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2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

Klassenfragen als Kriminalfall. Soziale Ungleichheit in der Reihe Polizeiruf 110

verfasst von : Sandra Nuy

Erschienen in: Fernsehen und Klassenfragen

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Dass Filme – und in der Folge auch fiktionale Fernsehsendungen – Gesellschaften spiegeln, gehört zu den intensiv diskutierten filmsoziologischen Annahmen. Wiederkehrende Motive im filmischen Erzählen lassen sich als Indikatoren für eine (verborgene) soziale Wirklichkeit betrachten. Vice versa formen Filme Bilder über Wirklichkeit und bieten Deutungsmöglichkeiten für gesellschaftliche Verhältnisse an. Insbesondere der (Fernseh-)Krimi kann als Erzählung über soziale Probleme und Konflikte gelten. Krimis zeigen dabei nicht nur strafrechtlich relevante Devianz, sondern sind auch Teil einer diskursiven Aushandlung der Gültigkeit von Normen. Darin eingeschlossen ist der erzählerische und ästhetische Umgang mit sozialer Ungleichheit. Vor diesem Hintergrund fragt der Beitrag nach der Darstellung von Klassenunterschieden und dem Aufbegehren dagegen in der Reihe Polizeiruf 110 (DDR/D/AUT 1971–). Am Beispiel der Folge Sabine (D 2021, ARD/NDR) wird aufgezeigt, wie ein Krimi Klassenfragen narrativiert.

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Fußnoten
1
Als sozialstrukturelle Kategorie erlebt ‚Klasse‘ seit ein paar Jahren zwar eine Renaissance (vgl. auch die Einleitung in diesem Band), wird aber konzeptionell in der Soziologie weiterhin unterschiedlich ausgelegt. Andreas Reckwitz, dessen Klassenbegriff ich mich anschließe, beschreibt diesen wie folgt: „Klassen sind mehr als sozialstatische Einkommensschichten und auch mehr als alltägliche Lebensstile. Klassen sind kulturelle, ökonomische und politische Gebilde zugleich. Als Klasse teilt sich eine Gruppe von Individuen eine gemeinsame Lebensführung samt den entsprechenden Lebensmaximen, Alltagsvorstellungen und Praktiken. (…) im Zentrum dieser Lebensformen [befindet sich] auch in der spätmodernen Gegenwart die berufliche Tätigkeit, die Form der Arbeit (bzw. deren Abwesenheit)“ (Reckwitz 2019, 67–68, Herv. i. O.).
 
2
Die serielle Produktionsform der Reihe lässt sich von der Serie dadurch unterscheiden, „dass Reihen zwar einem festen Spielmuster folgen, dabei jedoch von Folge zu Folge unterschiedliche Figuren auftreten lassen“ (Weber und Junklewitz 2008, 20). Serien hingegen zeichnen sich durch die regelmäßige Wiederkehr ihrer Hauptfiguren aus (vgl. Weber und Junklewitz 2008, 20). Tatort und Polizeiruf 110 sind in diesem Sinne Reihe, Der Alte eine Serie.
 
3
Eine Ausnahme bilden die Tatort-Folgen, die in Dortmund spielen (D 2012 –, ARD/WDR): die Geschichten um Hauptkommissar Peter Faber und sein Team werden – ähnlich wie beim Rostocker Polizeiruf – horizontal erzählt, während die Fälle in einer Folge abgeschlossen werden. Zum 50. Tatort-Jubliäum wurde das Dortmunder Team darüber hinaus in der Doppelfolge In der Familie (D 2020, ARD/WDR/BR) mit den Ermittler*innen aus München kombiniert. Derlei narrative Verknüpfungen von Ermittler*innen gibt es immer mal wieder zu besonderen Anlässen.
 
4
Hinzu kommen Wiederholungen im Hauptprogramm auf anderen Sendeplätzen, in den Dritten Programmen und auf dem Kanal One. Auch hält die ARD-Mediathek online ein umfangreiches Angebot an Tatort-Folgen zum Abruf bereit. Gleiches gilt für den Polizeiruf 110.
 
5
Weitere bekannte Narrative zu Klassenbeziehungen sind das der unstandesgemäßen Liebe, wie es sich auch in dem zu Beginn zitierten Bild vom Scheuermädchen und dem Rolls Royce-Fahrer zeigt. Auch Erzähltexte über Hochstapelei arbeiten mit dem Versuch, Klassenschranken zu überwinden. (Filmische) Erzählungen, die das Pygmalion-Motiv variieren, wie etwa Pretty Women (USA 1990), greifen ebenfalls auf eine Dramaturgie der Klasse zurück, die einen hohen Anteil der Erzählzeit damit zubringt, dass gesellschaftlich anerkanntes, d. h. oberschichtkonformes Verhalten beim Essen, der Kleidung, und der Kulturrezeption erlernt wird.
 
6
Rostock ist mit mehr als 200.000 Einwohner*innen die größte Stadt in Mecklenburg-Vorpommern. Schwerin als Landeshauptstadt ist etwas kleiner. Allerdings verfügt Mecklenburg-Vorpommern über keine eigene Rundfunkanstalt, sondern hat sich dem Norddeutschen Rundfunk angeschlossen.
 
7
Stand: Februar 2023. Der Schauspieler Charly Hübner ist nach 24 Folgen aus der Reihe ausgestiegen. An die Stelle seiner Figur ist nun die Ermittlerin Melly Böwe getreten, gespielt von Lina Beckmann.
 
8
So schreiben die Klassismusforscher*innen Kemper und Weinbach: „Leider hat sich an der Dringlichkeit, Klassismus zu thematisieren, nichts geändert. Die Einkommens- und Vermögensschere geht weiter auseinander, die PISA-Studie konstatiert wie vor zwanzig Jahren, dass in keinem Land der OECD ein signifikant stärkerer Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft besteht als in Deutschland“ (2020, 7).
 
9
Kaum eine Fernsehkritik kam ohne den Hinweis auf die schauspielerisch herausragende Szene aus; nach der Auffassung der Grimmepreis-Jury „ein eigenes TV-Highlight für sich“ (Grimme-Institut 2022, 43).
 
10
Die soziale Konstruktion von Mutterschaft ist seit deren Anfängen ein wichtiger Gegenstand der Gender Studies. Für einen Überblick über den Stand der Forschung vgl. Speck 2019.
 
Literatur
Zurück zum Zitat Altieri, Riccardo. 2022. #Klassenschranken: Beobachtungen zum Klassismus. Marburg: Büchner. Altieri, Riccardo. 2022. #Klassenschranken: Beobachtungen zum Klassismus. Marburg: Büchner.
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Zurück zum Zitat Kracauer, Siegfried. 2021 [1927]. Die kleinen Ladenmädchen gehen ins Kino. In Das Ornament der Masse. Essays. Mit einem Nachwort von Karsten Witte, 279–294. Frankfurt/M.: Suhrkamp. Kracauer, Siegfried. 2021 [1927]. Die kleinen Ladenmädchen gehen ins Kino. In Das Ornament der Masse. Essays. Mit einem Nachwort von Karsten Witte, 279–294. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Zurück zum Zitat Mikos, Lothar. 2021. Film und die Repräsentation von Gesellschaft. In Handbuch Filmsoziologie, Hrsg. Alexander Geimer, Carsten Heinze und Rainer Winter, 205–220. Wiesbaden: Springer VS.CrossRef Mikos, Lothar. 2021. Film und die Repräsentation von Gesellschaft. In Handbuch Filmsoziologie, Hrsg. Alexander Geimer, Carsten Heinze und Rainer Winter, 205–220. Wiesbaden: Springer VS.CrossRef
Zurück zum Zitat Reckwitz, Andreas. 2019. Von der nivellierten Mittelstandsgesellschaft zur Drei-Klassen-Gesellschaft: Neue Mittelklasse, alte Mittelklasse, prekäre Klasse. In Ders. Das Ende der Illusionen. Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne, 63–134, Frankfurt/M.: Suhrkamp. Reckwitz, Andreas. 2019. Von der nivellierten Mittelstandsgesellschaft zur Drei-Klassen-Gesellschaft: Neue Mittelklasse, alte Mittelklasse, prekäre Klasse. In Ders. Das Ende der Illusionen. Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne, 63–134, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Zurück zum Zitat Viehoff, Reinhold. 2005. Der Krimi im Fernsehen. Überlegungen zur Genre- und Programmgeschichte. In MedienMorde: Krimis intermedial, Hrsg. Jochen Vogt, 89–110. München: Fink. Viehoff, Reinhold. 2005. Der Krimi im Fernsehen. Überlegungen zur Genre- und Programmgeschichte. In MedienMorde: Krimis intermedial, Hrsg. Jochen Vogt, 89–110. München: Fink.
Zurück zum Zitat Vogt, Jochen. 2005. Tatort – der wahre deutsche Gesellschaftsroman: Eine Projektskizze. In MedienMorde: Krimis intermedial, Hrsg. Jochen Vogt, 111–129. München: Fink. Vogt, Jochen. 2005. Tatort – der wahre deutsche Gesellschaftsroman: Eine Projektskizze. In MedienMorde: Krimis intermedial, Hrsg. Jochen Vogt, 111–129. München: Fink.
Zurück zum Zitat Wehn, Karin. 2002. ‚Crime-Time‘ im Wandel: Produktion, Vermittlung und Genreentwicklung des west- und ostdeutschen Fernsehkrimis im dualen Rundfunksystem. Bonn: ARCult Media. Wehn, Karin. 2002. ‚Crime-Time‘ im Wandel: Produktion, Vermittlung und Genreentwicklung des west- und ostdeutschen Fernsehkrimis im dualen Rundfunksystem. Bonn: ARCult Media.
Metadaten
Titel
Klassenfragen als Kriminalfall. Soziale Ungleichheit in der Reihe Polizeiruf 110
verfasst von
Sandra Nuy
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-45224-7_3