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04.12.2017 | Kohle | Interview | Online-Artikel

"Unverzüglich Schritte zum Kohleausstieg in Angriff nehmen"

verfasst von: Nico Andritschke

4:30 Min. Lesedauer

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Im November 2017 fand in Bonn die 23. UN-Klimakonferenz statt. Anton Berger schätzt die Ergebnisse der Konferenz ein und äußert sich zur Forderung nach einem Kohleausstieg in Deutschland.

Springer Professional: Welche Erwartungen hatten Sie an die UN-Klimakonferenz und wie sind diese letztlich erfüllt worden?

Anton Berger: Nach 22 Klimakonferenzen sind meine Erwartungen grundsätzlich etwas zurückhaltender geworden. Es war jedoch auch nicht das Ziel der Konferenz, mit neuen großen Abkommen oder Versprechungen aufzutrumpfen. Erwartet hatten wir eine Konkretisierung der Umsetzungsstrategien, um die Pariser Beschlüsse zu erreichen. Diese Erwartung wurde jedoch nur teilweise erfüllt, da zwar viele Klimaschutzpläne und positive Praxisbeispiele vorgestellt wurden, ein verbindlicher Umsetzungsplan aber noch in weiter Ferne liegt. Laut unserer Umweltministerin sollte die Konferenz aber auch eher der Vorbereitung konkreter Beschlüsse auf der kommenden Konferenz in Katowice dienen.

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Welches sind die wichtigsten Ergebnisse der Weltklimakonferenz, auf die sich in der Zukunft aufbauen lässt? Gibt es einen Trend zu mehr Konkretheit und Verbindlichkeit bei den Vereinbarungen?

Ja, ein Trend zu mehr Verbindlichkeit lässt sich schon erkennen. Als ein konkretes vorzeigbares Ergebnis der Konferenz ist beispielsweise die Einigung zum Anpassungsfonds zu nennen. Im Kern sollte auf der Konferenz in Bonn jedoch an dem Regelbuch gearbeitet werden, das letztlich die Leitplanken für die Umsetzung des Pariser Abkommens geben soll. Wenn alles gut läuft, könnte dieses "Rulebook" dann in Katowice verbindlich verabschiedet werden. Ein weiteres Ergebnis ist eine umfangreiche Zusammenfassung der Positionen aller teilnehmenden Staaten, die auf mehreren hunderten Seiten die Basis des künftigen Regelwerkes bilden soll. Inwieweit auf dieser Basis aufgebaut werden kann, soll in weiteren Verhandlungen in den kommenden 12 Monaten geklärt werden.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen forderte die künftige Bundesregierung kürzlich auf, aus der Kohleverstromung bis 2030 auszusteigen. Unter Führung von Kanada und Großbritannien wurde jetzt im Rahmen der Klimakonferenz eine globale Allianz für den Kohleausstieg gegründet. Deutschland sucht man darin vergebens. Glauben Sie, dass mittelfristig ein Kohleausstieg in Deutschland gelingt?

Ich bin mir sicher, dass zumindest mittelfristig ein Kohleausstieg in Deutschland sozialverträglich und mit überschaubaren Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort gelingen kann. Ob gerade in Anbetracht der kürzlich gescheiterten Koalitionsverhandlungen ein Kohleausstieg weit oben auf der Prioritätsliste einer künftigen Regierung stehen wird, kann heute nur gemutmaßt werden. 

Mit welchem Szenario könnte der Kohleausstieg Ihrer Meinung nach gelingen und wie sollen die damit verbundenen Strommengen kompensiert werden?

Ein großer Teil des Kohlestromes in Deutschland ist bereits heute überflüssig und wird nur für den Export produziert. Eine Kompensation scheint daher mittelfristig nicht erforderlich. Wenn 5 bis 10 Gigawatt Kraftwerksleistung stillgelegt werden würden, dann wird es nach heutiger Einschätzung auch nach der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke und während mehrwöchiger Dunkelflauten nicht zu einer Versorgungslücke kommen. Relevant ist jedoch, welche Kapazitäten wo stillgelegt werden. Der Rückbau von Kraftwerken im süddeutschen Raum hätte mit Sicherheit nachteiligere Auswirkungen als eine Stilllegung in der Lausitz oder in Norddeutschland. Um komplett von der Kohle loszukommen, sind jedoch weitere Maßnahmen nötig. Zunächst müssten mit einem weiteren Netzausbau alle Engpässe beseitigt werden, um die weiter auszubauende Erzeugung aus erneuerbaren Energien nicht abregeln zu müssen. Ein weiterer Hauptbaustein neben dem Netzausbau und mehr regenerativen Erzeugungskapazitäten wird die Flexibilisierung von Verbrauch und Erzeugung sein. Auf lange Sicht werden netzdienliche Batteriespeicherkapazitäten sowie Power-to-Gas-Anlagen eine immer wichtigere Rolle spielen. 

Wird die Kohleverstromung in Deutschland beendet, bedeutet dies ja nicht unbedingt das Ende der Braunkohleförderung. So könnte zum Beispiel die Lausitzer Braunkohle in Tschechien oder Polen verbrannt und Deutschland Importeur billigen Stroms werden. Müsste das Ziel, die Kohleverstromung zu beenden, nicht eine europäische Lösung sein?

Gerade Braunkohle ist aufgrund des niedrigen Energiegehaltes meist nur dann günstig in Strom umzuwandeln, wenn die Transportwege kurz sind. Und bis Deutschland zu einem Stromimporteur werden würde, ist es noch ein langer Weg. Aber grundsätzlich ist selbstverständlich eine gesamteuropäische oder globale Lösung der Königsweg, jedoch schmilzt uns für die Eindämmung der Erderwärmung förmlich die Zeit weg. Es steht demnach außer Frage, dass die neue Bundesregierung unverzüglich wirksame Schritte in Angriff nehmen sollte und nach Möglichkeit mindestens versuchen sollte, die europäischen Partner auf diesem Weg mitzunehmen.

Mit dem Kohleausstieg ist ein Strukturwandel in den betreffenden Regionen verbunden. Die letzten 27 Jahre zeigen, wie problematisch und langwierig dieser beispielsweise im Land Brandenburg verläuft. Wie könnte ein sozialverträglicher Strukturwandel erfolgen, um davon Betroffenen eine Perspektive geben zu können?

Die betroffene Bevölkerung bei einem entsprechenden Strukturwandel mitzunehmen ist sicherlich eine der größten Herausforderungen des Kohleausstieges. Laut dem Spiegel sind aktuell noch circa 20.000 Arbeitsplätze von der Braunkohle abhängig. Nach der Wiedervereinigung waren es noch circa 115.000. 
Auch der Ausstieg aus der Steinkohlesubventionierung in Deutschland reduzierte die Zahl der Arbeitnehmer in diesem Segment von früheren 600.000 Arbeitsplätzen auf heute unter 10.000. Es ist also möglich, mit geeigneten Instrumenten und Programmen einen sozialverträglichen Ausstieg zu gestalten. Ferner ist davon auszugehen, dass nicht alle 20.000 Arbeitsplätze wegfallen werden, da zum einen Folgetätigkeiten wie die Renaturierung der Abbaugebiete auch nach einem Ausstieg langfristig erbracht werden müssen. Zudem sind vermutlich einige Kompetenzen der heutigen Beschäftigten in Zeiten des Fachkräftemangels auf dem Arbeitsmarkt durchaus begehrt.

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