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28.05.2014 | Kommunikation | Interview | Online-Artikel

"Kundenzufriedenheit kommt von Kundenorientierung"

verfasst von: Andreas Nölting

8 Min. Lesedauer

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Schlechter Service spricht sich rasend schnell herum. Stimmt hingegen alles bei der Customer Journey, sind auch die Kunden begeistert, so Unternehmensberater Felix Stöckle im Interview.

Springer für Professionals: Herr Stöckle, eine aktuelle Umfrage Ihres Hauses zeigt, dass Kunden von Unternehmen, ihren Produkten oder dem Service schnell enttäuscht sind. Was kann die Unzufriedenheit auslösen?

Felix Stöckle: Kunden haben oft das Gefühl, dass Unternehmen eher in ihrem eigenen Interesse handeln, als aus Sicht und für den Kunden. Und tatsächlich haben die Kunden oft Recht. Viele Unternehmen schauen auf die Interaktion mit ihren Kunden eher durch die eigene Brille. Sie stellen Organisations- und Kostenstrukturen, Prozesse, Zuständigkeiten oder Geschäftskennzahlen in den Vordergrund. All das interessiert den Kunden aber nicht. Es geht ihm schließlich um die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, für die er auch bezahlt.

Neben diesem eher generellen Punkt betrachten viele Unternehmen die Interaktion mit Ihren Kunden nicht ganzheitlich genug. Man hat die wichtigsten Interaktionspunkte im Blick, aber es fehlt an der Aufmerksamkeit für die Details. Zu oft werden bestehende Kontaktpunkte auch nicht aktiv gemanagt, sondern Dinge sich selbst überlassen. Oft mit katastrophalen Folgen. Ein aktuelles Beispiel ist der Skandal, mit dem Burger King gerade zu kämpfen hat.

Auch den Besten unterlaufen immer wieder Fehler. Nehmen Sie zum Beispiel Ikea. Die Schweden gehören sicherlich zu denjenigen Unternehmen, die ihre Customer Experience extrem stimmig und konsistent ausgestaltet haben. Auch wenn es sich um ein hochstandardisiertes Geschäftsmodell handelt, so doch mit einem sehr menschlichen Antlitz in Kommunikation und Erlebnis vor Ort. Ruft man allerdings die Service-Hotline an, landet man bei einem Sprachcomputer, bei dem man sich durch zahlreiche Ebenen klicken muss, um dann festzustellen, dass es quasi unmöglich ist, einen Mitarbeiter ans Telefon zu bekommen, dem man sein Problem schildern kann. An dieser Stelle werden alle bisher gemachten positiven Erfahrungen ad absurdum geführt.

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Was machen Unternehmen im Umgang mit Kunden verkehrt? Gibt es häufig auftretende Fehler?

Die größten Probleme sind Binnenperspektive und Silodenken. Der Kunde nimmt ein Unternehmen oder eine Marke immer als Ganzes war. Die Summe seiner Kontaktpunkte und Interaktionen – die Customer Journey – prägt seine Wahrnehmung. Und wenn die nicht als stimmig und konsistent empfunden wird, dann oft, weil nicht alle Menschen in einem Unternehmen am selben Strang ziehen, Zuständigkeiten nicht klar sind oder einzelne Interaktionen nicht aktiv gemanagt werden.

So passieren immer wieder Fehler, die der Kunde sofort bemerkt. Jeder von uns kennt doch die Situation, wo man am Telefon x mal durchgestellt wird, sich niemand zuständig fühlt und man am Ende verzweifelt, weil es gar nicht um die Lösung des Problems zu gehen scheint. Diese Liste lässt sich endlos fortsetzen. Wichtig ist es daher für Unternehmen überhaupt erst einmal die gesamte Customer Journey zu verstehen und alle Kontaktpunkte inklusive der situationsbedingten Kundenbedürfnisse zu identifizieren. Auf dieser Basis lassen sich dann Optimierungspotentiale identifizieren und auftretende Probleme aus Kundensicht sukzessive ausräumen.

Wie sollten Unternehmen mit kritischen Äußerungen von enttäuschten Kunden in Blogs oder Social Media umgehen?

Felix Stöckle: Die Verantwortlichen müssen solche Reaktionen Ernst nehmen, sonst gerät das Unternehmen ganz schnell in einen Shitstorm mit einem womöglich nachhaltigen Reputationsschaden. Wir leben in einem Zeitalter totaler Transparenz. Unternehmen und Marken können sich nicht mehr verstecken. Die Marketing-Mechanismen der Vergangenheit, wo es darum ging ein Versprechen mit medialer Kraft ins Land und unter die Menschen zu tragen, sind unwiederbringlich vorbei. Heute können wir uns jederzeit darüber informieren, was andere Menschen über Unternehmen denken und welche Erfahrungen sie mit deren Produkten oder Dienstleistungen gemacht haben. Wenn man da nicht hält, was man verspricht, ist das unmittelbar sichtbar.

Wie können Unternehmen die Erfahrungen ihrer Kunden feststellen und daraus lernen?

Felix Stöckle: Hier gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Idealerweise verbindet man dafür interne Daten über das Kundenverhalten (Interaktionshäufigkeit, Verkaufszahlen, Anzahl der Wiederkäufe, Volumen, Wert, Klickraten, Verweildauern, Tages- und Uhrzeit, etc.) mit Marktforschung über ihre Bedürfnisse. Dabei spielt das reale Verhalten, wie man es z.B. ethnografisch erforschen kann, eine zunehmende Rolle.

Am wichtigsten ist aber, dass man alle Kontaktpunkte entlang der Customer Journey und die dahinter liegenden Bedürfnisse der Kunden versteht. Der situative Kontext wird hier immer wichtiger, da ich mich etwa anders verhalte, ob ich im Laden, zu Hause auf dem Sofa per Laptop oder mit meinem Smartphone von unterwegs einkaufe – um nur ein Beispiel zu nennen.

Wir nennen dies ‚occasion-based need-states’ und Unternehmen tun gut daran, diese besser zu verstehen, als jeder Ihrer Wettbewerber.

Welche Rolle spielen Kundenerfahrungen für das moderne Marketing?

Kundenerfahrungen sind das neue Marketing! In einer Welt, in der die Erfahrungen anderer Kunden für meine eigene Kauf- oder Konsumentscheidung wichtiger sind als die große Werbekampagne, die mir den Himmel auf Erden verspricht, wird das Kundenerlebnis zum entscheidenden Faktor für die erfolgreiche Vermarktung von Marken und Unternehmen.

Sind Erwartungen starr, oder ändern sich Kundenbedürfnisse durch bestimmte Ereignisse?

Natürlich haben positive oder negative Ereignisse einen Einfluss. Größer sind allerdings die Auswirkungen, die durch Erlebnisse in anderen Industrien oder neue Technologien verursacht werden.

Ein Beispiel: Die Benchmark in puncto Kundenerlebnis für eine Bank ist womöglich nicht die beste Bank in diesem Bereich, sondern Starbucks, Amazon oder Google. Und genau deswegen haben Banken auch eine große Angst davor, dass sich Unternehmen wie Google irgendwann in den Bereich Finanzdienstleistungen hineinentwickeln und ihren Kunden ein besseres Kundenerlebnis bieten.

Fast 60 Prozent der in der Prophet-Umfrage befragten Kunden meinen, dass es Unternehmen nicht wichtig sei, sie als Kunden zu begeistern. Das ist ein für Marketing-Strategen desaströses Ergebnis. Wie erklären Sie es?

Der Frust resultiert ganz einfach aus dem, was Kunden Tag für Tag erleben. Viele Unternehmen betrachten ihre Kunden als gegeben – und verhalten sich entsprechend. Der Fokus liegt auf den internen Prozessen und der Optimierung von Kosten und Marge. Kundenorientierung ist da oft nur eine interne Phrase, die aber nicht in der Kultur und den Incentivierungs-Systemen verankert ist. Entsprechend wird sie auch nicht gelebt. Kunden sind nicht dumm und merken das. Entweder sie wenden sich ab, oder sie entwickeln ein Gefühl der Ohnmacht, das sie dann auf diesem Wege äußern. Das ist alles fast wie in einer schlechten Ehe.

Welche positiven Beispiele für den Umgang mit Kunden kennen Sie? Was können Unternehmen daraus lernen?

Da fallen einem natürlich sofort die üblichen Verdächtigen ein: Apple, Nike, Starbucks, aber vielleicht auch MotelOne oder Aldi. Oder auch viele kleine Boutiquen und Cafés. Was mir an dieser Stelle wichtig ist: Gibt es ein klares Marken- bzw. Leistungsversprechen und wird dieses dann konsistent über alle Kontaktpunkte umgesetzt? Und zwar von der Kommunikation und Interaktion, über den Kauf im Laden oder Online, bis hin zur Nutzung der Produkte und dem Service. Das ist die hohe Kunst, die Vertrauen und nachhaltige Zufriedenheit schafft, die dann wiederum zu Loyalität führt. Wenn mich ein Unternehmen oder eine Marke immer wieder begeistert und positiv überrascht, werde ich eine emotionale Bindung aufbauen und niemals ein Wettbewerbsprodukt in Betracht ziehen.

Welche Chancen bieten Internet und Mobile für den personalisierten Kontakt zu Kunden?

Extrem viele. Zunächst einmal ist da das Thema ‚smart mining of big data’. Traditionelle Marktforschung kann das Kundenverhalten nicht annähernd erfassen. Mit der Digitalen Transformation produzieren wir als Kunden permanent echte Verhaltensdaten, die Unternehmen entsprechend auswerten können, um unsere tatsächlichen Bedürfnisse und Verhaltensmuster zu verstehen. Das ermöglicht es Ihnen viel zielgenauere Angebote zu machen oder zusätzliche Mehrwertdienstleistungen anzubieten. Und wir Kunden fühlen uns verstanden, statt dies als Spamming mit Werbung und irrelevanter Information wahrzunehmen.

Um diese Form der personalisierten Kommunikation und Interaktion zu erreichen braucht es allerdings eine gute Kombination aus gesundem Menschenverstand, systemischer Intelligenz und den entsprechenden Rechnerkapazitäten, um der Flut der Daten einen Sinn zu geben und sie nutzbar zu machen.

Worauf sollte ein CEO beim Thema Kundenzufriedenheit besonders achten?

Kundenzufriedenheit kommt von Kundenorientierung. Nur wenn man Kundenorientierung tatsächlich ernst nimmt und immer wieder als Mantra gegenüber allen Mitarbeitern kommuniziert und vor allem vorlebt, werden diese sich auch entsprechend verhalten. Jeder Mitarbeiter merkt sofort, wenn das nur Propaganda oder Lippenbekenntnisse sind. Deswegen ist es wichtig, die Incentivierungs-Systeme ebenfalls auf das Ziel Kundenorientierung auszurichten und entsprechende Leistungskriterien (KPI’s) in die Vergütungssysteme zu implementieren. Zahlreiche Unternehmen arbeiten hier mit dem Net-Promoter-Score (NPS), dessen Basis die Weiterempfehlungsbereitschaft von Kunden ist. Die Logik dahinter ist, dass ich nur empfehle, mit was oder wem ich hochgradig zufrieden bin.

Die Optimierung des Kundenerlebnisses (Customer Experience) ist eine ganzheitliche und gemeinschaftliche Aufgabe. Dafür gilt es interdisziplinär zu denken und Silodenken zu überbrücken. Das kann nur gelingen, wenn dies von ganz oben eingefordert und auch unterstützt wird. Die größten Barrieren für ein stimmiges und konsistentes Kundenerlebnis lassen sich heute in vielen Fällen an bestehenden internen Bereichsegoismen und mangelnder Koordination festmachen. Deswegen ist Customer Experience ein klassisches CEO Thema, dass jeder wachstums- und zukunftsorientierte CEO auf seine persönliche Agenda setzen sollte, um die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit seines Unternehmens sicherzustellen.

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