Die Kernfusion ist schon lange als alternative Energiequelle im Gespräch. Neue Projekte und Technologien sollen ihre Nutzung ermöglichen. Doch es ist keineswegs klar, ob das klappt.
Auf sieben Ebenen sind alle Arten von Ausrüstung, Rohrleitungen, elektrischen Kabeln und Zuleitungen der ITER-Maschine installiert.
ITER
Bei der Kernfusion handelt es sich um jenen Prozess, mit dem die Sonne durch Verschmelzung von Wasserstoff- zu Heliumatomen auch unsere Erde mit Energie versorgt. Technisch ist er derzeit nicht beherrschbar. "Dennoch stellt die Kernfusion gegenüber allen anderen, heute vorstellbaren Energiequellen, die kompakteste und somit ergiebigste dar", beschreiben die Springer-Vieweg-Autoren Ulrich Blum, Eberhard Rosenthal und Bernd Diekmann in ihrem Buchkapitel Energie aus Kernfusion auf Seite 74 die Motivation, weiter daran zu forschen und diese Art der Energieversorgung technisch nachzuahmen.
Derzeit haben sich eine ganze Reihe von Projekten weltweit das Ziel gesetzt, die Kernfusion zu ermöglichen.
ITER als internationales Projekt
Das bekannteste Projekt ist wohl der internationale Kernfusionsreaktor ITER im südfranzösischen Cadarache, der seit 2020 gebaut wird und 2025 in Betrieb gehen soll. Das Funktionsprinzip des Tokamak-Reaktors wurde vor über 70 Jahren in der damaligen Sowjetunion unter anderem auch vom späteren Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow entwickelt.
Mit seiner Hilfe soll, wenn auch nur für Bruchteile von Sekunden, der Fusionsprozess aufrechterhalten und so wichtige Erkenntnisse für die Praxisfähigkeit einer Fusion gewonnen werden. Technisch gesehen wird hier in einem Ringsystem Wasserstoffplasma so lange beschleunigt und erhitzt, bis es zur Verschmelzung der Atome kommt. An dem Projekt sind neben der EU auch zahlreiche weitere Länder beteiligt, etwa Südkorea, die USA, Russland, China, Indien und Japan, die insgesamt dafür gut 15 Milliarden Euro ausgeben.
Etwas weiter ist man schon in China allein gekommen. Der dortige EAST-Reaktor arbeitet, wenn auch ein paar Nummern kleiner, nach dem ITER-Prinzip und stellte bereits einen Rekord für eine kontinuierliche Fusion mit einer Plasmatemperatur von 120 Millionen °C für 101 Sekunden und 160 Millionen °C für 20 Sekunden auf. In Zukunft will man 200 Millionen °C erreichen.
Derzeit wird daran gearbeitet, den Fusionsprozess über eine Woche lang aufrechtzuerhalten. Wann dies gelingen soll, ist aber offen. Experten gehen davon aus, dass verwertbare Energie aus der Kernfusion erst nach 2050 zur Verfügung stehen wird.
Für diese Technologie sind starke Elektromagnete nötig, die viel Energie verbrauchen. Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) wurde ein Magnet entwickelt, der mit nur einem Siebtel der Energie herkömmlicher Elektromagneten auskommt. Er würde sich auch für einen Tokamak-Reaktor eignen. Derzeit gibt es in den USA noch keinen Fusionsreaktor. Das Land will aber einen zu Forschungszwecken errichten.
Kleine Fusion in der Erforschung
Während in China und Frankreich großprozessual an der Fusion geforscht wird, gibt es noch weitere Vorhaben, die es in deutlich kleinerem Maßstab probieren, so in der englischen Wissenschaftshochburg Oxford – übrigens der Ort, wo 1991 die allererste Kernfusion überhaupt gelang. Hier versucht sich ein Startup an der Kernfusion mittels eines Prinzips, das mit seinen vielen Mini-Explosionen infolge von Teilchenbeschuss eher einer Wasserstoffbombe ähnelt als einem Reaktor, in dem die Fusion geordnete Wege gehen soll. Der Name des Unternehmens lautet denn auch treffend First Light Fusion. In 10 bis 15 Jahren soll die Idee sogar kommerziell ausgereift sein.
Bei alledem bleit immer noch die Frage, inwieweit dieser Prozess rein technisch lösbar, aber eben auch moralisch vertretbar ist. "Von einer Kernfusion wie auf oder in der Sonne träumen die Menschen schon lange. Es ist nur ungewiss, wie sie damit umgehen würden, wenn sie sie beherrschen könnten", erklärt dieses Dilemma Springer-Autor Cornel Stan in seinem Buchkapitel Feuer mittels klimaneutraler Brennstoffe auf Seite 4.