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Mit angezogener Handbremse Richtung Klimaschutz

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Im Deutschen Bundestag wird derzeit noch über die im Juni auf den Weg gebrachte Novellierung des Klimaschutzgesetzes beratschlagt. Was können Unternehmen derweil tun, damit Klimaziele nicht hinter dem Horizont verschwinden?

Die deutsche Industrie ist durchaus bereit, sich in Sachen Klimaschutz hervorzuheben. Unklar bleibt, wie Ziele gesetzt werden.


Wäre die Ampelkoalition eine Tauschbörse, hätte der Deal im vergangenen Sommer vielleicht so gelautet: Ich tüftele am Klimaschutzgesetz und erhalte dafür ein Heizungsgesetz. So jedenfalls die Kritik an der geplanten Novelle kurz vor der Sommerpause. Was sie befeuerte, war Folgendes: Die im Klimaschutzgesetz der Großen Koalition im Jahr 2019 verbindlich festgeschriebenen Sektorziele wurden fallen gelassen. 

Bislang musste jedes, für seinen Sektor verantwortliches Ministerium (Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Sonstiges), verpflichtende Emissionsziele einhalten oder bei Überschreitung mit Sofortprogrammen Abhilfe schaffen. Kontrolliert wurde rückblickend, jährlich.

Was sich beim Klimaschutz ändern soll

Künftig soll eine bereichsübergreifende mehrjährige Gesamtrechnung den Ausschlag für weitere Maßnahmen geben. Dazu werden die Sektorenvorgaben zur Emissionsminderung abgeschafft und durch eine sektorenübergreifende Gesamtrechnung ersetzt. Der Vorteil: Ein Sektor mit guter Bilanz kann die Versäumnisse eines anderen Sektors ausgleichen. Davon profitiert der Verkehr. Mit der Abschaffung der Ressortverantwortlichkeit kann das Commitment für den Klimaschutz einzelner Ministerien aufweichen und die Verpflichtung, mit Sofortmaßnahmen gegenzusteuern, an Druck verlieren, befürchten Klimaschutzexperten.

Die Einhaltung der Ziele wird außerdem nicht länger rückwirkend auf das vergangene Jahr kontrolliert, sondern ist als Prognose mehrjährig in die Zukunft gerichtet. Es liegt dann in der Verantwortung der Bundesregierung zu entscheiden, mit welchen Maßnahmen auf welchem Sektor das Gesamtklimaziel erreicht werden soll. Die erste Etappe im Jahr 2030 lautet: 65 Prozent weniger Kohlendioxidausstoß als im Jahr 1990. Klimaneutralität ist das Ziel im Jahr 2045. 

Warum die Änderungen am Klimaschutzgesetz kritisiert werden

Die Aufgabe der Ressortverantwortlichkeit gefährde die klimapolitische Glaubwürdigkeit Deutschlands und setzte Alleinstellungsmerkmale aufs Spiel, hatte die Klima-Allianz Deutschland prompt in einem Positionspapier reagiert. Der Expertenrat für Klimafragen prognostiziert in seinem Projektionsbericht 2023, dass Deutschland sein 65-Prozent-Ziel für des Jahr 2030 zwar noch knapp erreichen könne, aber bis dahin noch 194 Millionen Tonnen Treibhausgase zu viel ausstoße. Die Bundesregierung überschätze ihre Einschätzung zur Wirksamkeit der eigenen Klimaschutzmaßnahmen. Holger Lösch, Hauptgeschäftsführer im Bundesverband der deutschen Industrie, äußerte gegenüber den Medien, dass das Gesetz die "ehrgeizigen Klimaziele der Bundesregierung" zwar bestätigte, es aber weiterhin "unklar" bleibe, "wie diese Ziele erreicht werden sollen".

Deutsche Konzerne bei Klimazusagen führend

Dabei verhalten sich deutsche Unternehmen, wie der fünfte Jahresbericht von Climate Impact Partners  Fortune Global 500 Report 2023 bestätigt, in Klimazusagen durchaus vorbildlich. In der Gesamtbetrachtung stagnieren die freiwilligen Klimaschutzverpflichtungen der nach Umsatz und Gewinn 500 weltweit größten Konzerne. Nur um 3,6 Prozent erhöhte sich im vergangenen Jahr die Zahl der Konzerne, die sich Klimaziele gesetzt haben (62,6 Prozent auf 66,2 Prozent). Von den bei Forbes gelisteten 30 deutschen Wirtschaftsunternehmen haben sich allerdings alle (100 Prozent) freiwillig für umfassende Klimaschutzmaßnahmen verpflichtet. Zum Vergleich: In den USA machten nur 102 von 138 Top-500-Unternehmen Klimazusagen (74 Prozent). Mit Unternehmen aus China - für die keine Zahlen vorliegen - beherrschen die USA mehr als die Hälfte der Liste.

Wie sich die 500 größten Konzerne in Sachen Klimaschutz positionieren (Climate Impact Partners):

  • 75 Prozent der weltgrößten Unternehmen veröffentlichen ihre Emissionen.
  • Sieben Prozent weniger Emissionen konnten Unternehmen verzeichnen, die sich Klimaziele für 2030 gesetzt haben.
  • Eine Milliarde Dollar mehr im Durchschnitt erwirtschafteten Unternehmen, die ihre Emissionen im Vorjahr reduzieren konnten.
  • 43 Prozent der Unternehmen haben einen Nachhaltigkeitsbeauftragten.
  • 0,2 Prozent konnten Unternehmen mit Nachhaltigkeitsbeauftragten ihre Emissionen im vergangenen Jahr senken.
  • Drei Prozent erhöhten sich die Emissionen im vergangenen Jahr von Unternehmen ohne Nachhaltigkeitsbeauftragten.

Klimaschutz braucht glaubwürdige Berichterstattung

Nachhaltigkeit und Klimaschutz sichern Unternehmen wirtschaftliche Erfolge und machen Unternehmen für Investoren und Stakeholder interessant. So spielt die Nachhaltigkeitsberichterstattung für 74 Prozent für den PwC Global Investor Survey 2022 befragten Investoren eine maßgebliche Rolle bei Investitionsanalysen und -entscheidungen. Gleichzeitig bezweifeln vier von fünf Befragten (82 Prozent) die Zuverlässigkeit der ESG-Berichterstattung und vermuten einen hohen Anteil an Greenwashing. Gefordert werden unabhängige Prüfungen (46 Prozent) der Berichterstattung und Zertifizierungen oder Validierungen (42 Prozent).

Im Auftrag des Umweltbundesamtes hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) 34 freiwillige Unternehmensinitiativen und -netzwerke untersucht, um zu zeigen, welche einheitliche Anforderungen an die Verwendung der Begriffe "Klimaneutral" und "Treibhausgasneutral" geknüpft sein müssen, um Glaubwürdigkeit zu erhöhen und Greenwashing einzudämmen. Die Ergebnisse der Studie "Klimaneutrale Unternehmen" zeigen, dass freiwillige Initiativen zur Klimaneutralität vor allem dann glaubwürdig sind und zum Klimaschutz beitragen, wenn Emissionen vollständig, nachvollziehbar und überprüfbar offengelegt werden.

Was Unternehmen tun können, um sich glaubhafte und wirkungsvolle Klimaziele zu setzen (Umweltbundesamt und ISE):

  1. Kurz- und Mittelfristziele setzen: Langfristziele mit mess- und überprüfbaren Kurz- und Mittelfristzielen mindestens bis 2030 untermauern, damit der Druck auf zeitnahe THG-Emissionsminderung höher ist.
  2. Vollständige Bilanzierung der THG-Emissionen: THG-Emissionen einschließlich derjenigen aus vor- und nachgelagerten Prozessen in der Wertschöpfungskette aufdecken und adressieren. Zuliefernde zu Klimazielen verpflichten und sie in dieser Hinsicht unterstützen.
  3. Kompensationen als Ultima Ratio: Die Unvermeidbarkeit von Emissionen gründlich überprüfen und sektorspezifisch unterschiedlich ausfallen lassen. In Kurz- und Mittelfristzielen sollten keine Kompensationen enthalten sein.
  4. Sektorspezifische Umsetzungsmaßnahmen: Sektorspezifische Handlungsfelder und Emissionsschwerpunkte sollten analysiert und adressiert werden.
  5. Transparenz gewährleisten: Die Definition des Ziels und der umzusetzenden Maßnahmen, Emissionsschwerpunkte und Systemgrenzen sollten transparent dargestellt und begründet werden. Darüber hinaus sollten regelmäßige Fortschrittsberichte vorgelegt werden, die im Idealfall von dritter Seite geprüft sind.
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