Es zeichnet sich ab, dass Krisen unser Wirtschaftsleben verstärkt beeinflussen werden. Klassische Managementmethoden haben dem wenig entgegenzusetzen. Agil aufgestellte Organisationen können Veränderungen besser antizipieren.
Für ein krisengeschütteltes, dynamisches Umfeld mit vielen Kundenanforderungen sind hierarchische Organisationen nicht geschaffen, da es in der Regel zu lange dauert, bis Entscheidungen ihren Weg durch die Instanzen gefunden haben. Sie sind zu langsam, um angemessen reagieren zu können.
Sind Mitarbeitende hingen dazu in der Lage, Aufgaben selbstständig zu erledigen und Dinge schnell zu entscheiden, erhöht das die Resilienz. Schließlich kennen sie die Bedürfnisse der Kunden am besten. Aufgabe des Managers als Leader wäre es dann zu unterstützen. Er gibt Richtung und Ziel vor und schafft ideale Rahmenbedingungen für die tägliche Arbeit. Ihn treibt die Frage um, wie er den Mitarbeitenden am besten helfen kann.
Methodentanz ist Cargo Cult
In volatilen Zeiten steigert Agilität die Resilienz. Sie kann nicht nur gut mit Veränderungen umgehen, sondern nutzt diese sogar als Antrieb. Zwar ist von Agilität viel die Rede. In vielen Fällen wird sie allerdings nicht gelebt. Sie kann nicht isoliert als Methode eingeführt werden, sondern entfaltet ihr Potenzial nur, wenn sich die gesamte Unternehmenskultur weiterentwickelt. Erst dann ist der Boden für eine Transformation geebnet, sodass sie gelingen kann. Andernfalls verfallen Unternehmen dem Cargo Cult. Dieser hat schon den Bewohnern melanesischer Inseln nicht geholfen, aus deren Verhalten der Begriff abgeleitet ist.
Außen Chief Product Owner – innen Abteilungsleiter
Während des Zweiten Weltkriegs wurden die amerikanischen Soldaten vor den Augen der Insulaner per Flugzeug mit Frachtgut wie Waffen, Nahrung und Kleidung versorgt. Als nach dem Krieg kein Cargo mehr geliefert wurde, imitierten die Inselbewohner alles, was ihrer Beobachtung nach mit den Lieferungen zusammenhing: Selbstgebaute Flugzeugmodelle und Kopfhörer aus Holz sollten die begehrten Güter herbeizaubern.
Ebenso wenig wie die ihres praktischen Sinns enthobenen, zum Kult erhöhten Gegenstände dazu beitrugen, dass die Inselbewohner ihren Hunger stillen konnten, verbessert das reine Label Agilität die Handlungsfähigkeit von Unternehmen. Es bleibt dann bei einer rein äußerlichen Übernahme agiler Methoden, die die Organisation auf magische Weise verändern soll: Der Abteilungsleiter heißt nun zwar Chief Product Owner, ändert aber sein Verhalten nicht. Scheitern ist also vorprogrammiert.
Best Practices aus der Industrie
Dabei ist es möglich, selbst alteingesessene Unternehmen, etwa aus dem Metallbau, zu transformieren. Folgende Vorgehensweise hat sich bewährt: Die Projektverantwortlichen - das kann eine externe Beratung oder entsprechend qualifizierte Mitarbeitende sein - bilden interdisziplinäre Teams, die aus Mitarbeitenden von vor- und nachgelagerten Einheiten bestehen. So ist sichergestellt, dass die verschiedenen Einheiten miteinander sprechen und in Kontakt bleiben. Es entsteht gemeinsames Wissen über Mängel, aber auch über spezielle Anforderungen in einzelnen Bereichen. Das erleichtert die Arbeit. Abläufe werden gestrafft, ohne dass Missverständnisse zwischen den Abteilungen entstehen.
Eigenständigkeit fördert Teamspirit
Ganzheitlich implementiert, fördert Agilität die Eigenständigkeit der Mitarbeitenden. Sie können ihre eigenen Ideen einbringen und sind hochmotiviert, weil sie nicht mehr für jeden Schritt um Erlaubnis bitten müssen. In einem konkreten Fall aus der Beratungspraxis machten sie Vorschläge, wie die Infrastruktur ohne große Kosten verbessert werden könnte. Sie neigten stärker dazu, selbst die Initiative zu ergreifen, und gingen von sich aus zu Kunden, um Probleme zu analysieren.
Die Mitarbeitenden wurden zu Teams zusammengefasst. Jedes Team war als Ganzes für das Ergebnis verantwortlich. Ein Team als Einheit erreicht das Ziel oder verpasst es, nicht einzelne Personen. Damit stieg auch die Bereitschaft der Teammitglieder, sich gegenseitig zu helfen. Stärkere halfen Schwächeren, weil alle das gleiche Ziel verfolgten. Termine wurden besser eingehalten und die Produktqualität stieg. Im besten Fall entsteht - wie im hier skizzierten Praxisbeispiel - eine positive Eigendynamik, die sich auf die Produktivität auswirkt.
Gut implementiert, stärkt Agilität die Resilienz. Folgende Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sie nachhaltig gelebt wird:
- Schulungen: Nicht nur der Scrum Master, sondern auch der Product Owner und das Scrum Team müssen gründlich geschult werden. Sie sollten die wesentlichen Instrumente und Ressourcen kennen und sicher mit ihnen umgehen können, um intern als Multiplikatoren zu wirken und neue Mitarbeitende mitzunehmen.
- Begleitung: Um auf Kurs zu bleiben und die verschiedenen Rollen zu reflektieren, profitieren Scrum Teams von einer dauerhaften Begleitung. Externe Berater können dabei am Anfang unterstützen. Sie sollten sich aber im Laufe der Zeit überflüssig machen und von internen Scrum-Experten abgelöst werden.
- Community-Arbeit: Für niemanden ist es gut im eigenen Saft zu schmoren - für agile Unternehmen schon gar nicht. Es hilft agilen Teams sehr, sich mit anderen Unternehmen, auch aus anderen Branchen, auszutauschen. Je größer und ausdifferenzierter die agile Community ist, desto eher kann sie ihre Problemlösungskompetenz in die gesamte Wirtschaft tragen und diese damit stärken.
- Agile Werte und Prinzipien leben: Ein Unternehmen ist agil, wenn es agile Werte und Prinzipien lebt. Nicht nur die formale Rolle des Abteilungsleiters, sondern sein gesamtes Verhalten sollte sich ändern. Das ist dann gut gelungen, wenn die Mitarbeitenden neue Freiräume erhalten und auch nutzen. Es gilt, sie zu ermächtigen, ihre Arbeit selbst zu strukturieren und Aufgaben in crossfunktionalen Teams selbstständig zu erledigen. Das färbt sich auf die gesamte Organisation ab: Die Reaktionsfähig- und -geschwindigkeit erhöht sich, was sich nicht zuletzt in Krisenzeiten auszahlt.