24.11.2020 | Krisenmanagement | Gastbeitrag | Online-Artikel
Präventive Sanierung soll Firmen vor der Pleite retten
Durch ein neues Gesetz erhalten Unternehmen zum Jahreswechsel die Option, sich einfacher und ohne Insolvenzverfahren finanziell zu restrukturieren. Für einige Firmen könnte das in der Corona-Krise die letzte Rettung sein.
Durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in der Corona-Krise wurden Firmenpleiten nur verschoben. Um den Konkurs noch abzuwenden, könnte ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren beziehungsweise eine präventive Restrukturierung eine Chance sein.
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Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) setzt der deutsche Gesetzgeber die EU-Richtlinie für die Einführung eines außerinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens in nationales Recht um und zieht Konsequenzen aus der ESUG-Studie zur Reform der Insolvenzordnung. Ab dem 01.01.2021, und damit deutlich früher als erwartet, soll es Unternehmen möglich sein, sich in einer Krise schnell in einem nicht-öffentlichen Verfahren, dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRUG), finanzwirtschaftlich zu sanieren. Gleichzeitig werden die Insolvenzantragsgründe und das Recht der Eigenverwaltung in Insolvenzverfahren reformiert.
Mehr Sanierungsinstrumente durch StaRUG
Die Unternehmen erhalten mit dem StaRUG zusätzlich zu dem Regelinsolvenzverfahren und der Sanierung in Eigenverwaltung ein weiteres Sanierungsinstrument. Dessen zentraler Bestandteil ist der Restrukturierungsplan, mit dem grundsätzlich alle Verbindlichkeiten eines Unternehmens restrukturiert werden können; lediglich in Forderungen der Arbeitnehmer einschließlich solcher aus Pensionszusagen kann nicht eingegriffen werden.
Die Restrukturierung kann sich, und das ist die entscheidende Abgrenzung zu einem Insolvenzverfahren, auf einzelne Arten von Verbindlichkeiten, beispielsweise auf die Forderungen der Kreditgläubiger beschränken. Auch in Sicherheiten und sogar solche, die von Tochtergesellschaften gestellt wurden, kann eingegriffen werden. So können auch Unternehmensgruppen leichter saniert werden. Dem Mittelstand hilft die nun parallel mögliche Entschuldung der persönlich haftenden Gesellschafter.
Mehrheit der Gläubiger für Restrukturierungsplan
Erforderlich ist jedoch stets, dass 75 Prozent der betroffenen Gläubiger dem Restrukturierungsplan zustimmen. Sind verschiedene Arten von Gläubigern betroffen, zum Beispiel gesicherte und ungesicherte, sind für diese Gruppen zu bilden, und es ist grundsätzlich die Dreiviertelmehrheit in jeder Gruppe erforderlich. Nicht zustimmende Gläubigergruppen können jedoch unter gewissen Umständen überstimmt werden (Cross Class Cram-Down). Werden die erforderlichen Mehrheiten erreicht, sind auch die Gläubiger, gebunden, die dem Plan nicht zugestimmt haben.
Vorzeitige Vertragsbeendigung mindert Schadensersatz
Ferner können Unternehmen bei Gericht beantragen, bestehende Verträge zu beenden. Bedingung ist, dass die Beendigung relevant für die Sanierung ist und der Vertragspartner sich dem Sanierungsversuch verweigert hat. Treffen beide Punkte zu, kann das Vertragsverhältnis vom Gericht beendet und können die aus der vorzeitigen Beendigung resultierende Schadensersatzforderung des Vertragspartners im Restrukturierungsplan lediglich mit einer Quote bedacht werden.
Stabilisierungsanordnungen beim Gericht anzeigen
Um einen Restrukturierungsplan durchsetzen zu können, kann ein Unternehmen, das zwar drohend aber noch nicht akut zahlungsunfähig und auch nicht überschuldet ist, eine Vollstreckungs- und Verwertungssperre beantragen, die sogenannten Stabilisierungsanordnungen. Hierzu muss das Unternehmen sein Restrukturierungsvorhaben samt Restrukturierungsplan beim zuständigen Gericht anzeigen und den Gläubigern eine realistische Sanierungsperspektive bieten.
Präventiver Restrukturierungsrahmen vs. Insolvenzverfahren
Mit der Eigenverwaltung und dem Insolvenzplan stand Unternehmen zwar bereits eine Plan-Sanierungsmöglichkeit zur Verfügung. Allerdings ist auch die Eigenverwaltung ein Insolvenzverfahren, das mit vielen unerwünschten Nebeneffekten verbunden ist. Mit dem präventiven Restrukturierungsrahmen ist für eine finanzwirtschaftliche Sanierung ein Insolvenzantrag nun nicht mehr zwingend erforderlich.
Die Abgrenzung zum Insolvenzverfahren wird zeitlich geregelt: Ausgenommen vom Restrukturierungsplan sind Unternehmen, die bereits zahlungsunfähig sind oder dies in den nächsten zwölf Monaten zu werden drohen. Diesen bleibt nur das Insolvenzverfahren, gegebenenfalls in Eigenverwaltung. Droht die Zahlungsunfähigkeit aber erst nach mehr als zwölf Monaten, kann das neue Verfahren genutzt werden.
Drohende Insolvenzen durch Covid-19-Pandemie
Der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen richtet sich gerade auch an jene Unternehmen, die finanziell von den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie betroffen sind. Die zeitweise Aussetzung der Insolvenzantragspflicht – für überschuldete Unternehmen ist sie sogar noch bis Ende dieses Jahres ausgesetzt – hat zwar für einen gewissen Puffer gesorgt – jedoch auch nur zeitlich begrenzt. Zudem ist die Verschuldung in einer Reihe von Fällen durch die Corona-Finanzhilfen stark gestiegen. Mit dem präventiven Restrukturierungsrahmen können Unternehmen unter Umständen eine drohende Insolvenz vermeiden.
Geschäftsführer noch mehr in der Pflicht
Der Gesetzentwurf bringt den Unternehmen aber nicht nur mehr Rechte, sondern erhöht auch die Pflichten der Geschäftsleitung. So stehen künftig nicht erst bei eingetretener, sondern bereits bei einer drohenden Zahlungsunfähigkeit die Interessen der Gläubiger an erster Stelle. Diese werden durch eine unmittelbare Haftung der Geschäftsleiter gegenüber den Gläubigern verstärkt.
Damit stehen Geschäftsleiter weitaus stärker als bislang zwischen ihren Verpflichtungen gegenüber den Anteilsinhabern und den Gläubigern. Der Bedarf an Sanierungskompetenz für die Geschäftsleiter dürfte daher weiter zunehmen.