Der Ruf nach noch mehr Customer Centricity wird im Vertrieb immer lauter. Kundenzentrierter Vertrieb und Kommunikation sind zum Schlüssel für Wettbewerbsvorteile avanciert.
Kundenzentrierte Unternehmen können mit einer herausragenden Customer Experience bei ihren Kunden glänzen.
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Eine branchenübergreifende Potenzialanalyse unter 339 Entscheidern und Führungskräften verdeutlicht, dass mehr als drei Viertel der deutschen Unternehmen immer stärker auf individualisierte Produkte setzen, um ihre Umsätze zu steigern. Jedes dritte Unternehmen hat bereits mehr Umsatz durch bessere Kundenzentrierung erzielt. Zudem sehen 88 Prozent der Befragten Customer Centricity als eines ihrer wichtigsten Themen. Nur 50 Prozent der Teilnehmer aus der Analyse beurteilen aber die eigene Fokussierung als "sehr gut" oder "gut".
Nicht nur im B2C-, sondern auch im B2B-Bereich müssen Unternehmen dafür jedoch ihre Prozesse kundenorientierter gestalten und Datenbestände für passgenaue Kundenangebote besser auswerten. Bisher fehlen häufig dezidierte Datenstrategien für Kundenfokusgruppen, aber
- 37 Prozent räumen ihrem Kundenservice mehr Spielräume ein, damit sie individueller auf Kundenwünsche reagieren können,
- 28 Prozent kombinieren einzelne Leistungen mit den Angeboten anderer Unternehmen, um damit ein eigenes Plattformgeschäft aufzubauen.
Das sind Ergebnisse aus dem Managementkompass "Der individuelle Kunde 2019" von Sopra Steria Consulting und dem F.A.Z.-Institut.
Effekte von Kundenzentrierung bringen bare Münze
Die Studie belegt zudem, dass die Hälfte der befragten Unternehmen positive Auswirkungen auf die eigene Position in ihren Zielgruppen feststellt, wenn sie besonders kundenzentriert agieren, sich also auf bestimmte Marktsegmente und Kundengruppen konzentrieren. Darüber hinaus erzielen Unternehmen besonders dann höhere Umsätze, wenn Abläufe und produzierte Güter auf den Kunden hin ausgerichtet werden. Dann wirken auch Verkaufsinstrumente wie Up- und Cross Selling oder Weiterempfehlungen effektiver, die wiederum zu Mehrumsätzen führen. Das geben 30 Prozent der Betriebe aus der Studie an. Wie weit oben das Thema bei Unternehmen auf der Agenda steht, macht auch die nachfolgende Grafik aus der Analyse deutlich:
Mehr Gewinn bleibt jedoch offenbar trotz der Kundenbemühungen nicht übrig, wie die Studie belegt. Gerade einmal 15 Prozent haben durch Customer-Centricity-Maßnahmen am Ende des Monats eine Gewinnsteigerung verzeichnet. Doch "auch in klein- und mittelständischen Unternehmen führen datengetriebene Geschäftsmodelle oder Services dazu, dass die einmal überzeugte Kundschaft bleibt", erklärt CEM-Experte Elmar Stenzel von Sopra Steria Consulting. Die Kundenloyalität steigt, wenn Kundenzentrierung sich durch alle Prozesse zieht. Besonders im E-Commerce-Bereich zählen richtige Kommunikation und richtiges Timing, um die Kundenfokussierung in Umsatz ummünzen zu können.
Kundenzentrierung als kultureller Schlüsselfaktor
Dominik Große Holtforth sieht im Kapitel "Customer Centricity – Kunden im Zentrum" in der Kundenzentrierung auch einen kulturellen Schlüsselfaktor. Die hohe Transparenz im Netz durch Kundenforen, in denen Nutzer und Kunden zum Beispiel ihre Erfahrungen mit Unternehmen kommunizieren oder Leistungsprozesse des Unternehmens bewerten, schafft wiederum höhere Kundenbindung. Große Holtforth misst der Custromer Centricity daher im Unternehmenskontext und auch für den Vertrieb selbst einen hohen Stellenwert zu: "Customer Centricity kann als Strategie und Ausrichtung der Unternehmenskultur beschrieben werden, bei der der Fokus auf die Kundengruppen mit dem höchsten Ertragspotenzial gelegt wird (Fader 2012, S. 9). Aufgrund der engeren Fokussierung auf einzelne Kundengruppen kann ein höheres Maß an Kundenbindung erreicht werden als bei einer allgemeinen Kundenorientierung. Der enge Fokus auf einzelne Kundensegmente wiederum ermöglicht einem kundenzentriertem Unternehmen die Steigerung seiner Wertschöpfung", erklärt er. (Seite 38) Als zentrale Maßnahmen für gute Customer Centricty, wie sie etwa im Plattformvertrieb zum Tragen kommt, sieht der Autor
- Adressierung spezifischer Kundensegmente,
- Bereitstellung von Lösungen und/oder digitalen Plattformen für diese Segmente,
- Messung und Analyse der Nutzerreaktionen,
- Anpassung der Lösungen zur Verbesserung der Nutzer- und Kundenerfahrung.
Kommunikation im Fokus
Im Kundenbeziehungsmanagement setzen Unternehmen vor allem auf multiple Kommunikationsmaßnahmen, um so mehr Kundenorientierung auf das Kundenerlebnis hin zu erreichen, wie die Sopra Steria-Analyse offenlegt: So kommunizieren 53 Prozent etwa über soziale Netzwerke mit ihren Interessenten, 46 Prozent nutzen Kundendaten zur individuellen Ansprache, 39 Prozent greifen auf eine zentrale Kundendatenbank zurück. Springer-Autor Heinz-Jörg Reichmann sieht in der kundenzentrierten Kommunikation noch einen anderen wichtigen Hebel: Sie "hat dabei einen positiven Einfluss auf das Vertrauen und die Zufriedenheit der Kunden und führt nachweislich zu höherer Loyalität", schreibt er im Buch "Vertriebserfolg durch kundenzentrierte Kommunikation". Als Beispiel nennt er die Privatkundenbetreuung im Filialgeschäft verschiedener Sparkassen. Im Kapitel "Bedeutung kundenzentrierter Beratung" unterstreicht er, dass in dieser Branche im Vergleich zu Produktionsbetrieben in besonderem Maß neben dem Preis auch qualitative Faktoren entscheidend seien. Fragen, die sich Vertrieb und Beratung stellen sollten, und die unabhängig von Branchen bei Customer-Centricity-Ansätzen gelten, sind: "Wie hilft das Produkt, kundenspezifische Problemstellungen zu lösen, und wie erfüllt es damit die Erwartungen des Kunden?"