Die fakultätsübergreifende Forschungsplattform "Leonardo da Vinci-Zentrum für Bionik" fördert an der Technischen Universität München (TUM) seit nunmehr zehn Jahren die Fortentwicklung von Prinzipien, die sich in der Natur im Evolutionsprozess herausgebildet haben. Die Wissenschaftler wollen systematisch das Kreativpotenzial im "Testlabor Natur" heben und in technische Lösungen übersetzen.
Harald Luksch vom Lehrstuhl für Zoologie leitet das Zentrum: "Die Bionik findet Lösungen in Bereichen, in denen sie nicht erwartet werden", sagt er. Dieses "thinking outside of the box" werde glücklicherweise an der TUM gepflegt. 2005, damals noch an der RWTH Aachen, gab Springer-Autor Luksch in "Bionik" einen Überblick zum damaligen Stand der Neurobionik und unterstrich den besonderen Nutzen dieser Disziplin, nämlich "allgemeine Prinzipien dazu herauszuarbeiten, wie in Organismen Informationen verarbeitet werden und welche Schlussfolgerungen daraus für die technische Implementierung (in Robotik und Automatisierung) abzuleiten sind" (Seite 86).
Multi-Arm-Snake-Like-Manipulatorsystem
"Den Wert und die Herausforderungen der Bionik für die Technik zu verdeutlichen, ist mein Ziel und Auftrag", sagt Luksch heute. "Die Bionik schafft nicht schlagartig neue Produkte. Sie hat aber das Potenzial, die revolutionären Innovationen von morgen zu generieren." Am Leonardo da Vinci-Zentrum für Bionik der TUM wurden in den letzten Jahren beispielsweise ein Multi-Arm-Snake-Like-Manipulatorsystem oder eine intelligente Gebäudehülle in der Architektur entwickelt.
Bionische Optimierung in der Konstruktion kann die Performance von Bauteilen und Baugruppen verbessern. So ahmt das am TUM-Lehrstuhl für Mikrotechnik und Medizingerätetechnik entwickelte Multi-Arm-Snake-Like-Manipulator-System die Bewegung von Schlangen nach: Es folgt den natürlichen Körperbahnen schlangenartig über Mund, Kehlkopf und Speiseröhre bis in den Magen, – und an seinem Ende finden sich Mikroinstrumente für den Einsatz in der Gastroenterologie wie auch der HNO-Chirurgie.
Intelligente Gebäudehülle
Bionik-Innovationen finden sich allenthalben auch in der Architektur: In München war beispielsweise eine Tulpenblüte Vorbild für eine intelligente Gebäudehülle, deren Innen- und Außenseite unterschiedlich rasch wachsen. Auf das Konto der TUM-Professur für Technologie und Design von Hüllkonstruktionen (Architektur) geht der Prototyp eines autarken Sonnenschutzes; er verhindert, dass sich ein Gebäude aufheizt, während es diffuses Licht und energiearme Strahlung ins Innere lässt.