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03.08.2015 | Klimawandel | Interview | Online-Artikel

Masterplan zu 100 Prozent Klimaschutz in Frankfurt

verfasst von: Günter Knackfuß

5 Min. Lesedauer

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Als eine der ersten Städte Deutschlands wird Frankfurt am Main einen konkreten Fahrplan für eine zu 100 Prozent regenerative Energieversorgung erarbeiten. Im Interview erklärt Andrea Graf die Ziele und Herausforderungen.

Springer für Professionals: Welche Hauptziele bestimmen den zukunftsweisenden Masterplan?

Andrea Graf: Seit Anfang 2013 entwickelt Frankfurt am Main den "Masterplan 100 Prozent Klimaschutz" – eine Vision, wie die Stadt bis zum Jahr 2050 vollständig durch Erneuerbare Energien versorgt werden kann. Die Ziele des Masterplans 100 Prozent Klimaschutz beinhalten eine energetische Versorgung bis spätestens 2050 zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien, die Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 95 Prozent gegenüber 2010 sowie die Verringerung des Energieverbrauchs um 50 Prozent durch Energieeinsparung und Energieeffizienz. Der Masterplan ist vom Ziel "100 Prozent Erneuerbare Energien bis 2050" her gedacht und entwickelt. Betrachtet werden drei Sektoren des Frankfurter Energiesystems: Wärme, Strom, Mobilität. Zum Hintergrund: Frankfurt am Main gehört zu den am dichtesten bebauten Städten Deutschlands; die Einwohnerzahl stieg 2013 auf rund 700.000 Menschen. Im Jahr 2010 wurden in Frankfurt rund 22.600 Giga-Wattstunden (GWh) Endenergie verbraucht – knapp ein Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs. 95 Prozent dieser Energie wurden importiert, d.h., außerhalb Frankfurts und in der Regel auch außerhalb der Region erzeugt.

Seit zwei Jahren analysieren ihre Expertenteams die besonderen Herausforderungen. Worin bestehen diese?

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Die besondere Herausforderung bei der Erstellung des Masterplans 100 Prozent Klimaschutz war die Datenbereitstellung zur Analyse der derzeitigen Energieverbräuche und zukünftigen Potentiale in den Bereichen Energieeinsparung und Energiebereitstellung. Um die Datensicherheit zu erhöhen, sind wir zum Teil auch ungewöhnliche Wege gegangen. Wir haben Berechnungen durchgeführt, diese geeigneten Akteuren präsentiert und um Einschätzung gebeten. So war eine Annäherung an reelle Zahlen bzw. eine Überprüfung der getroffenen Annahmen trotz Datenverschluss möglich. Weitere Herausforderungen zur Erreichung des Zieles  100 Prozent-Erneuerbare-Energien-Versorgung sind die Stärkung des Öffentlichen Personenverkehrs und des Fahrradverkehrs sowie die Umstellung der Antriebstechnik auf vorwiegend Elektroantrieb. Auch die Nutzung der Abwärme aus zahlreichen Rechenzentren für Wohngebäude sowie den Passivhausstandard anzustreben, stehen auf der Agenda. Im Industriesektor, der mit derzeit 30 Prozent den höchsten Anteil am Energieverbrauch der Stadt hat, haben wir u.a. die Verwertung von überschüssigem Wasserstoff aus der industriellen Produktion für den Antrieb von Fahrzeugen im Blick.

Wie gehen sie mit dem Schwerpunkt Energieeffizienz um?

Frankfurt am Main setzt bei der Energiewende gleichermaßen auf die Aspekte Ausbau der Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Dabei steht Energieeffizienz für einen Wandel von Nutzerverhalten, Wertewandel und neue Lebensstile einerseits sowie den Einsatz von technologischen Innovationen andererseits. Wir begrüßen, dass das Thema Energieeffizienz seit dem vergangenen Jahr in der Berichterstattung, Förderlandschaft und Gesetzeslage neben dem Ausbau von Erneuerbaren Energien als gleichwertiger Teil der Energiewende kommuniziert und behandelt wird.

 

Erneuerbare Energieerzeugung soll möglichst in regionaler Wertschöpfung erfolgen. Welche Konzepte gibt es dafür?

Bereits erarbeitet sind Analysen der Finanzströme im Energiebereich, Strategien zur Umlenkung dieser hin zur Förderung von Erneuerbaren-Energien-Anlagen, alternative Finanzierungsmodelle und impulsgebende Finanzierung zur Förderung der regionalen Wertschöpfung in den Sektoren Energieeinsparung, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien. Ergänzend dazu haben die Stadt Frankfurt am Main und der Regionalverband FrankfurtRheinMain im Frühjahr 2013 ihre Zusammenarbeit zur Energiewende formell beschlossen. Erste Ergebnisse der Zusammenarbeit sind Studien zu energetischen Daten inklusive Potentialberechnungen aller 75 Mitgliedskommunen und des Gesamtverbandes Regionalverband Frankfurt am Main in Form von Energiesteckbriefen. Außerdem wurden die Akteure der Region analysiert und Praxisleitfäden erstellt. Aktuell läuft ein einjähriges Beteiligungsverfahrens mit ca. 200 Akteuren aus Stadt und Region. Eine Strategiegruppe des Beteiligungsprozesses erarbeitet die Visionen, Strategien, Maßnahmen und Rahmenbedingungen, die nötig sind, um die regionale Wertschöpfung zu stärken. Eine andere Gruppe widmet sich dem Themenschwerpunkt Wirtschaft. Hier entstehen wichtige Erkenntnisse für die weitere Strategie für Frankfurt am Main und die Region, einen wirtschaftlichen Vorteil aus der Energiewende zu ziehen. Weitere Informationen gibt es unter: www.energiewende-frm.de.

Beim konkreten Umsetzungsfahrplan werden sie vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE unterstützt. Wie gestaltet sich diese Kooperation?

Wir haben im Rahmen des Projektes Masterplan 100 Prozent Klimaschutz das Fraunhofer  ISE beauftragt, zeitlich hochaufgelöste Energieszenarien zu erstellen. Eine solche Berechnung wurde erstmals für eine Kommune in dieser Form durchgeführt. Wir können damit nun grundlegende Fragen beantworten und unser Konzept auf Praxistauglichkeit überprüfen. Das Ergebnis, dass eine Versorgung mit Erneuerbaren Energien 2050 zu jeder Zeit (stündlich) unter unseren Annahmen und Maßnahmen möglich ist, bringt das Gesamtkonzept auch weiter voran. Mit den Berechnungen vom Fraunhofer ISE können wir sehen, wo Fallstricke in der Umsetzung sein können, wie viele Speicher für Wärme und Strom nötig sein werden und wie die Kosten für die Energieversorgung 2050 dann aussehen.

Ein wichtiges Anliegen sehen sie in der Partizipation. Welche Schritte werden dabei unternommen?

Der Masterplan 100 Prozent Klimaschutz hat zwei Phasen. In der ersten Phase liegt der Schwerpunkt in der Erstellung des Konzeptes, in der Zweiten in der Umsetzung der erarbeiteten Maßnahmen; hier sind wir nun aktuell. Die Partizipation war für die Erstellung des Konzeptes wichtig, um neben der Fachexpertise und den vielfältigen Ideen, auch eine Akzeptanz und Motivation für die Umsetzung des Masterplans zu erreichen. Zur Erstellung des Konzeptes und nun, in der weiteren Begleitung der Energiewende, wurde ein Klimaschutzbeirat mit rund 30 Mitgliedern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kirche und Verbänden berufen, der uns beratend zur Seite steht. Ergänzend gab es zahlreiche Beteiligungsformen für Fachkreise und Ämter. Die Bürger wurden in über 20 Beteiligungsveranstaltungen, häufig in Form von Workshops, eingebunden. Neben Informationen und Diskussionen standen die Ideen der Bürger und Unterstützung der eigenen Klimaschutzaktivitäten im Mittelpunkt. Wir haben so die Bürgerinnen und Bürger in 1,5 Jahren aktiv erreicht und für eine intensive Mitarbeit gewinnen können. Derzeit setzen wir die ersten Bürgerideen um.

Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Günter Knackfuß, freier Autor, für Springer für Professionals.

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