Branchenexperten sind sich einig: Marketing und Vertrieb profitieren 2024 vom strategisch geschickten Technologieeinsatz. Künstliche Intelligenz gilt dabei als wegweisend. Gleichzeitig bleiben agile menschliche Fähigkeiten im Kundenkontakt relevant. Was 2024 wichtig wird.
Im "Krisenmodus", der es nun sogar zum sogenannten Unwort des Jahres 2023 geschafft hat, haben sich Fachkräfte aus Marketing und Vertrieb mittlerweile gut eingerichtet. Entspannter wird die Lage 2024 für viele Entscheider beider Bereiche deshalb nicht. Wer jedoch mit den rasanten Entwicklungen mitgeht, anstatt gegen diese anzukämpfen, ist klar im Vorteil. Im Hinblick auf das Marketing betont Olaf Mörk, Springer-Autor und Marketingspezialist, dazu, wie sehr es künftig auf Flexibilität und Agilität ankommt.
Im Kapitel "Die Zukunft von Marketing und Vertrieb: Drei Kernbereiche sichern den Erfolg" seines Buchs "Proaktive Marketing- und Vertriebs-Impulse" schreibt Mörk auf Seite 131:
Automatisierte Prozesse ermöglichen es, sich an die neuen Umstände schnell anzupassen. Dabei ermöglichen KI-gestützte Technologien eine Echtzeit-Kundenorientierung. Relevanter und hochwirksamer situativer Content ermöglicht hier eine neue Form der Kundenansprache. So können Unternehmen ihre Kundenbindung stärken und den Umsatz nachhaltig steigern".
Zwischen alten und neuen Kanälen
Eine gezielte Content-Strategie, die auf den richtigen Automatisierungstechnologien fußt, wird auch in Zukunft demnach entscheidend zum Erfolg für Vertrieb und Marketing beitragen. Das gilt insbesondere aus dem B2B-Segment. Darüber hinaus weist Mörk auf die Auswahl zukunftsträchtiger Social-Media-Kanäle zur Kundenansprache hin. Typische B2C-Plattformen wie die Multimedia-App Instagram und der Kurzvideodienst Tiktok bahnen sich zum Beispiel immer mehr ihren Weg auch ins B2B-Marketing. Gleichzeitig sollte ein Engagement auf einst etablierten Plattformen wie beispielsweise der X, vormals Twitter, wohl überdacht sein.
Das Schweizer Online-Marketing-Unternehmen Nexoya geht in seinem Trendausblick sogar davon aus, dass auch völlig neue Online-Plattformen kommen werden und es in kürzester Zeit zu rasantem Wachstum schaffen könnten. Der Wegbereiter ist generative Künstliche Intelligenz (GenAI), die dazu imstande ist, auf Basis automatisiert generierter Daten eine neue Ära des Content-Marketing einzuläuten. Ob Texte, Bilder oder Videos: Unternehmen werden in diesem Jahr bedingt durch die rasante Durchsetzung kaum um GenAI herumkommen.
Generative KI wird immer prägender
Auch in der Werbung beziehungsweise im Performance-Marketing sorgt die aufstrebende Technologie 2024 für viel Dynamik, so die Prognose der Fachleute von Nexoya. Der Tech-Konzern Google macht es mit seiner Lösung "Performance Max" bereits vor: Hierbei werden Kampagnen mit Bildern erschaffen, die von Gen AI erstellt wurden. Die Inhalte werden sich auf diese Weise bereits in naher Zukunft zunehmend passgenauer auf Branchen, Marken und Zielgruppen abstimmen lassen – und zwar hochpersonalisiert und kontextbezogen.
Gleiches gilt für die Produktvermarktung in Online-Shops und -Marktplätzen. Bereits jetzt stellt Amazon seinen angeschlossenen Verkäufern zum Beispiel ein KI-Tool zur Verfügung, das freigestellte Produktbilder in Lifestyle-Bilder integriert. Dieser Dienst wird sich 2024 immer weiter verbreiten, so die Annahme der Google-Ads-Agentur Smarketer. Alles in allem wird Künstliche Intelligenz nicht nur die Generierung der Inhalte übernehmen, sondern auch in Echtzeit automatisiert entscheiden, welche Kommunikationskanäle angesteuert werden.
Marketingstrategie bleibt menschengemacht
Die vermeintliche Einfachheit ist verlockend, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine proaktive Überwachung von Ads-Kampagnen braucht, um ein Maximum an Performance zu erzielen. Daher wird es für Unternehmen und ihre Agenturen in Zukunft vor allem darauf ankommen, die Kosten trotz des immer höheren Grades an Automatisierung unter Kontrolle zu halten“,
meint Sarah Vögeli, Marketing-Expertin bei Smarketer. Auch wenn Marketer also gefragt sind, ihre Arbeitsbereiche mit den Fähigkeiten intelligenter Technologien abzugleichen und neu zu sortieren, bleibt die übergeordnete Marketingstrategie klar in menschlicher Hand.
Nachhaltigkeit rückt stärker ins Blickfeld
Ein zentrales Thema ist und bleibt im Zuge dessen die unternehmerische Nachhaltigkeitsstrategie, wie das Beratungsunternehmen Publicis Sapient in einer Studie betont. Konsumenten wünschen sich eindeutig, dass sich Marken verstärkt für Nachhaltigkeit einsetzen. Das Marketing ist 2024 gut beraten, eine entsprechende Strategie weiter innerhalb der Organisation kommunikativ zu verankern und an sämtliche Stakeholder heranzutragen.
Vertriebsteams werden multiagil und kundenzentriert
Mit Datenstrategien relevante, neue Kundenbeziehungen aufzubauen und zu veredeln, wird auch im Vertrieb ein zentraler Trend. Mit der Entwicklung hin zum "R-Commerce", also Relationship Commerce, müssen sich daher viele Vertriebsteams noch stärker als bisher für die neuen Herausforderungen auf der technischen wie der Beratungsseite innerhalb ihres Kundenmanagements rüsten und dafür aufstellen, etwa mithilfe neuer Technologien für Datenanalysen, die KI-gestützt sind. Joachim Stalph, Philipp Soreer und Dimitrios Haratsis betonen im Kapitel ihres Buchs "R-Commerce" fünf Grundprinzipien für die Neuausrichtung hin zum Relationship Commerce: Der Erfolg von Unternehmen werde in Zukunft davon abhängen, wie gut sie langfristige Beziehung zu Kunden aufbauen können:
- Privacy First, echte Kundenzentrierung,
- datenbasiertes Handeln,
- Moment-getriebener Dialog und
- Nachhaltigkeit (Seite 95).
Die Transformation verlange vieles – "frische Ideen, harte Arbeit, Geduld und Durchhaltevermögen. Gefordert ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Also tief Luft holen, die neuen Gegebenheiten akzeptieren, sich schnell anpassen und wie Phoenix aus der Asche als einer der "First Mover" die Chancen echter Kundenbeziehungen nutzen – für die Shareholder, für die Kund:innen und für die Mitarbeitenden", raten die Autoren.
Im Mittelpunkt steht sowohl im E-Commerce wie auch in anderen Vertriebskanälen dabei eine möglichst gute Customer Experience über alle Kanäle, die B2B- wie auch B2C-Kunden erwarten. "Nahtlose Erfahrungen auf digitalen, sozialen und physischen Kanälen gehören auch zu den wichtigen Trends im Einzelhandel", wie Philipp Rohe, Managing-Partner der Retailsolutions AG, in einem Trendausblick feststellt. "Im Jahr 2024 wird sich die Nachfrage der Verbraucher nach Omnichannel-Erlebnissen wohl noch verstärken. Hinzu kommen Themen wie die Transformation in die Cloud oder Tools zur Prozessautomatisierung im laufenden Betrieb, die auch angesichts von Fachkräftemangel an Bedeutung gewinnen", fasst er zusammen.
Kundenzentrierung und Digitalisierung wird Benchmark
Customer Centricity, also die Kundenzentrierung, rückt für den Vertrieb auf allen Vertriebswegen dabei noch stärker in den Fokus, um nachhaltige Kundenbeziehungen zu schmieden. Dabei ist ein entsprechendes Customer Experience Management gefragt. Die professionelle Digitalisierung der Kundenkontaktpunkte ist dabei ein wesentlicher Baustein, der auch im Jahr 2024 Vertriebe beschäftigen wird. Hier schlagen die Springer-Autoren Michael Nenninger und Melanie Seidel wieder den Bogen zum Datenmanagement: "Ohne Digitalisierung gibt es keine ausreichenden Daten – und ohne Daten keine echte Customer Centricity", erklären sie in ihrem "Praxisleitfaden Customer Centricity" (Seite 91).
Wichtige Aufgaben für Vertriebsorganisationen liegen 2024 überdies beispielsweise auch in der Integration von KI, vor allem im Kundenservice, sowie in
- der Erschließung neuer Kundensegmente
- der Automatisierung der Geschäftsprozesse im Vertrieb
- ganzheitlichen CX-Strategien oder
- der Nutzung neuer Kommunikationskanäle,
erklären Experten von KPS in einer Marktanalyse zu den größten Potenzialen der "Customer Experience Trends 2024" etwa mit Blick auf den Handel. Für die Studie wurden die Daten von mehr als 200 Unternehmen zu Strategie- und Technologieansätzen ausgewertet.
Eine zentrale Erkenntnis aus der Studie, die sich auch auf den B2B-Vertrieb anderer Vertriebskanäle übertragen lässt, lautet: Der gezielte Einsatz von Daten schafft 2024 den größten Mehrwert für Kundenbeziehungen des Vertriebs. Auf Basis der Kundendaten optimieren Unternehmen Kundenbindung und -loyalität, wie die nachfolgende Abbildung aus der KPS-Studie verdeutlicht.
Bedeutende Treiber für den B2B-Vertriebserfolg und die Sales Pipelines von Unternehmen sehen Marktforscher oder Beratungshäuser, etwa Dun & Bradstreet, auch in diesem Jahr in Stellschrauben wie das richtige Leadmanagement zu betreiben, um hochwertige Kundenkontakte zu generieren, die richtigen Entscheider auf der Kundenseite zu identifizieren und in der Automatisierung und Datenintegration, um Kundenpotenziale ausschöpfen zu können. Das passende Skillset der Vertriebsteams ist 2024 also auf allen Ebenen und Kanälen gefragt.