelle, vertrauen auch den klassischen Medien. |
Lokales Engagement | Bringt sich aktiv für das Gemeinwohl ein. Sind in Vereinen und sozialen Aktivitäten organisiert. Während die GenY global ausgerichtet war, ist der GenZ die lokale Gemeinschaft wichtig. |
Gymnasiasten vermissen Ausbildungsberatung
Zu den Grundorientierungen der Gen Z gehört die soziale und materielle Absicherung. Da ist es nur schlüssig, dass die Ausbildung der Bertelsmann-Befragung zufolge unter Schülerinnen und Schülern aller Schulformen derzeit so beliebt wie nie zuvor: 45 Prozent wollen lieber direkt in den Beruf als in den Hörsaal. Diese Chance für den Arbeitsmarkt verspielen Gymnasien mit Bravour. Hier scheint berufspraktische Unterstützung keine Priorität zu haben: 43 Prozent der Befragten mit hoher Schulbildung gaben an, während der Schulzeit nur ungenügend über mögliche Ausbildungsberufe informiert worden zu sein und 41 Prozent hätten sich bei der Suche nach dem richtigen Ausbildungsplatz mehr Unterstützung gewünscht.
Umgekehrt geht es jungen Menschen mit Hauptschulabschluss. Sie fühlten sich durch die Schule sowohl über ihre Möglichkeiten in den Betrieben gut beraten - nur 19 Prozent vermissten entsprechende Informationsangebote - als auch unterstützt (nur 24 Prozent verneinten das). Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt schätzen allerdings 22 Prozent als schlecht bis sehr schlecht ein. Und tatsächlich besteht dem aktuellen Berufsbildungsbericht zufolge für fast jeden fünften Bewerber die Gefahr, den Einstieg ins Berufsleben zu verpassen.
Hauptschüler bleiben in der Ausbildung auf der Strecke
Mittlerweile haben 2,8 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren keine abgeschlossene Berufsausbildung. Das Bundesinstitut für Berufsausbildung (BIBB) erklärt das in seiner Stellungnahme zum Berufsbildungsbericht als "eine direkte Folge der Ausbildungslosigkeit in den vergangenen Jahren und eines unzureichenden Unterstützungsangebots beim Übergang zwischen Schule und Beruf." Außerdem ist die Zahl der ausbildenden Betriebe weiter gesunken und beträgt nur noch 18,9 Prozent. Laut Bertelsmann-Rechnung verbergen sich hinter den Jugendlichen ohne Berufsabschluss 42 Prozent Hauptschulabgänger.
Der Berufsabschluss hat eine bedeutende Funktion für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt, die nicht unterschätzt werden darf. Deshalb müssen alle Akteure der beruflichen Bildung wirksame Maßnahmen ergreifen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. (BIBB, Stellungnahme der Beauftragten der Arbeitnehmer)
Die Ausbildung der GenZ geht alle an
Alle Befragungen der GenZ zeigen: Absolventen an beiden Enden des deutschen Schulsystems wollen mit dem Abgangszeugnis in der Hand in eine Ausbildung, die zu ihnen passt. Damit das gelingt, müssen politische und gesellschaftliche Akteure mit geeigneten Maßnahmen an einem Strang ziehen. Schulen müssen die Berufsorientierung in ihren Lehrplänen verankern, die Politik, muss jungen Menschen eine Ausbildungsgarantie liefern und die Voraussetzungen für einen vollqualifizierten Abschluss schaffen.
Weiterhin braucht es eine Stärkung von ausbildungswilligen Klein- und Kleinstbetrieben, optimalere Rahmenbedingungen für die berufliche Aus- und Weiterbildung in den Unternehmen und das Verhindern von prekären Lebensverhältnissen während der Ausbildung etwa durch: günstigen Wohnraum, finanzielle Unterstützung beim Umzug, Fahrtkostenbeihilfen und individuelle Hilfe bei Ausbildungsproblemen.
Wie die Arbeitswelt von der Generation Z profitieren könnte, bringt Anders Parment in seinen Handlungsempfehlungen so auf den Punkt: "Eine neue Generation in der Arbeitswelt müsste als eine Chance gesehen werden, denn ihre Präferenzen, Werte, Haltungen und Verhaltensmuster können zur Vitalisierung der Organisation beitragen - und ebenso wegweisend sein, für das, was in der Zukunft zu erwarten ist." (Seite 177)