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05.07.2022 | Klimaschutz | Nachricht | Online-Artikel

EZB zieht beim Klimaschutz die Zügel an

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4:30 Min. Lesedauer

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Die EZB legt in Sachen Klimaschutz einen Zahn zu. Umfangreiche Maßnahmen sollen unter anderem die Anleihebestände dekarbonisieren und für mehr Transparenz bei Nachhaltigkeitsratings sorgen. Ihr aktueller Stresstest offenbarte zudem große Lücken der Banken bei der Steuerung von Klimarisiken.

Die EZB hat mit Blick auf den Klimaschutz beschlossen, die Bestände an Unternehmensanleihen in den zu geldpolitischen Zwecken gehaltenen Portfolios des Eurosystems und den Sicherheitenrahmen anzupassen, klimabezogene Offenlegungspflichten einzuführen und das Risikomanagementverfahren auszubauen. 

"Mit diesen Entscheidungen setzen wir unsere Zusage zur Bekämpfung des Klimawandels in die Tat um", sagt EZB-Präsidentin Christine Lagarde. "Im Rahmen unserer Klimaagenda, die wir kontinuierlich weiterentwickeln, werden weitere Schritte folgen, um unsere Tätigkeiten auf die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens abzustimmen", führt Lagarde aus.

Die Maßnahmen stehen nach Angaben der EZB "vollständig im Einklang mit dem vorrangigen Ziel des Eurosystems, Preisstabilität zu gewährleisten". Mit ihnen sollen klimabedingte Finanzrisiken in der Bilanz des Eurosystems besser berücksichtigt und der grüne Wandel der Wirtschaft entsprechend den Zielen der EU zur Klimaneutralität unterstützt werden. Darüber hinaus sollen so auch Anreize für Unternehmen und Finanzinstitute gestezt werden, die CO2-Emissionen transparenter darzulegen und zu verringern.

Dekarbonisierung des Anleihebestands

Im Detail ist ab Oktober 2022 eine allmähliche Dekarbonisierung der Unternehmensanleihen im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens geplant. Zu diesem Zweck wird das Eurosystem diese Bestände durch eine Wiederanlage der in den kommenden Jahren erwarteten umfangreichen Tilgungen auf Emittenten mit einer besseren Klimaleistung verschieben. 

"Verschieben bedeutet, dass der Anteil der Vermögenswerte in der Bilanz des Eurosystems, die von Unternehmen mit einer besseren Klimaleistung ausgegeben werden, im Vergleich zu dem von Unternehmen mit schlechterer Klimaleistung erhöht wird. Dadurch sollen klimabedingte Finanzrisiken in der Bilanz des Eurosystems gemindert werden", erläutert das Zentralinstitut.

Ab dem ersten Quartal 2023 wird die EZB regelmäßig klimabezogene Informationen zu den Beständen an Unternehmensanleihen veröffentlichen.

Neue Begrenzungsregelung für klimabedingte Finanzrisiken

Zudem ist vorgesehen, dass das Eurosystem den Anteil der von Unternehmen mit einem hohem CO2-Fußabdruck ausgegebenen Vermögenswerte begrenzt wird, die von einzelnen Geschäftspartnern für beim Eurosystem aufgenommene Kredite als Sicherheiten hinterlegt werden können. Mit dieser neuen Begrenzungsregelung sollen klimabedingte Finanzrisiken bei Kreditgeschäften des Eurosystems verringert werden. Mit zunehmender Verbesserung der Qualität der klimabezogenen Daten können auch weitere Anlageklassen unter diese neue Vorgabe fallen. Die Maßnahme soll vor Ende 2024 Anwendung finden, sofern die erforderlichen technischen Voraussetzungen gegeben sind.

Desweiteres wird das Eurosystem künftig bei seinen Kreditgeschäften nur noch Sicherheiten und Kreditforderungen von Unternehmen und Schuldnern akzeptieren, die die Anforderungen der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) einhalten, sobald die diese vollständig umgesetzt ist. Da sich die Umsetzung allerdings verzögert, rechnet die EZB mit den neuen Zulassungskriterien ab 2026.

Nachhaltigkeitsratings transparenter gestalten

Verbessern sollen sich aber auch die Nachhaltigkeitsratings. Hierzu werden die Instrumente und Fähigkeiten zur Risikobewertung mit Blick auf Klimarisiken weiter ausgebaut. Eine Analyse der EZB hatte ergeben, dass die aktuellen Offenlegungsstandards "trotz der bereits erzielten Fortschritte der Ratingagenturen noch nicht zufriedenstellend sind". Um die externe Bewertung von Klimarisiken zu verbessern, sollen die Unternehmen in Zukunft transparenter darlegen, wie sie Klimarisiken in ihre Ratings einbeziehen, "und ihre Offenlegungspflichten zu Klimarisiken ehrgeiziger zu gestalten".

Klimastresstest zeigt große Lücken bei Banken

Auch von den Instituten verlangen die europäischen Währungshüter, Klimarisiken stärker in den Fokus zu rücken. Die Branche habe "trotz einiger Fortschritte seit 2020" noch einigen Nachhol- und Optimierungsbedarf, stellte die EZB in ihrem jüngst veröffentlichten Klimastresstest fest. Für diesen nahm die Notenbank insgesamt 104 europäische Institute unter die Lupe. 

"Die Banken im Euroraum müssen ihre Anstrengungen zur Messung und Steuerung von Klimarisiken dringend verstärken, die aktuellen Datenlücken schließen und die anerkannten Verfahren anwenden, die es in der Branche bereits gibt", erläuterte Andrea Enria, Vorsitzender des Aufsichtsgremiums der EZB. "Wir erwarten, dass die Banken konsequente Maßnahmen ergreifen und kurz- bis mittelfristig robuste Rahmen für klimabezogene Stresstests ausarbeiten", betont Frank Elderson, stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsgremiums.

Banken fehlt Rahmen für Klimastresstest

Die Analyse deckte unter anderem auf, dass 60 Prozent der Banken noch keinen Rahmen für Klimastresstests haben und Klimarisiken daher häufig nicht in ihre Kreditrisikomodelle einbeziehen. Nur bei 20 Prozent stellen diese eine Variable bei der Kreditvergabe dar. Aktuell wenden Banken auch die Best Practices nicht an, nach denen sie Kapazitäten für Klimastresstests schaffen sollten, die mehrere Klimarisiken übertragende Kanäle wie Markt- und
Kreditrisiken sowie Portfolios von beispielsweise Unternehmens- und Immobilienkredite umfassen. 

Im Detail entdeckte die EZB, dass die Erträge der Banken aus Geschäften mit Unternehmen, die nicht zur Finanzindustrie zählen, zu mehr als zwei Dritteln aus Branchen mit hohen Treibhausgasemissionen stammen. Dabei handele es sich häufig um "eine kleine Anzahl von großen Geschäftspartnern". 

Verluste bei Dürre- und Hitzeszenarien nicht realistisch

Schließlich belegte der sogenannte Bottom-up-Stresstest, dass sich physische Risiken aufgrund von Extremwetterereignissen unterschiedlich auf die europäischen Banken auswirken. Das hänge davon ab, in welchen Branchen sie tätig sind und wo sich ihre Risikopositionen geografisch befinden. Dabei belaufen sich die ermittelten Kredit- und Kursverluste bei den untersuchten Instituten insgesamt auf rund 70 Milliarden Euro. 

"Dieser Betrag entspricht jedoch bei Weitem nicht dem tatsächlichen klimabezogenen Risiko, sondern lediglich einem Bruchteil davon", so die EZB. Das liege unter anderem an einer zu dünnen Datenlage, Klimafaktoren würden nur ansatzweise erfasst und wirtschaftliche Abschwünge und Zweirundeneffekte in den Szenarien nicht berücksichtigt. 

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