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26.01.2023 | Karriere | Schwerpunkt | Online-Artikel

Unternehmen zu diversen Talentbiotopen machen

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

3:30 Min. Lesedauer

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Die Förderung unterrepräsentierter Gruppen bei der Stellenbesetzung gewinnt in der deutschen Debatte an Bedeutung. Ein Diversity-Experiment zeigt nun, wie das öffentliche Bewusstsein Benachteiligung wahrnimmt und wer wen unterstützt. 

Stimmt der Stallgeruch, dann stinkt er nicht. Auf die Herkunft kommt es an und auf die Netzwerke der Eltern, die dann besonders fein gesponnen werden, wenn es um die Aufnahme ihrer Sprösslinge in die Eliten geht. Der soziale Status und das Bildungsniveau von Eltern beeinflussen schon früh die Identität ihrer Kinder – und wirken auf deren Karrierewege ein. 

Das Kind aus privilegierten oder akademischen Verhältnissen, identifiziert sich selbstverständlicher als "Wissensarbeiter" und strebt selbstbewusster Richtung Führungsverantwortung als das Kind von sozial schwächeren oder bildungsfernen Familien. 

Dieses wiederum neigt eher zu der verzerrten Wahrnehmung, dass eine Karriere ihm nicht zusteht. Ein Bestätigungsfehler, der Lebensläufe negativ beeinflussen und dem beruflichen Aufstieg im Weg stehen kann. Nur 27 Prozent aller Kinder aus nicht-akademischem Elternhaus wechseln nach dem Abitur ins Studium, so der Verein für ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld, Charta der Vielfalt.

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2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

Diversität

Dieses Kapitel befasst sich mit der Diversität (Vielfalt) bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats und des Vorstands. Zunächst werden wir die wichtigsten Grundfragen zu diesem Thema klären, um sodann die rechtlichen Pflichten der Unternehmen in diesem Bereich zu erläutern.

Diversität ist auf Support angewiesen

Positive Diskriminierung oder "affirmative action" gilt als Instrument, mit dem sich diese gesellschaftliche Ungleichheit abbauen und mehr Diversität in Positionen mit Führungsverantwortung anschieben lässt. Denn noch reproduzieren Auswahlprozesse Ähnlichkeit und bei der Vergabe von Stipendien und der Begabtenförderung haben sozial schwache Jugendliche das Nachsehen. "Von Förderungen gehen neun Prozent an Personen mit sozial niedrigem Status", schreibt Springer-Autor Thomas Sattelberger in "Alle Signale stehen auf Vielfalt" (Seite 52). 

Welche unterrepräsentierten Gruppen in der öffentlichen Debatte auf Unterstützung hoffen können, wenn es um das kontroverse Thema Quotenregelung geht, zeigt das Experiment "Who supports whom?" der Makrosoziologin Céline Teney von der Freien Universität Berlin. Gemeinsam mit dem Umfrageinstitut Yougov ging sie der Frage nach, wie die Bevölkerung positive Diskriminierung bei der Besetzung von Führungspositionen aufnimmt und wer sich mit wem solidarisiert.

Online waren 2.676 erwerbstätige Personen dazu aufgefordert, eine hypothetische Regelung zu unterstützen, die Mitglieder einer unterrepräsentierten Gruppe bei gleicher Qualifikation im Einstellungsverfahren bevorzugt. Nach dem Zufallsprinzip wurden den Teilnehmenden vier unterschiedliche Zielgruppen für positive Diskriminierung vorgelegt: Frauen, Personen mit Migrationshintergrund, gebürtige Ostdeutsche und Personen aus einem nichtakademischen Haushalt. 

Teney und ihr Team gingen von der Annahme aus, dass Einzelpersonen trotz des spaltenden Charakters von positiver Diskriminierung entsprechende Maßnahmen am ehesten dann akzeptieren, wenn Personen aus dem eigenen Milieu davon profitieren. Als weitere Einflussfaktoren wurden die wahrgenommene Benachteiligung der jeweiligen Gruppen, aber auch das Maß an Vorurteilen gegen einzelne Gruppen vorausgeschickt. 

Frauen und Arbeiterkinder werden am ehesten unterstützt

Die Analyse deutet darauf hin, dass die deutsche Bevölkerung am ehesten mit solchen Regelungen bei der Besetzung von Führungspositionen einverstanden ist, die Frauen sowie Bewerber mit nicht-akademischem Hintergrund bevorzugen – durchschnittlich 5,5 auf einer Skala von null bis zehn. 

Weniger befürwortet werden hingegen positive Diskriminierungsmaßnahmen für gebürtige Ostdeutsche und Personen mit ausländischen Wurzeln – durchschnittlich 4,3 auf der Skala. Die Ergebnisse bestätigen durchweg, Quotenregelungen werden dann am meisten unterstützt, wenn Mitglieder der eigenen Gruppe davon profitieren. 

Insbesondere Frauen neigen dazu, jede vorgeschlagene Regelung zu unterstützen, während gebürtige Ostdeutsche und Personen aus einem Nicht-Akademiker-Haushalt positive Diskriminierung nur dann billigen, wenn sie auf die eigene Gruppe zielt. Außerdem ist der Rückhalt größer, wenn Aspiranten auf eine Führungsposition als besonders benachteiligt wahrgenommen werden. Wohlfahrtschauvinismus könnte den geringen Support für Menschen mit Migrationshintergrund erklären, so die Studienautorin. Vorurteile beeinflussten die Ergebnisse allerdings nicht. 

Vom geschlossenen System zum diversen Talentbiotop

Ein positiveres Unternehmensimage, motivierte Mitarbeiter, weniger Fachkräftemangel, neue Zielgruppen und eine starke Innovationsfähigkeit, all das sind einer Stepstone-Studie zufolge die Erfolgsfaktoren von Diversity Management. Und trotzdem erfahren Menschen, die nicht ins Profil passen und die Routinen der Eliten nicht kennen, schon früh wie schwer es ist, sich hochzuarbeiten. "Der nicht bösartige, sondern eben spezifische Korpsgeist innerhalb geschlossener Systeme macht blind für anderes, für Fremdes", schreibt  Sattelberger (Seite 49). Vielfalt beginne mit dem Kampf gegen diese geschlossenen Systeme. Bei der Umstellung von Einfalt auf Vielfalt in Unternehmen ist das Personalmanagement gefordert, die entsprechenden Hebel in Gang zu setzen (Seite 57):

  • die Schaffung eines inklusiven, nicht elitären Talentbiotops;
  • vorurteilsfreie und neutrale Prozesse entlang des Talentlebenszyklus;
  • flexible und individualisierte Kontaktformen sowie
  • eine offene und tolerante Unternehmenskultur.

Vielfalt in Unternehmen beginnt bei der Berufsausbildungsförderung und endet mit der Besetzung in Vorständen und Aufsichtsräten. Die Herausforderung von Diversity Management ist, Vielfalt zu rekrutieren und das Unternehmen als Talentbiotop verstehen, das Mitarbeitende sämtlicher gesellschaftlicher Gruppen gleichermaßen sieht, aufnimmt und fördert.

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