Der deutsche Mittelstand leidet unter einer hohen Steuerlast - ein Nachteil im europäischen Wettbewerb. Experten fordern daher Reformen, um KMU steuerlich zu entlasten und bürokratische Hürden abzubauen. Mehr Liquidität und Innovationskraft machen Deutschland als Standort attraktiver.
Deutschland ist aus Steuersicht kein attraktives Land.
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"Die mannigfaltigen Herausforderungen durch Globalisierung, Digitalisierung und Klimawandel, durch Fachkräftemangel und Energiekrise, den Krieg mitten in Europa und an vielen anderen Orten der Welt - all das braucht Unternehmerinnen und Unternehmer, die nicht nur an ihren Gewinn denken, sondern über den Tellerrand blicken, Mitarbeitende, Kooperationspartnerinnen und -partner, die Umwelt, soziale Gerechtigkeit gleichermaßen im Blick haben. Es braucht Ehrbare Kaufleute", schreibt Gerti Oswald über die Zukunft der Wirtschaft.
Maschinen- und Anlagenbau besonders betroffen
Und die wähnte man bislang vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die als wirtschaftliches Rückgrat vieler Volkswirtschaften gelten. Mittelständische Betriebe decken das gesamte Spektrum an Branchen und Sektoren ab. Dabei zeichnen sie sich vor allem durch ihre Innovations- und Wachstumsstärke aus. "Eine der innovations- und exportstärksten Branchen in Deutschland ist der stark mittelständisch geprägte Maschinen- und Anlagenbau", schreiben die drei Studienautorinnen des ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim in der Einleitung ihrer Kurzexpertise zu den steuerlichen Herausforderungen des deutschen Wirtschaftsstandorts.
"Die Notwendigkeit, ein attraktives Geschäftsumfeld für KMU zu schaffen, ist weitgehend unstrittig, jedoch bleibt die genaue Ausgestaltung dieses Umfelds häufig unklar", schreiben die Forscherinnen in ihrer im Februar vorgestellten Untersuchung für die Impuls-Stiftung des VDMA, in dem sich rund 3.600 deutsche und europäische Anlagen- und Maschinenbaufirmen zusammengeschlossen haben. KMU seien im Vergleich zu großen Unternehmen mit spezifischen Nachteilen konfrontiert, etwa in Bezug auf den Zugang zu Finanzmitteln, Wettbewerbsverzerrungen sowie einen übermäßigen Regulierungsaufwand. "Ein förderliches Unternehmensumfeld sollte diese Herausforderungen verringern und gleichzeitig gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen aller Größen, Branchen und Rechtsformen sicherstellen."
KMU profitieren kaum von Steuerentlastungen
Derzeit weist die Bundesrepublik laut Katharina Nicolay, Julia Spix und Daniela Steinbrenner eine der höchsten Unternehmenssteuerbelastungen auf. Kleinere mittelständische Betriebe profitierten allerdings kaum von Entlastungen, die etwa große Konzerne über internationale Steuerstrategien erzielen. Diesen stehen aufgrund ihrer Größe und ihres Geschäftsmodells eine Reihe von Steuergestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, "die darauf hinauslaufen, möglichst hohe Gewinne in Niedrigsteuerländern anfallen zu lassen, steuermindernde Verluste hingegen in Hochsteuerländern", schreibt Reiner Sahm über den Steuerwettbewerb der Staaten. Zwar seien einige Methoden illegal, "aber die meisten sind vollkommen gesetzeskonform".
In anderen Ländern gibt es laut Nicolay, Spix und Steinbrenner mit einer durchschnittlichen Steuerlast von 28 bis 30 Prozent ein deutlich besseres Umfeld für KMU als hierzulande, wo Unternehmen 38 bis 39 Prozent an den Fiskus abführen müssen. Auch gebe es in Deutschland deutlich weniger Erleichterungen als in anderen Ländern, was die Wettbewerbsfähigkeit des industriellen Mittelstands weiter schwäche:
"Die in Deutschland wenigen, bereits existierenden Regelungen zur steuerlichen Entlastung von KMU verfehlen dabei insbesondere mit Blick auf den industriellen Mittelstand [...] ihre entlastende Wirkung. Während beispielsweise Belgien die effektive Steuerbelastung für KMU im Vergleich zu großen Kapitalgesellschaften um bis zu 12,8 Prozentpunkte senkt, beträgt die Differenz in Deutschland nur 0,7 Prozentpunkte."
Deutschland steuerlich attraktiver machen
Die Forscherinnen betonen, dass insbesondere der industrielle Mittelstand in Deutschland von allgemeinen Steuerreformen zur Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen profitieren würde. Insbesondere größenunabhängige Anreize können in einem Hochsteuerland wie Deutschland wichtige steuerliche Erleichterungen bringen angesichts der aktuellen Herausforderungen wie sinkende Umsätze, rückläufige Kapazitätsauslastungen und schwachem Wachstum. Allerdings müssen die steuerlichen Anreize gründlich durchdacht und abgewogen sein. Entscheidend sei auch eine unbürokratische Umsetzung, um den administrativen Aufwand für Mittelständler gering zu halten.
Insgesamt gibt es mehrere Stellschrauben, an der die Steuerpolitik drehen kann, um Deutschland als Standort für den Mittelstand attraktiver zu machen und den Innovationsmotor in KMU wieder anzukurbeln:
- Unternehmenssteuersätze senken: Eine reduzierte effektive Steuerbelastung stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und fördert Investitionen.
- Sonderabschreibungen einführen: Beschleunigte Abschreibungen für Investitionen erhöhen die Liquidität der Unternehmen.
- Bürokratie abbauen: Vereinfachte steuerliche Melde- und Dokumentationspflichten reduzieren den administrativen Aufwand und setzen Ressourcen für das Kerngeschäft frei.
- Forschungs- und Entwicklungsförderung ausbauen: Steuerliche Anreize für F&E-Aktivitäten sorgen für mehr Innovationen im Mittelstand und sichern so die technologische Wettbewerbsfähigkeit im Land.
- Steuerliche Förderung von Eigenkapital stärken: Maßnahmen, die die Eigenkapitalbildung von KMU unterstützen, verbessern deren finanzielle Stabilität und Unabhängigkeit.