Der "Mobile Tsumani" hat die Gesellschaft und auch die Marketing- und Unternehmensführung grundlegend verändert. Im Interview erläutert Springer-Autor Mark Wächter die Chancen und die Erfolgsfaktoren einer Mobile Strategy.
Springer für Professionals: Sie beschreiben die rasante Verbreitung von Smartphone & Co. und die Auswirkungen dieser Tech-Welle mit dem Bildnis eines „Mobile Tsunami“. Können Sie das näher erläutern?
Mark Wächter: Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit hat sich ein technisches Endgerät mit solch einer rasanten Geschwindigkeit und gleichzeitig gewaltigen Veränderungswucht auf diesem Planeten ausgebreitet. Es wird nicht mehr lange dauern, bis nahezu alle Menschen weltweit über zehn Jahren mit einem Smartphone ausgestattet sind. Der Super-Computer in der Hand und seine Satelliten Smartwatch, Smartglass und Connected Car verändern fundamental das Zusammenleben der Gesellschaft, aber vor allem auch die Art der Marken- und Unternehmensführung. Das Smartphone ist das Cockpit zur Steuerung der Digitalen Transformation und damit von Zukunfts-Bereichen wie Connected Commerce, Connected Health, Smart Home, Smart Mobility, Smart Factory und Smart City.
Wie sind die Unternehmen für die Herausforderungen des Mediums Mobile aufgestellt? Wo gibt es Nachholbedarf?
Diesen "Mobile Tsunami" gilt es reiten zu lernen. Mit dem richtigen Surfbrett – sprich mit der richtigen Mobile Strategy – wären Unternehmen entsprechend aufgestellt. Wenn mehrere Milliarden Menschen über die Suchmaske auf ihrem Smartphone in das Mobile Internet einsteigen, dann muss die eigene Webpräsenz, der Web-Shop, die Personalanzeige zwingend mobil optimiert sein. Genauso gilt es, Service-Prozesse auf das Smartphone auszurichten. Die innerbetrieblich genutzte Flut an mobilen Endgeräten ist mit Enterprise Mobility Management Techniken proaktiv zu steuern. Die wenigsten Unternehmen können von sich behaupten, sie hätten eine solide und umfassende Mobile Strategy.
Welche Chancen bietet das Internet der Dinge Unternehmen und damit auch Werbungtreibenden?
Mit dem sensorbasierten Internet der Dinge entsteht eine neue, jederzeit und weltweit abschöpfbare Schicht von Daten am Ort der Produktion bzw. Konsumption – und damit potentiell eine neue Intelligenz. Nur mit den richtigen Big Data und vor allem Interpretations-Werkzeugen kann aus diesen Datenbergen Smart Data entstehen, das dann in Echtzeit Prozessabläufe, Wertschöpfung und Wartung optimiert. Für Werbungtreibende sind die neu gewonnenen Erkenntnisse über den Konsum der eigenen Produkte, aber auch über die Perzeption von Werbemitteln hilfreich für die optimierte Steuerung der Marke im Angesicht des "Mobile Tsunami".
Welche Werbeformen werden sich auf Mobile Devices durchsetzen?
Mobile ist das intimste Medium überhaupt und wird vom Homo Mobilis eher als persönlicher, kontextueller Assistent wahrgenommen. Die Kunst besteht darin, gut gemachte Werbung, also relevante Information Made for Mobile, also kreiert für den besonderen Bildschirm unter Nutzung seiner sensorbasierten Technologien, an handverlesene Personen im richtigen Zeitpunkt auszuliefern. Von diesen Mobile Moments gibt es über den Tag verteilt immer mehr, je öfter sich der Konsument an sein Smartphone wendet, um Anregungen und Antworten zu erhalten. Werbeformen für Mobile Devices sollten also hyperlokal und extrem gezielt, im Kontext und damit in Echtzeit sowie möglichst nativ, also angepasst an das Nutzungsverhalten auf dem First Screen ausgelegt sein. Der klassische Banner ist nicht für Mobile geeignet.
Was sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren beim Mobile Advertising?
Die Königsdisziplin für Marken ist es, auf dem persönlichsten aller Medien mit dem Verbraucher in einen Dialog einzutreten – auf Augenhöhe. Aus Mobile Advertising wird so Mobile Engagement Marketing. Dies kann klassisch über SMS oder Click-to-Call erfolgen, vollzieht sich aber immer öfter über Messaging-Apps oder die Push-Notification-Zentrale auf dem Homescreen. Mobile Advertising muss im bereits erwähnten Mobile Moment einen echten Mehrwert für den Smartphone-Nutzer bieten. Das geht nur, wenn der Werbungtreibende gedanklich alle Mobile Touchpoints entlang der Customer Journey auf diese potenzielle Mehrwertbelieferung hin analysiert und sich in die Lage versetzt, entsprechend zu reagieren.
Derzeit wird intensiv über Adblocker diskutiert. Was sollten Werbungtreibende auf dem Medium Mobile auf jeden Fall vermeiden, damit Adblocker dort nicht zum Problem werden?
Online – also am Desktop – wird bereits fast jede vierte Werbemittelausliefung durch Adblocker unterdrückt. Das ist die teure Quittung dafür, dass man auf manchen Portalen vor lauter Werbung keine redaktionellen Inhalte mehr erkennt, diese Werbung einen anschreit und auch noch verfolgt auf seinem weiteren Surf-Trip. Die Reaktanz wird umso größer, je kleiner der Bildschirm wird. Das Medium Mobile ist qua Definition schon kein Medium, auf dem klassische Monetarisierungsformen funktionieren. Aber als Leitmedium und Konnektor zu allen anderen Medien kann es eine fundamentale Rolle in der Markenkommunikation spielen - wenn Marken es verstehen, mit dem Smartphone-Nutzer Made for Mobile zu interagieren.