Skip to main content

09.12.2024 | Künstliche Intelligenz | Gastbeitrag | Online-Artikel

Wie generative KI die Autoindustrie modernisiert

verfasst von: Christine Welsch

4:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Legacy-Systeme zu modernisieren, ist eine zentrale Herausforderung für OEMs. Generative KI kann eine entscheidende Rolle dabei spielen, den Prozess zu beschleunigen und die Teams effizienter zu machen. 

Der Automarkt wandelt sich zunehmend schnell. Gerade etablierte Autohersteller müssen daher ihre digitale Infrastruktur modernisieren, um ihre Wettbewerbsposition zu sichern. Viele Legacy-Systeme in der Automobilindustrie sind essenziell für den Geschäftsbetrieb, so etwa ERP-, PLM-, oder CRM-Lösungen oder auch Händlerverwaltungssysteme und Telematikplattformen. Doch das sind häufig ältere Systeme, die möglicherweise auf Mainframe-Anwendungen laufen und in einer überholten Programmiersprache wie COBOL geschrieben sind. Das verhindert eine schnelle Umstellung auf modernere Systeme.

Dieses vielschichtige Problem zu lösen, erfordert Veränderungen auf vielen Ebenen. Um die Komplexität und die damit verbundenen Kosten der Legacy-Modernisierung für Automobilhersteller zu reduzieren, bietet sich ein vielleicht überraschendes Werkzeug an: generative KI (GenAI). 

Empfehlung der Redaktion

01.12.2024 | Im Fokus

Generative KI in der Automobilentwicklung

Künstliche Intelligenz (KI) hat sich in zahlreichen Branchen zu einem sehr effektiven Werkzeug entwickelt. Eine vergleichsweise junge Ausprägung ist generative KI, die eine neue Entwicklungsstufe darstellt. Sie soll sich nicht nur zur schnellen Datenverarbeitung und der Kontrolle von Prozessen und Bauteilen eignen, sondern darüber hinaus kreative Aufgaben übernehmen können. Auch in der Automobilentwicklung hat sich der Einsatz bereits bewährt und weitet sich auf immer neue Bereiche aus.

Modernisierung der Systeme vereinfachen und beschleunigen

Viele Unternehmen und Führungskräfte sehen in GenAI in erster Linie ein Mittel, um Texte zu entwickeln, kreative Impulse zu erhalten oder Informationen zu finden. Dabei kann der Einsatz von KI besonders effektiv dabei helfen, Legacy-Systeme besser zu verstehen.
 
Eine der größten Herausforderungen bei einer Modernisierung besteht darin, herauszufinden, wie ein Legacy-System aufgebaut ist – und wie stark unterschiedliche Bereiche miteinander verknüpft, voneinander abhängig oder ineinander verwoben sind. Die Systeme haben sich in den Jahren und Jahrzehnten weiterentwickelt, doch die Dokumentation ist häufig sehr lückenhaft und nur noch wenige Mitarbeiter finden sich darin zurecht. Diese Hürde ist oft bereits so hoch, dass sie die zuständigen Teams davon abhält, überhaupt mit einer Modernisierung zu beginnen.
 
Bei dieser Aufgabe kann GenAI derweil in vielerlei Hinsicht helfen, etwa bei der Analyse, Dokumentation und Visualisierung von Legacy-Systemen und -Anwendungen. Man kann zwar den Prozess nicht einfach automatisieren, doch generative KI ist in der Lage, Daten in großem Umfang zu verarbeiten und eine vorhandene Codebasis in ein Format zu "übersetzen", das Software-Ingenieure, -Architekten und Analysten leichter interpretieren können. Die manuell praktisch unmögliche Aufgabe, riesige Datenmengen im Kontext des Codes zu interpretieren und zu dokumentieren, lässt sich so mit überschaubarem Aufwand lösen.

Umsetzung in der Praxis

Thoughtworks hat diese Methode bereits in der Praxis eingesetzt. Mittels GenAI konnte ein großer europäischer OEM die Zeit für das Reverse Engineering seiner bestehenden Codebasis – etwa 15 Millionen Codezeilen – um ein Drittel verkürzen. Die GenAI konnte die Codebasis in ein Format übersetzen, das Fachleute verstehen und nachvollziehen konnten. Das ermöglichte einen deutlich schnelleren Fortschritt beim Aufsetzen der neuen Architektur. Sie kombiniert Large Language Models (LLMs) mit einem Wissensgraphen, der aus dem Code abgeleitet wird, um sowohl detaillierte Anforderungen als auch ein umfassendes Verständnis des Systems zu gewinnen. Im Ergebnis ist es möglich, komplexe Abhängigkeiten, wichtige Funktionen und problematische Bereiche klar zu identifizieren. Potenzielle Ansatzpunkte für Refactorings, das Aufteilen von Monolithen in Microservices oder die Migration zu moderneren Architekturen werden sichtbar gemacht. 
 
Die beschleunigte Modernisierung von Legacy-Systemen ist enorm wichtig – doch der volle Effekt des GenAI-Einsatzes ist noch größer. Bei dem Projekt nutzten Analysten generative KI, um das Altsystem zu verstehen. So konnte der OEM technische Ressourcen und Fachwissen für andere Herausforderungen und Aufgaben einsetzen. So hatten Teams wieder Kapazitäten dafür, neue Funktionalitäten zu entwickeln oder andere Teile des bestehenden Systems schneller zu warten.
 
Bei der Legacy-Modernisierung geht es also um viel mehr, als nur alte Software zu aktualisieren. Es geht darum, die grundlegende betriebliche Effizienz sicherzustellen. Generative KI kann einen großen Beitrag dazu leisten, dass solche Modernisierungen erfolgreiche Projekte werden.

Die Mittel zum Erfolg

Es ist wichtig, klare Erwartungen zu formulieren: GenAI automatisiert die Modernisierung von Legacy-Systemen nicht, sondern macht die damit verbundenen Herausforderungen überschaubarer und schneller zu bewältigen. Wichtig ist dabei ein bedachter, umsichtiger Einsatz der Technologie.
 
Das heißt erstens, generative KI mit bewährten Planungspraktiken zu kombinieren, denn der Einsatz von GenAI ist kein Selbstzweck. Es ist wichtig, im Vorfeld zu überlegen, was man wann modernisieren möchte. Welche Bereiche sind essenziell und welche Abhängigkeiten bestehen? Was erleichtert durch eine Modernisierung die Arbeit an anderer Stelle? Was könnte schnell einen Mehrwert bringen?
 
Es ist auch wichtig zu überlegen, wie die vorhandenen Daten strukturiert sind. Dies kann zwar mehr Vorarbeit und Organisation bedeuten, doch wenn die Bestandssysteme entsprechend sauber vorbereitet sind, wird auch der Einsatz von GenAI einen höheren Erfolg erzielen.

Wachstumschancen erschließen 

OEMs stehen vor Herausforderungen an mehreren Fronten – und Legacy-Systeme zu modernisieren mag auf den ersten Blick nach einem nebensächlichen Anliegen aussehen, doch die steigenden Anforderungen zeigen eindeutig, dass dieser Schritt heute geschäftskritisch ist. 

Ein weiterer Anwendungsbereich dieses Ansatzes ergibt sich im Umfeld der Transformation zu Software-Defined Vehicles (SDV). GenAI lässt sich auch dazu nutzen, um die Dokumentation, Analyse und Weiterentwicklung von In-Car-Software zu optimieren. Die GenAI-Werkzeuge und -Verfahren haben sich in den letzten zwei Jahren deutlich weiterentwickelt, sodass deren Nutzung heute auf bewährten Grundlagen steht. 
 
Mit den richtigen Partnerschaften und der richtigen Unterstützung haben die Akteure der Automobilindustrie die Möglichkeit, die Risiken der Modernisierung zu überwinden und sicherzustellen, dass sie gut gerüstet sind, um auf die Anforderungen der Verbraucher und der Industrie im kommenden Jahrzehnt zu reagieren.

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren