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08.05.2025 | Kryptowährungen | Schwerpunkt | Online-Artikel

Kryptoplattformen agieren wie Schattenbanken

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5:30 Min. Lesedauer

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Zentralisierte Kryptoplattformen schaffen Kreditbeziehungen und Liquidität in regulatorischen Grauzonen, wie eine aktuelle Studie belegt. Neben der politischen Auseinandersetzung mit der Thematik fordert diese vor allem einen besseren gesetzlichen Rahmen.

Das globale Netz hinter den Kryptowährungen agiert wie eine Schattenbank. Die digitalen Coins fungieren zunehmend wie Geld, weil zentralisierte Plattformen Kreditbeziehungen schaffen, Liquidität bereitstellen und Konvertibilität mit staatlichem Geld ermöglichen. Zu diesem Ergebnis kommen die beiden Politikwissenschaftler Christopher Olk und Louis Miebs von der Freien Universität Berlin in ihrer im April vorgelegten Untersuchung. Dort analysieren die beiden Studienautoren den grundlegenden Wandel des globalen Kryptowährungssystems, das ursprünglich als Alternative zum Banken- und Staatsgeld gedacht war. 

Ihrer Studie liegt eine historische Konzeptanalyse zur Entstehung der neuen Strukturen zugrunde. Dabei nutzen die beiden Forscher schematische Bilanzen, um die Kredittransformation im Kryptosektor nachzuzeichnen. Die Analyse konzentriert sich auf Kryptowährungen im engeren Sinn und grenzt diese von anderen Krypto-Assets wie NFTs oder Utility Tokens ab.

Viel Kritik im Verlauf der Kryptokrise

Nachdem die Kryptowelt im Jahr 2022 mit dem Zusammenbruch des Terra-Luna-Stablecoin-Projekts und der Krypto-Börse FTX ihren Tiefpunkt erlebte, der zu zahlreichen Insolvenzen weiterer Plattformen führte und den Bitcoin-Kurs massiv einbrechen ließ, kritisierten Gegner wie Befürworter der auf der Blockchain basierenden Technologie vor allem die Gier und das Missmanagement der Akteure.

Die Krise entlarvte die enorme Volatilität und Instabilität des Marktes und rief daher die Regulierungsbehörden auf den Plan. Mit der Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCAR) schuf die Europäische Union (EU) eine Verordnung, die Kryptowerte und verwandten Dienstleistungen in der EU einen harmonisierten Rechtsrahmen gibt und Regelungen gegen Marktmissbrauch, Insiderhandel und Marktmanipulation enthält. Deren Ziel ist es, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen, Anleger zu schützen und die Finanzstabilität zu gewährleisten. Damit fördert die Verordnung zugleich die Akzeptanz der Cyber-Assets. 

Starkes Comeback trotz hoher Risiken

Kaum zwei Jahre nach der Krise erlebte der Kryptomarkt ein beeindruckendes Comeback und bietet mittlerweile vielfältige Investmentmöglichkeiten. Nicht zuletzt die Unterstützung durch den US-Präsidenten Donald Trump, der die Nutzung von Bitcoin durch die US-Notenbank Federal Reserve fordert und mit einem eigenen Meme-Coin bereits ein Kryptowährungsprojekt an den Start gebracht hat, verleihen Cyber-Werten zusätzlich Auftrieb und verpassen ihnen ein offizielles Image. 

Dennoch bleibt das Verlustrisiko weiterhin hoch - wie der Blick auf die Wertentwicklung von Bitcoin belegt: "Innerhalb von vier Jahren kletterte die Kryptowährung von 6.200 US-Dollar auf über 106.000 US-Dollar im Dezember 2024 - ein Plus um das Siebzehnfache", informiert die S-Communication, zentraler Kommunikationsdienstleister der Sparkassen-Gruppe. "Doch die Euphorie hielt nicht lange. Innerhalb von vier Wochen fiel der Bitcoin-Kurs um 20 Prozent auf rund 84.000 US-Dollar. Noch Ende Januar 2025 lag er bei über 105.000 US-Dollar", schreiben die Experten. Der Kryptowährungs- und Investmentexperte Sebastian Warnke warnte bereits im Juli 2024 im "Bankmagazin" vor einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals und riet Anlegern zu großer Vorsicht.

Stablecoins fungieren als Schattengeld

Olk und Miebs zufolge sind es vor allem die an nationale Währungen gekoppelten Stablecoins, die als Schattengeld fungieren. "Sie bieten eine scheinbare Preisstabilität und ermöglichen die Konvertierung in staatliche Währungen, ohne selbst staatlich abgesichert zu sein. Damit übernehmen sie zentrale Funktionen des Finanzsystems - jedoch in regulatorischen Grauzonen", argumentieren die beiden Berliner Wissenschaftler. Entgegen der ursprünglichen Idee werde die Krypto-Sphäre heute von Schattenbanken dominiert "und ist ein fester Bestandteil des konventionellen Geldsystems geworden", berichtet Olk.

Zur Erklärung dieser Entwicklung stützen sich die Autoren auf die Kredittheorie des Geldes, die Credit Theory of Money (CTM). Kryptowährungen sollten ursprünglich ohne Kreditbeziehungen auskommen. Zentralisierte Börsen wie FTX agierten den Studienautoren zufolge ähnlich wie Banken, jedoch ohne Lizenz oder Aufsicht. Deren Bilanzen waren oft hochriskant und machten sie anfällig für klassische Bank Runs. So kam es infolge der Kryptokrise 2022 zu einem Vertrauensverlust mit Verlusten in Milliardenhöhe. Doch zentrale Börsen (CEX) und Stablecoin-Emittenten verwandelten Kryptowährungen in kreditbasierte Instrumente und schufen so ein Konstrukt, das dem klassischen Finanzsystem ähnelt.

Niedrige Renditen forcieren häufig neue Kreditprodukte

"Wir kennen diese Entwicklung aus 500 Jahren Kapitalismus gut", erklärt Olk: "In Zeiten niedriger Renditen entwickeln private Akteure gerne neue Kreditprodukte, die wie Geld funktionieren sollen, aber nicht wie Geld reguliert sind. Wenn die Blase irgendwann platzt, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der Staat rettet die neuen Geldformen und reguliert sie anschließend - wie etwa nach 2008 - oder sie verschwinden eben wieder."

Dass sich Cyber-Währungen dank politischer Akteure wie etwa Donald Trump zu neuen Höhen aufgeschwungen haben, sei ein Zeichen, "dass die Integration in das staatlich gestützte Finanzsystem weiter voranschreitet". Für Olk und Miebs steht fest, dass es "eine klare politische Auseinandersetzung" mit dieser Entwicklung geben muss. "Die Krypto-Sphäre steht heute an einem Wendepunkt", resümiert Miebs. "Entweder wird sie, wie zurzeit in der EU, stärker reguliert und erhält damit eine neue Legitimität oder sie bleibt eine systemische Risikozone, deren nächste Krise nur eine Frage der Zeit ist."

Aufsicht arbeitet an Richtlinien und Standards

Aktuell arbeitet die europäische Aufsichtsbehörde EBA an verbindlichen Leitlinien zu Kryptorrisiken, die Vorgaben zur Risikobewertung und -dokumentation entsprechender Engagements in Bankbilanzen enthalten. Ein umfassender Entwurf wird für Mitte 2025 erwartet. Einen RTS-Vorschlag für die technische Regulierung hat die EBA bereits im Januar 2025 vorgelegt. Die Konsultationsphase endete Anfang April. 

Bereits die Entwürfe verdeutlichen, wie eng technische, rechtliche und aufsichtsrechtliche Aspekte bei der Behandlung von Krypto-Assets miteinander verzahnt sind. Eine ganzheitliche Herangehensweise, die alle relevanten Bereiche von Governance, Risk und Compliance bis hin zu IT und rechtlichen Aspekten einbezieht, ist unverzichtbar, um die aufkommenden Herausforderungen zu bewältigen und gleichzeitig Chancen zu nutzen", erläutern hier die Experten des Beratungshauses Pwc. 

Auch die Basel-Standards erfahren eine Verschärfung im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für sogenannte crypto-like exposures, als den mit Kryptowerten verbundenen Risiken. Der Basel-Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) hat im Dezember 2022 einen Standard für Krypto-Assets veröffentlicht und diesen im Sommer 2024 überarbeitet. Die Implementierungsfrist soll voraussichtlich ab dem 1. Januar 2026 gelten. 

Zudem befindet sich das Digital Finance Package der EU-Kommission in einem fortgeschrittenen Stadium. Es umfasst die Strategie für das digitale Finanzwesen in den kommenden fünf Jahren und enthält Legislativvorschläge zur digitalen Betriebsstabilität, zu Kryptomärkten und ein Pilotprogramm für auf Distributed-Ledger-Technologie basierenden Marktinfrastrukturen. 

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