Das Krisenmanagement von Unternehmen war bislang darauf ausgerichtet, die Verbreitung von Covid-19 einzudämmen. Das war auch gut so. Um auch in Zukunft wirtschaftlich in der Spur zu bleiben, ist jetzt aber die gezielte Krisenprävention entscheidend.
Wohin wird Corona die wirtschaftliche Entwicklung führen? Manager stehen nun vor der Herausforderung, die richtigen Weichen zu stellen, um das Überleben ihres Unternehmens zu sichern.
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Kühlen Kopf zu bewahren, auch in der Corona-Krise, sollte in Unternehmen nun oberste Priorität haben. Denn die Pandemie hat in Deutschland noch nicht ihren Höhepunkt erreicht. Wohl aber mehren sich die warnenden Stimmen von Wirtschaftsexperten, die Deutschland in eine Rezession schlittern sehen. Bereits jetzt sorgen gestörte Lieferketten in der globalisierten Welt für Probleme.
Die Automobilindustrie trifft es aktuell besonders hart. Nach China bricht nun auch Europa als Absatzmarkt weg. Erste Werksschließungen an europäischen Produktionsstätten sprechen eine deutliche Sprache. So stehen bei BMW, Daimler, Opel und Volkswagen infolge der Corona-Ausbreitung vielerorts die Bänder still.
Wie Berechnungen des ZEW Mannheim auf Grundlage von Creditreform-Daten ergeben haben, weisen derzeit einige Branchen eine schwache Bonität auf. Vor allem die Gastronomie (16 Prozent) ist bei Unternehmen bis 50 Mitarbeitern betroffen, aber auch die Automobilzulieferer (15 Prozent) und die chemisch-pharmazeutische Industrie (14 Prozent). Bei den größeren Firmen mit mehr als 50 Mitarbeitern stehen neben der Gastronomie, das Beherbergungsgewerbe sowie Sport- und Freizeitdienstleistungen auf der Kippe und sind insolvenzgefährdet.
Nach der Krise ist vor der Krise
Gilt nun also die Devise: Die "Krise – der Anfang vom Ende?", wie Springer-Autor Christoph Niering und Christoph Hillebrand ein Buchkapitel betiteln? Wer sich in Corona-Zeiten um die Zukunft seines Unternehmens sorgt, kann jedenfalls nicht mehr als Schwarzmaler oder Pessimist bezeichnet werden, wie ein Blick auf die Definition des Begriffs zeigt. "Betriebswirtschaftlich wird der Begriff der Krise als Zustand eines Unternehmens definiert, der seine Lebensfähigkeit in Frage stellt", schreiben Rechtsanwalt Niering und Wirtschaftsprüfer Hillebrand. "Es handelt sich um einen ungewollten Prozess, in dessen Verlauf die Erfolgspotenziale, das Reinvermögen und/oder die Liquidität des Unternehmens sich so ungünstig entwickelt haben, dass seine Existenz akut bedroht ist", heißt es weiter.
Vorsorgemaßnahmen in Corona-Zeiten
Genau diese Situation gilt es zu vermeiden. Deswegen hat der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) eine Checkliste erarbeitet, was Firmen in Zeiten von Corona tun sollten, um nicht in eine Insolvenz zu rutschen. Der BDU identifiziert sechs Handlungsebenen:
- Liquidität: Unternehmen sollten ihre finanzielle Situation umfassend und aufrichtig analysieren. Idealerweise werden alle nicht notwendigen Ausgaben und Investitionen gestrichen. Mit Lieferanten sollten zudem längere Zahlungsziele verhandelt werden.
- Kundenmanagement: Am besten suchen Betriebe und Kunden jetzt gemeinsam nach gangbaren Lösungen, etwa rund um Auftragsgrößen, Liefertermine und Konditionen.
- Lieferketten: Es ist ratsam, Lieferketten zu prüfen und nach alternativen Lieferanten zu suchen, die nicht aus Asien oder anderen Krisenregionen stammen.
- Kapazitäten: Können Kapazitäten herunter gefahren werden und wenn ja welche? Ist es möglich, in der Produktion Schichten zu reduzieren?
- Mitarbeiter: Im Personalpmanagement sind situationsgerechte Lösungen gefragt: Homeoffice-Regelungen, Arbeitszeitkonten, Flexibilisierung von Arbeitszeit und schlimmstenfalls Kurzarbeit.
- Kredite: Um den Unternehmensfortbestand zu sichern, müssen gegebenfalls Sorfortkredite organisiert und die Liquiditätshilfen des Bundes in Anspruch genommen werden. Es kann sinnvoll sein, zudem mit der Hausbank über Factoring-Lösungen nachzudenken.
Interne und externe Krisenfrüherkennung
Entscheidend ist die Krisenfrüherkennung. Denn leider werden Krisensymptome vom Management in der Regel zu spät wahrgenommen, so dass Maßnahmen zur Abwendung nicht mehr getroffen werden können, warnen die Springer-Autoren Niering und Hillebrand. Sie empfehlen, schnell zu reagieren und intern wie extern eine Krisenfrüherkennung zu installieren (Seite 12 ff.).
Intern sollen Risikomanagementsysteme, welche sich aus einem internen Überwachungssystem, einem Controlling und einem Frühwarnsystem zuammensetzen, Alarmsignale rechtzeitig erkennen helfen. In der Regel handelt es sich dabei um unternehmensinterne Informationssysteme. Doch da es schwierig ist, standardisierte Software-Lösungen auf viele Unternehmen anzuwenden, sind nach Ansicht von Niering uind Hillebrand vor allem "Offenheit, ein wachsames Auge für den Markt sowie intensive Kommunikation zwischen allen unternehmerischen Bereichen" gefragt, um solch ein Frühwarnsystem mit Leben zu füllen.
Zudem dürfe Krisensensibilität nicht nur von Vorstand und Aufsichtsrat oder der Geschäftsführung erwartet werden. Letztendlich sei diese bei allen Mitarbeitern in allen Arbeitsbereichen erforderlich und müsse von einem funktionierendem internen Kommunikationsprozess flankiert werden, damit sämtliche Unternehmensbereiche immer wieder an einem Soll-Zustand gemessen werden können.
In der externen Krisenfrüherkennung gilt es, sich insbesondere "bei großen finanziellen Risiken oder starker Abhängigkeit von einem Geschäftspartner" intensiv mit dessen Umfeld auseinanderzusetzen, um keine böse Überraschung zu erleben. Niering und Hillebrand mahnen an dieser Stelle, auch wirklich auf alle Informationsquellen zurückzugreifen. Dies gelte insbesondere für Banken. Neben dem Jahresabschluss seien auch Rentabilitäts- und Liquiditätsplanungen mindestens für die nächsten 24 Monate und regelmäßige Soll-Ist-Vergleiche mit einer entsprechenden Abweichungsanalyse unabdingbar.
Bewältigungsstrategien für den Worst Case
Situationen mit Krisenpotenzial treffen jedes Unternehmen einmal. Entscheidend ist die Bewältigungsstrategie, urteilen Bernhard Tenckhoff und Silvester Siegmann über Krisenmanagement. Es reiche nicht mehr aus, sich auf finanztechnische Kennzahlen zur Früherkennung von Unternehmenskrisen zu beschränken. Auch technische Krisenprävention sei nötig. Dazu gehöre insbesondere, Worst-Case-Szenarien durchzuspielen, um damit etwa "bottle necks in der Produktion" zu ermitteln.
Um das Geschäft am Laufen zu halten, müsse Krisenvorsorge in guten Zeiten betrieben werden, um sofort nach im Schadenfall die richtigen Schritte einzuleiten sowie die richtigen Partner mit ins Boot zu nehmen.
Maßnahmen zur Bewältigung einer Krise | ||
R | Research | Krisenidentifikation und Untersuchung |
A | Action | Einleitung von Maßnahmen |
C | Communication | Kommunikation |
E | Evaluation | Bewertung und Dokumentation |
Quelle: Bernhard Tenckhoff und Silvester Siegmann, Krisenmanagement, Seite 281.
Erste Schritte zu einem Krisenmanagementsystem
Um ein einfaches Krisenmanagementsystem zu entwickeln, empfehlen Tenckhoff und Silvester Siegmann:
- Kompetenzen und Befugnisse klar abzugrenzen,
- einen Alarm- und Gefahrenabwehrplan zu erstellen.
- mit den entsprechenden Ansprechpartnern im Vorfeld Kontakt aufzunehmen
- Erreichbarkeit (aktuelle Telefonnummer, E-Mail) sicherzustellen,
- den Krisenstab zu benennen und einen Krisenführungsraum einzurichten,
- Zugangs- und Zufahrtsberechtigungen festzulegen,
- Regeln für die Krisenkommunikation zu bestimmen und den Informationsfluss sicherzustellen,
- relevante Unterlagen für den Krisenfall (Werkpläne) zusammenzustellen,
- regelmäßige Übungen mit Nachbereitung zu absolvieren.
Und auch wenn sich der Tipp auf den ersten Blick banal anhören mag, zeigt sich in der Praxis, das gerade hierbei häufig Fehler gemacht werden: "Bevor ein Krisenmanagement entwickelt oder angewendet werden kann, muss vom Unternehmen eindeutig festgelegt werden, wie das Unternehmen eine 'Krise' definiert", so Tenckhoff und Siegmann.
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