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14.06.2017 | Kohle | Schwerpunkt | Online-Artikel

Kohleausstieg ohne Steuern, dafür administrativ

verfasst von: Frank Urbansky

3:30 Min. Lesedauer

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Kohlekraftwerke und Erneuerbare Energien belasten gemeinsam die Netze. Ein Kohleausstieg würde zu einer Marktbereinigung und zur Netzentlastung führen. Dieser kann nur durch den Staat erfolgen.

Die Bundesregierung hält nach wie vor an der Kohleverstromung fest. Auch nach der Bundestagswahl im September wird sich daran wenig ändern - egal, wie die Koalitionen ausfallen sollten. "Ohne neue Kohlekraftwerke, so die Befürchtung der Politik, können die wegfallenden Kapazitäten aus der Kernkraft nicht ersetzt und das Netz nicht ausreichend stabilisiert werden", benennen Springer Vieweg-Autoren Thomas Kästner und Andreas Kießling in ihrem Buchkapitel 60 Minuten Energiewende auf Seite 85 die Ängste der Politik.

Empfehlung der Redaktion

2016 | OriginalPaper | Buchkapitel

60 Minuten Energiewende

Sonne und Wind – auf den beiden Säulen soll die Nach-Wende-Energiewelt ruhen, auch wenn diese Säulen nicht stabil (produzieren), sondern sehr unstet sind. Biomasse und Wasserkraft sind im Gegensatz dazu zwar steuer- und planbar, so dass sie von großer Bedeutung bleiben werden.


Dem widerspricht Claudia Kemfert vehement. Die Leiterin der Abteilung "Energie, Verkehr, Umwelt" am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) erklärte sowohl die Kapazitätsgrenzen als auch die Verteuerung des Stromes durch die Erneuerbaren zur Gespensterdiskussion.

Gespensterdiskussionen um Preise und Kapazität

Während eines Vortrages auf Einladung des Umweltforschungszentrums Leipzig rechnete die Energiewende-Verfechterin vor, dass Deutschland seit Jahren ein Stromüberflussland und Stromexportweltmeister ist. Schuld daran seien die beiden nebeneinander existierenden Systeme von zentraler fossiler sowie dezentraler erneuerbarer Energieerzeugung. Deswegen müsse eine staatlich verordnete Marktbereinigung stattfinden, die den Kohleausstieg so schnell wie möglich zum Ziel habe.

Als Vorbild diente ihr der Ausstieg aus der Atomkraft, der auch per Gesetz verordnet wurde. Anderen Lenkungselementen wie der aktuell diskutierten Kohlendioxid-Steuer erteilte sie eine Absage. "Denn Steuern belasten immer auch jemanden anderen. Sie werden deswegen von der Politik nicht gern angefasst und wenn, dann von den Lobbyisten so zerpflückt, dass von ihrer Lenkungswirkung nichts übrigbleibt", so die promovierte Ökonomin.

Als schlechtes Vorbild diente ihr der Kohlendioxid-Emissionshandel. Der löse keine Probleme, weil die Zertifikate mit Preisen von deutlich unterhalb der 10 Euro-Grenze je Tonne Kohlendioxid zu billig seien. Nötig wäre ein Preis von 40 bis 60 Euro. Der sei jedoch nicht zu erreichen und auch nicht zu verordnen.
An diesem Punkt machte sie auf die Schwächen des kürzlich von der Bundesregierung verabschiedeten Klimaschutzplanes fest. Der würde zwar ambitionierte Ziele vorgeben, jedoch nicht den Weg dahin vorschreiben. Das sei jedoch nötig, sonst würden diese Ziele nicht erreicht.

Neue Stromwelt funktioniert immer besser

Die neue Stromwelt sieht sie in einem intelligenten System aus Lastmanagement, KW Smart Grids und virtuellen Kraftwerken, die die Fluktuation der Erneuerbaren Energien ausgleichen könnten. Aufgrund der gesunkenen Redispatch-Zahlen sei jetzt schon zusehen, dass dies immer besser funktioniere.

Dringend nötig seien Reserven in zwei Wochen des Jahres im Januar, wenn die so genannte Dunkelflaute herrsche, also weder genug Licht für Photovoltaik scheine als auch wenig Wind wehe. Die alten Kohlekraftwerke passten nicht in diese Welt, da sie mit Anfahrzeiten von bis zu 10 Tagen viel zu unflexibel seien. Deswegen sei es auch eine Erpressung, für diesen veralteten Kraftwerkspark in Form einer Kapazitätsreserve Subventionen zu verlangen. In den übrigen 50 Wochen des Jahres würde das System jedoch funktionieren. Das werde viel zu wenig diskutiert.

Erneuerbare nicht an teurem Strom schuld

Auch kostenseitig seien die Erneuerbaren Energien nicht am Steigen der EEG- Umlage und damit an höheren Strompreisen schuld. Dies liege an den gesunkenen Börsenstrompreisen und den üppigen Ausnahmen für die Industrie. Auch deswegen komme nur eine institutionelle Marktbereinigung in Frage, die nur der Kohleausstieg sein könne. Spätestens ab 2025 brauche man ein neues Marktdesign, um die klimapolitischen Ziele doch noch zu erreichen. Für die Politiker sei es jedoch bequemer, den Erneuerbaren Energien die Schuld an den Preissteigerungen zuzuschreiben.
"Durch den steigenden Marktanteil der erneuerbaren Energien kommen die konventionellen Großkraftwerke hingegen aufgrund der sinkenden Preise an den Strombörsen auf immer weniger Einsatzzeiten und werden hierdurch zunehmend unwirtschaftlich. Dies wird letzten Endes dazu führen, dass diese Kraftwerke bis auf einen Mindestkraftwerkspark zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität sukzessive stillgelegt werden. Demzufolge wird auch der hauptsächlich aus den Energieträgern Braunkohle, Steinkohle und Uran (Kernenergie) erzeugte Strom deutlich zurückgehen ...", fassen die Springer Vieweg-Autoren Rainer Pflaum und Tobias Egeler die unausweichliche Entwicklung in ihrem Buchkapitel Smartes System für die Energiewende – der Übertragungsnetzbetreiber in der digitalen Zukunft auf Seite 159f zusammen.

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