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21.08.2024 | Künstliche Intelligenz | Interview | Online-Artikel

"KI-Anwendungen bieten Vorteile für alle Unternehmen"

verfasst von: Alexander Lorber

4:30 Min. Lesedauer

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KI-Experte Dr. Claus Herbolzheimer betont im Interview, dass Unternehmen jetzt kluge Investitionen tätigen müssen, die frühzeitig Erfolge erzielen und Schulungen anbieten sollten, um das Wissen der Mitarbeiter über Künstliche Intelligenz zu fördern.

springerprofessional.de: Herr Dr. Herbolzheimer, welchen Stellenwert haben die Themen "Künstliche Intelligenz (KI)" und "Big Data" für deutsche Arbeitnehmer?

Dr. Claus Herbolzheimer: KI und Big Data spielen für deutsche Arbeitnehmer eine gewisse Rolle, jedoch wird ihnen in anderen Ländern mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Eine Umfrage des Oliver Wyman Forums, unserem Think Tank, ergab, dass 71 Prozent der deutschen Beschäftigten bereits KI am Arbeitsplatz genutzt haben, während der Durchschnitt in den großen Volkswirtschaften bei 80 Prozent liegt. Auch abseits der Arbeit greifen die deutschen Befragten seltener auf KI zurück. Hierzu könnte ein gewisses Selbstbewusstsein beitragen: Nur jeder dritte Deutsche hat Bedenken, seinen Job durch eine KI-basierte Automatisierung zu verlieren. In Europa gilt dies für 47 Prozent und weltweit für 60 Prozent der Befragten. Dies dürfte auch daran liegen, dass Deutschland ein hoch industrialisiertes Land und Automatisierung bereits weit verbreitet ist. Ein Risiko der Gelassenheit ist die geringe Bereitschaft, sich über KI zu informieren: Nur 29 Prozent sind hierzulande interessiert, ihr Wissen zu erweitern, während es weltweit 45 Prozent sind.

Inwieweit werden die Auswirkungen durch KI auf die Arbeitswelt von vielen Arbeitnehmern (und Unternehmen) noch unterschätzt?

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das der Fall ist: 16 Prozent der Deutschen eignen sich Fähigkeiten an, um für die KI-Disruption gewappnet zu sein und nur fünf Prozent sehen sich nach neuen Jobs um – weltweit sind es hingegen 30 beziehungsweise 14 Prozent. Auch Unternehmen blicken mittlerweile anders auf generative KI. Vielen ist klar geworden, dass Produktivität und Innovation nicht so rasch steigen, wie ursprünglich erhofft. ChatGPT wurde vor weniger als zwei Jahren veröffentlicht, und es braucht Zeit, um die Technologie an Arbeitsabläufe und Belegschaften anzupassen. Trotzdem sollten Unternehmen rechtzeitig die richtigen Kompetenzen und Anwendungen aufbauen. Diese klassische, technologieimmanente Herausforderung hat Bill Gates treffend formuliert: Demnach überschätzen wir die in den nächsten zwei Jahren auftretenden Veränderungen und unterschätzen, was in den nächsten zehn Jahren passieren wird. Unternehmenslenker sollten sich an die Unternehmen erinnern, die vor 25 bis 30 Jahren die Folgen des Internets heruntergespielt haben.

Sind KI-Anwendungen nur für große Unternehmen oder auch für kleine und mittelständische Unternehmen interessant?

KI-Anwendungen bieten Vorteile für alle Unternehmen. Bis dato nutzen aber hauptsächlich große und kleine Unternehmen die Technologie aktiv. Konzerne haben die finanziellen und technischen Ressourcen, um in KI zu investieren und sie unternehmensweit einzuführen. Einige setzen auf Schulungen, um jedem Mitarbeiter eine Art KI-Führerschein zu geben. Zudem besitzen sie die umfangreichsten Datensätze aus ihren Kundenbeziehungen sowie der Produkt- und Serviceentwicklung. Die Datenqualität ist dabei der entscheidende Faktor. Kleinere Unternehmen, insbesondere Start-ups, verfügen über weniger finanzielle Mittel, sind aber agiler und innovativer bei der Entscheidungsfindung. Sie können oftmals auch die benötigten Fachkräfte für sich gewinnen. Eine Studie der Initiative "Mittelstand Digital" verdeutlicht, dass es dem Mittelstand hingegen zumindest teilweise an Expertenwissen, Datensätzen und Finanzierungsmöglichkeiten mangelt. Nur ein KI-Tool zur Verfügung zu stellen, wird deshalb kaum reichen, um es gewinnbringend anzuwenden. Mittelständler müssen Wege finden, Mitarbeiter zu schulen, praktische Erfahrungen zu vermitteln und Räume zu schaffen, um mit KI zu experimentieren.

Was sind die größten Herausforderungen für Unternehmen bei der KI-Implementierung?

Es gibt drei wesentliche Herausforderungen: Erstens treffen momentan begrenzte Ressourcen auf ein wachstumsschwaches Wirtschaftsumfeld. Zugleich sind viele unsicher, wo KI eingesetzt werden soll und wie sich die Mitarbeiter mitnehmen lassen. Die deutsche Wirtschaft stagniert seit zwei Jahren und Unternehmen investieren zurückhaltend. Sie sehen zwar, dass sich mit KI neue Einnahmequellen erschließen und Betriebsabläufe optimieren lassen. Dem stehen jedoch die Kosten und Komplexität einer umfassenden Einführung gegenüber. Solchen Bedenken lässt sich begegnen, indem man auf vorhandene Fähigkeiten aufsetzt, um schnell Vorteile zu realisieren. Generative KI kann etwa den Mehrwert vorhandener klassischer KI-Systeme erhöhen, indem große Sprachmodelle eine natürliche Schnittstelle zum Menschen schaffen. KI-Chatbots verbessern die Interaktion, beispielsweise mit dem Service Center, und steigern Produktivität und Kundenzufriedenheit gleichermaßen. Die produktive Anwendung von KI trägt zugleich zur Befähigung und Motivation der Belegschaft bei. Dies ist umso bedeutsamer, da sich Unternehmen zum Teil schwertun, ihre Mitarbeiter mitzunehmen: 65 Prozent der deutschen Arbeitnehmer wünschen sich KI-Trainings, doch nur 48 Prozent erhalten diese auch. Davon wiederum beurteilen die Hälfte die Schulungen als unzureichend. 

Welche Erfahrungen machen Ihre Kunden mit dem Einsatz von KI-Tools?

Viele Kunden probieren Verschiedenes aus und machen ähnliche Erfahrungen: Oftmals zeigen sich positive Resultate, die aber geringer ausfallen, als vom Anbieter propagiert. Gerade größere Unternehmen verstehen, dass der Einsatz von (generativer) KI strategisch geplant werden und dort erfolgen muss, wo er sich am meisten auszahlt. Viel Bewegung gibt es daher dort, wo bereits positive Erfahrungen gemacht wurden. Dazu zählen etwa die Bereiche Softwareentwicklung und -testing, Erstellung und Abgleich von Lasten- und Pflichtenheften sowie die Sicherstellung von Compliance-Pflichten und Identifizierung von Supply-Chain-Risiken, wie sie beispielsweise unser KI-basiertes Tool Sentrisk vornimmt. Angesichts der zu erwartenden Kostensteigerungen für KI-Produkte drohen bei einer fehlenden Strategie Lock-in-Effekte und eine überkomplexe, unübersichtliche KI-Landschaft. Entsprechend sehen wir den zunehmenden Bedarf, KI-Strategie und -Governance strukturiert anzugehen, inklusive einer klaren Regelung zum Umgang mit Daten über Bereichsgrenzen im Unternehmen hinweg.

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