Inwieweit Künstliche Intelligenz das Fundament für eine zukunftssichere Geschäftsstrategie in der Reisebranche bildet, erläutert Chief Technology Officer Carsten Bernhard im Interview.
Carsten Bernhard ist seit September 2016 Chief Technology Officer (CTO) bei Edreams Odigeo. Nach einem Diplom in "Business Administration" (EBS Universität) und einem Bachelor in "Computer Science" (James Madison University, USA) widmete er seine Karriere der Software-Entwicklung, dem Technologie- und IT-Management. 2011 wurde er als Chief Information Officer (CIO) des Jahres ausgezeichnet.
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springerprofessional.de: Herr Bernhard, inwieweit haben Inflation und geopolitische Unsicherheiten zuletzt die (Geschäfts-)Reisebranche beeinflusst?
Carsten Bernhard: In den letzten vier Jahrzehnten ist die Reisebranche trotz diverser Konflikte und wirtschaftlichen Herausforderungen stetig gewachsen und wird im Jahr 2024 ein Marktvolumen von 1,5 Billionen Euro erreichen. In dieser Zeit übertrafen die Passagierzahlen durchweg das weltweite BIP-Wachstum, selbst in Zeiten von Rezessionen und wirtschaftlicher oder geopolitischer Unsicherheit. Dies zeigt deutlich die anhaltende Bedeutung des Reisens. Dies wird durch Studien bestätigt, die zeigen, dass das Reisen in den Haushaltsbudgets nach wie vor oberste Priorität hat, wobei die Verbraucher zunächst andere Ausgaben kürzen, bevor sie ihre Reiseausgaben reduzieren. Doch angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten kommen andere Prioritäten ins Spiel. Reisende legen etwa mehr Wert auf Qualität, Flexibilität und individuelle Erlebnisse. Dies hat zu einer Konzentration auf kostenoptimierte Lösungen wie dynamische Preisgestaltung und abonnementbasierte Modelle geführt.
Welche Technologien helfen der Reisebranche, flexibel auf globale Krisen, Marktveränderungen oder Kundenbedürfnisse zu reagieren? Und welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI) dabei?
Künstliche Intelligenz bildet das Fundament für eine zukunftssichere Geschäftsstrategie in der Reisebranche. Sie hat das Buchungserlebnis von einer rein transaktionalen zu einer intelligenten, adaptiven und personalisierten Dienstleistung transformiert. In Verbindung mit Big Data ermöglicht KI die Analyse enormer Datenmengen in Echtzeit, um Marktveränderungen frühzeitig zu erkennen und gezielt darauf zu reagieren. Doch KI geht über die Personalisierung hinaus: Sie optimiert auch die Ressourcenzuteilung, sodass Business-Strategien, Bestandsmanagement und Marketing-Maßnahmen möglichst effizient gestaltet werden können. Wer diese Technologien richtig einzusetzen weiß, macht sein Unternehmen fit für die Zukunft.
Wo liegen derzeit noch die Grenzen von KI?
Künstliche Intelligenz wird die menschliche Kreativität, den Ideenreichtum und die Tatkraft im Arbeitsumfeld nicht ersetzen. Auch wenn KI bestimmte Aufgaben unterstützt, wird der Mensch weiterhin die Kontrolle behalten – er bleibt die treibende Kraft und der Schlüssel zum Erfolg. Anstatt künstliche Gegensätze zu schaffen, sollten wir unsere Mitarbeiter aktiv in diesen Wandel einbinden, ihre Neugier wecken und sie mitnehmen, wenn wir gemeinsam vorankommen wollen. Um das Potenzial Künstlicher Intelligenz voll auszuschöpfen, müssen wir Silodenken aufbrechen. Deshalb haben wir eine Data-Mesh-Architektur eingeführt, die eine dezentrale Skalierung ermöglicht. Unser Ziel ist es, Innovationen über kulturelle, technologische und organisatorische Grenzen hinweg voranzutreiben, sodass KI nicht nur die Effizienz steigert, sondern auch die Qualität menschlicher Entscheidungen verbessert. Wir erleben eine spannende Zeit voller neuer Möglichkeiten. Als Führungskräfte ist es unsere Aufgabe, Neugier zu fördern, unsere Teams zu stärken und entschlossen die Chancen zu nutzen, die KI bietet. Wenn wir diesen Weg konsequent weitergehen, stehen wir am Beginn einer neuen Ära der Innovation – und ich blicke voller Zuversicht in die Zukunft.