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2003 | OriginalPaper | Buchkapitel

Kommunikationswissenschaft, Kulturwissenschaft: Glückliches Paar oder Mesalliance?

verfasst von : Friedrich Krotz

Erschienen in: Kulturwissenschaft als Kommunikationswissenschaft

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Welchen Beitrag kann die Kulturwissenschaft zur Kommunikationswissenschaft: leisten? Auf weiche „Gegenstandsbereiche“bezieht sich das? Und welche Perspektiven ergeben sich für eine Kulturwissenschaft als Kommunikationswissenschaft? Die Beantwortung dieser Fragen setzt eine Klärung voraus, die deutlich macht, was Kommunikations- und Kulturwissenschaften eigentlich genau sind, was sie wollen, und wie ihr Verhältnis zueinander ist — und zwar nicht nur auf der Wunschebene. Die Verständigung darüber ist das Thema dieses Beitrags, der sich in drei Thesen zusammenfassen lässt. Meine erste These besagt, dass Kultur und Kommunikation nicht voneinander getrennt werden können. Deshalb sind die Beiträge, die eine Kulturwissenschaft leisten kann, für so gut wie alle kommunikationswissenschaftlichen Fragestellungen unverzichtbar (und übrigens auch umgekehrt).Das heißt aber, und darüber informieren die folgenden beiden Thesen, leider nicht, dass es sich bei den beiden Disziplinen um ein glückliches Paar handelt. Meine zweite These geht davon aus, dass es die Kulturwissenschaft noch viel weniger gibt als die Kommunikationswissenschaft. Es scheint zudem die gemeinsame Eigenart dieser vielen verschiedenen Kulturwissenschaften zu sein, dass jede einzelne, wenn sie sich mit Kommunikation befasst, dies so tut, dass darüber mehr oder weniger sofort das Konzept Kommunikation an den Rand rückt, während stattdessen die auf die kulturellen Kontexte gerichteten Fragen als wesentlich in den Vordergrund geraten. Umgekehrt sind Fragen, die für die Kommunikationswissenschaft von Bedeutung wären, von der Kulturwissenschaft bisher nicht angegangen worden; jede Wissenschaft ist ihrer eigenen thematischen wie institutionellen Logik gefolgt. Ob die Kulturwissenschaft etwas Brauchbares zur Kommunikationswissenschaft beitragen kann, ist deshalb zweifelhaft.Meine dritte These besagt, dass die Kommunikationswissenschaft darauf derzeit aber auch nicht wartet, unter anderem deswegen, weil sie vor einem fundamentalen Neubeginn steht. Sie war bisher eine Art um etwas Marktforschung und um experimentalpsychologisch gewonnene Erkenntnisse erweiterte Zeitungswissenschaft, wenn man es bissig formulieren will. Sie hat sich ihre theoretischen Grundlagen von anderen Wissenschaften geborgt, ihre Themen wurden ihr einerseits von einer gegenüber den Medien immer besorgten Öffentlichkeit, andererseits von Anwendern wie Rundfunkveranstaltern oder Regulierungsinstanzen mit spezifischen Interessen aufgegeben, und auch ihre methodische Orientierung war und ist insgesamt viel zu eng. Unter Berücksichtigung des derzeitigen kulturellen, sozialen, ökonomischen und medialen Wandels muss sich die Kommunikationswissenschaft heute neu definieren und verorten, also neu erfinden (wie es so schön heißt). Dies muss sie aber im Hinblick auf ihre, wenn auch schüttere, Tradition und die sich ihr stellenden Fragen auf eigenständige Weise tun, ohne dass ihr erneut gesagt wird, was sie wie zu tun habe. Sonst hat sie in der Konkurrenz der Disziplinen auf Dauer keine Chance und verschwindet ebenso wie die vor einigen Jahren mit viel Getöse gestartete Informationswissenschaft: oder wird zur publizistischen Marginalie.

Metadaten
Titel
Kommunikationswissenschaft, Kulturwissenschaft: Glückliches Paar oder Mesalliance?
verfasst von
Friedrich Krotz
Copyright-Jahr
2003
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-80422-8_3