Der wachsende Wettbewerb im globalen Banking erfordert eine starke Kundenorientierung. Vor allem jüngere Verbraucher schätzen die von Apps gewohnten, personalisierten Services und eine transparente Kommunikation. Das gilt auch für die Nutzung von Kreditkarten.
Junge Verbraucher erwarten eine barrierefreie, digitale Kommunikation mit ihrer Bank. Das gilt auch für die Beantragung einer Kreditkarte.
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Laut dem aktuellen World Retail-Banking-Report "Attract, engage, and delight - Spin the customer centricity flywheel" des Beratungshauses Capgemini befindet sich das Kreditkartengeschäft weltweit in einer besonders dynamischen Umbruchphase. Die mit entsprechenden Angeboten verbundenen exklusiven Events, Sachprämien oder Cashback-Aktionen überzeugen fast drei Viertel der jüngeren, digitalaffinen Kunden. Doch haben sie die kleine Plastikkarte erst mal in der Tasche, stehen dieser 74 Prozent gleichgültig gegenüber oder sind mit ihr sogar unzufrieden.
Für die 21. Ausgabe des Reports befragte das Capgemini Research Institute nicht nur 200 leitende Angestellte im Retailbanking sowie 700 Marketing-Mitarbeiter von Kreditinstituten. Auch rund 8.000 Kunden im Alter von 18 bis 45 Jahren, die sich für digitale Technologien interessieren, standen Rede und Antwort. Die Befragten stammen aus Australien, Brasilien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Hongkong, den Niederlanden, Singapur, Spanien, Großbritannien und die USA.
Vor allem die rasante Ausbreitung von kontaktlosen und digitalen Zahlungsmethoden hat in der jüngsten Vergangenheit die Customer Journey in Zahlungsmittelmarkt bestimmt. Nahtlose und sofortige Konto-zu-Konto-Zahlungen haben laut der befragten Bank-Experten das Potenzial, das künftige Wachstum des Kartentransaktionsvolumens um 15 bis 25 Prozent zu verringern.
Virtuelle Kreditkarten im Aufwind
So entwickeln sich zum Beispiel virtuelle Kreditkarten zum Standard, wie Global-Finance-Expertin Julia Jansen im Gespräch mit der Zeitschrift "IT-Mittelstand" erläutert. "Physische und virtuelle Karten sind beides Arten von Zahlungskarten. Physische Karten sind die echten Plastikkarten, die wir im Geldbeutel haben. Diese Karten können sowohl für Vor-Ort- als auch für Online-Einkäufe verwendet werden", erläutert. Physische Karten können Jansen zufolge auch mit digitalen Wallets für kontaktlose Zahlungen verwendet werden. Virtuelle Karten hingegen sind digital und existieren nur online oder in einer mobilen App. "Diese Karten werden typischerweise für Online-Käufe oder telefonische Transaktionen verwendet."
"In einer Zeit, in der Bequemlichkeit und Personalisierung die Kundenerwartungen bestimmen, zeigt unsere Studie, wie schnell Kundenzufriedenheit umschlagen kann. Um erlebnishungrige, urbane Verbraucher anzusprechen, ist ein Kulturwandel erforderlich, der die Kundenbedürfnisse in jeder Phase der Kartennutzung in den Vordergrund stellt - von der Bewerbung über das Onboarding bis hin zu den Prämien", erläutert Florian Förster, Head of Financial Services bei Capgemini Invent in Deutschland. Kundencenter seien oft die erste Anlaufstelle und prägten die Wahrnehmung der Marke. "Sie sind aber nach wie vor auch die Achillesferse der Branche", so Förster.
Digital-First-Kunden nur schwer zu begeistern
Speziell die digitalaffinen, meist jüngeren Zielgruppen in aktive Nutzer zu verwandeln, gestaltet sich der Analyse zufolge als schwierig. Immerhin wickeln der Umfrage zufolge 61 Prozent der Kunden die meisten oder alle ihrer Transaktionen digital ab. Eine Filiale betreten hierzu gerade einmal noch 16 Prozent. Statt traditionellen Bankdienstleistungen suchen diese Digital-First-Verbraucher agile und vollständig digitale Services. Das bietet vor allem jungen Finanzunternehmen Raum, mit ihren Lösungen Banking-Erlebnisse durch hyperpersonalisierte Angebote, optimierte Prozesse und innovative Zahlungslösungen zu kreieren.
In der Kommunikation kommen dabei häufig Bots zum Einsatz, die bereits von 53 Prozent der Kunden für wichtige Bankdienstleistungen, darunter sofortige Kontoaktualisierungen oder den personalisierten Finanztipp, genutzt werden. So hat sich die britische Neobank Revolut den Studienautoren zufolge in Großbritannien und Europa als Schlüsselfigur etabliert, indem das Fintech "Innovation mit Zugänglichkeit kombiniert".
Fintechs koppeln persönlichen Mehrwert mit Access
Zu ihrem Angebot gehören gebündelte Tarife mit Mehrwertleistungen wie den Zugang zu Aktien-, Gold- und Krypto-Handel, Partner-Abonnements und Versicherungen. Für Reisende gibt es unter anderem Mehrwährungskarten, gebührenfreie Währungsumrechnungen und die Möglichkeit, Geld kostenlos an Automaten im Ausland abzuheben.
Rund neun von zehn Bankmanagern weltweit (88 Prozent) bewerten den Ausbau von Prämienprogrammen als die effektivste Strategie, um Kundenbindung und -zufriedenheit zu steigern. Dennoch sind aktuell nur ein gutes Viertel (26 Prozent) der Karteninhaber glücklich mit ihrer Wahl. Allen voran nennen Marketing-Experten den intensiven Wettbewerb mit neuen Banken und anderen Kartenanbietern (83 Prozent), unwirksame Botschaften und Wertversprechen (72 Prozent), unzureichende Kundenkenntnisse (66 Prozent) und ein kompliziertes Antragsverfahren (34 Prozent) als größte Hemmnisse.
Jeder zweite Kunde bricht Antragsprozess ab
Weltweit bricht fast die Hälfte (47 Prozent) der potenziellen Kunden den Antragsprozess ab, nachdem sie sich bereits für eine Karte entschieden haben. Verbraucher ärgern sich über lange Wartezeiten, eine inkonsistente Kommunikation und eine fehlende Verbindung zwischen digitalen Kanälen und Filialmitarbeitern. Ein Grund könnte darin liegen, dass erst knapp ein Drittel (29 Prozent) des Datenerfassungsprozesses beim Onboarding mithilfe von KI- oder generativer KI-Technologie (Gen AI) vollständig automatisiert wurde.
Dabei können intelligente Contact Center die Kundenbindung festigen. Sie sind häufig entscheidend für die Wahrnehmung einer Marke. Mit einer Modernisierung digitaler Kontaktzentren bewältigen Banken nicht nur deutlich mehr Kundeninteraktionen, sondern definieren auch ihren Einfluss auf Verbraucher neu, konstatiert die Studie. So wenden sich 43 Prozent der Kunden an ihren Berater, um verlorene oder gestohlene Karten zu melden. Das eröffnet die Möglichkeit, ihre Daten zu nutzen, um Bedürfnisse vorauszusehen und diese rechtzeitig mit relevanten Inhalten anzusprechen. Wird eine Transaktion beanstandet, kann eine KI-gestützte Stimmungsanalyse den Tonfall und die Absicht interpretieren, um Unzufriedenheit proaktiv zu erkennen und sensibel maßgeschneiderte Lösungen anzubieten.