Der Klimawandel hat längere und häufigere Dürrezeiten zur Folge. Diese wirken sich unter anderem auf Getreidepflanzen aus. Doch wie stressresistent sind die Pflanzen? Dieser Frage wird in einem neuen Forschungsverbund nachgegangen.
Einblick in die Rhizosphäre. Hier ein Teil des Wurzelgeflechts einer Gerstenpflanze.
Maire Holz
Im August 2019 stellte der Weltklimarat den Sonderbericht "Klimawandel und Landsysteme" vor, in dem substanzielle Risiken für die Lebensgrundlagen auf unserem Planeten aufgezeigt wurden und den Bundesumweltministerin Svenja Schulze folgendermaßen kommentierte: "Der Bericht des Weltklimarats zeigt: Klimaschutz ist eine Existenzfrage für uns Menschen. Denn der Klimawandel gefährdet unsere Ernährungs- und Lebensgrundlagen. Die Land- und Forstwirtschaft ist ein Opfer dieser Entwicklung, aber sie ist auch ein wichtiger Verursacher und damit ein Teil der Lösung beim Klimaschutz."
Nachweisbar ist zum Beispiel, dass die zunehmende globale Erwärmung negative Auswirkungen auf Ernteerträge, Nahrungsmittelversorgung, Nahrungsmittelpreise und Wasserverfügbarkeit erwarten lässt. So schreibt beispielsweise Reinhard Wolf im Kapitel "Versorgungssicherheit in Zeiten des Klimawandels" im Springer-Fachbuch "CSR und Klimawandel", dass die unterschiedlichen Wetterextreme auf vergleichsweise kleinen Räumen die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln, die in Europa so selbstverständlich scheint, infrage stellen können.
Landwirtschaftliche Systeme sollen robuster gemacht werden
Vonseiten des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit heißt es, dass schnelles Handeln das Risiko irreversibler Folgen für Ernährungssicherheit und für terrestrische Ökosysteme, die für das Wohlergehen der Menschen entscheidend sind, verringere. Die Kosten der Klimawandelfolgen würden die Kosten von schnellen Klimaschutzmaßnahmen in vielen Bereichen bei Weitem übersteigen.
Auch die Ergebnisse des neuen und von der Universität Bayreuth koordinierten Forschungsverbunds "RhizoTraits" sollen zur Stärkung der Ernährungssicherheit einen Beitrag leisten, sie sollen in bioökonomische Konzepte einfließen. Der Verbund, an dem auch die Technische Universität München, das Karlsruher Institut für Technologie und die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft mitwirken, hat sich die Untersuchung der unterschiedlich ausgeprägten Widerstandsfähigkeiten von Getreidesorten zum Ziel gesetzt. So will man die landwirtschaftlichen Ökosysteme auf Dauer robuster machen. Auch Wolf schreibt im bereits erwähnten Kapitel "Versorgungssicherheit in Zeiten den Klimawandels", dass zunehmenden Hitze- und Trockenperioden, veränderter Schädlingsbefall und die kleinteiligen regionalen Unterschiede in den Anforderungen die Saatzucht vor enorme Herausforderungen stellen.
Die Rhizosphäre soll genau untersucht werden
Der Hauptkonzentration in dem Forschungsverbund wird auf die Rhizosphäre gelegt, auf die auch der Projektname RhizoTraits zurückzuführen ist. Bereits 2003 schrieb Wolfgang Merbach in der Einleitung zum Fachbuch "Prozessregulation in der Rhizosphäre", dass der Pflanzenbewuchs, das dazugehörige Wurzelsystem und der durchwurzelte Bodenraum eine Schlüsselstellung in terrestrischen Ökosystemen einnehmen: "Hier vollziehen sich komplizierte Wechselwirkungen zwischen Pflanzenstoffwechsel und Umweltfaktoren einerseits und (angetrieben durch die C-Lieferung der Pflanzen) zwischen Pflanzenwurzeln, Mikroben, Bodentieren, organischen C- und N-Verbindungen sowie mineralischen Bodenbestandteilen andererseits." Und im Kapitel "Mikroorganismen an unterschiedlichen Standorten: Lebensbedingungen und Anpassungsstrategien" des Springer-Fachbuchs "Umweltmikrobiologie" heißt es, dass neben der Verfügbarkeit von Wasser die Nährstoffsituation der zweite bedeutende Faktor für die mikrobielle Aktivität im Boden ist. Walter Reineke und Michael Schlömann schreiben: "Die größte mikrobielle Aktivität findet in den an organischen Stoffen reichen Oberflächenschichten statt, besonders in und um die Rhizosphäre. Die Anzahl und Aktivität von Bodenmikroorganismen hängt vor allem vom Gleichgewicht der vorhandenen Nährstoffe ab. In einigen Böden ist nicht Kohlenstoff der limitierende Nährstoff, sondern die mikrobielle Produktivität wird vom Vorhandensein anorganischer Nährstoffe wie Phosphor und Stickstoff beschränkt."
Junior-Professorin Dr. Johanna Pausch, Koordinatorin des Forschungsverbunds RhizoTraits, erklärt: "Diese unterirdischen Vorgänge sind der Schlüssel für die Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit von Getreidepflanzen im Klimawandel. Deshalb müssen wir mehr darüber wissen, welche speziellen Eigenschaften der Rhizosphäre den Pflanzen in Dürrezeiten nützen oder ihnen schaden. Auch die Unterschiede zwischen verschiedenen Getreidesorten sind dabei zu berücksichtigen. Nur so wird es gelingen, unsere landwirtschaftlichen Ökosysteme auf Dauer robuster zu machen."
Entwicklung landwirtschaftlicher und ernährungspolitischer Maßnahmen
Und genau dies ist eines der Hauptaugenmerke, auf das die Wissenschaftler in den kommenden Jahren ihre Konzentration legen wollen: Es sollen nicht nur die Folgen den Klimawandels für die Landwirtschaft aufgrund von Prognosen vorhergesagt werden, wichtiger ist ihnen, landwirtschaftliche und ernährungspolitische Maßnahmen zu entwickeln, die diesen absehbaren Folgen des Klimawandels zuvorkommen – landwirtschaftliche Erträge sollen trotz veränderter klimatischer Bedingungen mit dem Bedarf einer wachsenden Weltbevölkerung Schritt halten können. "Diese Handlungsempfehlungen verstehen wir als Beitrag zu einer Bioökonomie, in der Nachhaltigkeit und Ernährungssicherheit eng verknüpft sind", sagt Pausch.
Aus diesem Grund sollen nicht nur die heute angebauten Getreidesorten, sondern auch alte, für die Landwirtschaft kaum noch relevante Nutzpflanzen in die Untersuchungen einbezogen werden. Denn in den Züchtungen aus den letzten 50 Jahren, bei denen vorrangig die Steigerung der Erträge im Vordergrund stand, könnten Gene verloren gegangen sein, die für die Widerstandsfähigkeit von Getreidepflanzen wichtig sind, Gene, die die Pflanzen in die Lage versetzten, die Verhältnisse im Boden zu ihrem eigenen Vorteil zu beeinflussen. Zudem erhoffen sich die Wissenschaftler weitere Hinweise darauf, welche Eigenschaften der Rhizosphäre die Stresstoleranz von Pflanzen stärken können.