Customer Experience ist kein losgelöstes Projekt, sondern ein strategischer Ansatz, der die komplette Ausrichtung eines Unternehmen auf den Kunden erfordert. Karin Glattes erläutert, worauf es dabei ankommt.
Springer Professional: Was ist aus Ihrer Sicht das Erfolgsgeheimnis einer wirksamen Customer-Experience-Strategie?
Karin Glattes: Ein einziges Erfolgsrezept gibt es natürlich nicht. Eine Grundvoraussetzung aber ist, dass die Unternehmensführung zu 100 Prozent hinter dem Konzept steht. Erst dann kann sichergestellt werden, dass das Thema auch wirklich strategisch angegangen wird und zwar mit Liebe zum Detail, Investitionsbereitschaft und einem langen Atem. Ohne Klarheit auf der Entscheidungsebene entsteht verständlicherweise viel Unsicherheit an der Front und damit nicht die Wirkung, die möglich wäre.
Persönlich bin ich auch ein großer Anhänger davon, genügend Zeit in die Planung zu investieren, statt schnell und aktionistisch vorzugehen. Unternehmen sollten von Beginn das Herzstück der Customer Experience (CX) klar definieren. Dazu zählen unter anderem die Definition der CX-Identität des Unternehmens, die Vision und Mission, aber auch die Erarbeitung einer Erlebnispositionierung.
Dann wissen Mitarbeiter auch bei früher Einbindung in Maßnahmen in welchen Leitplanken mitgedacht und mitgearbeitet werden soll. Immerhin sollte jeder Mitarbeiter im Zuge des Kulturwandels im Alltag spontan die richtigen kundenorientierten Entscheidungen - idealerweise auch alleine - treffen können. Unternehmen die so vorgehen, haben die Nase vorn.
In Ihrem Buch raten Sie Unternehmen, den Kunden ins Zentrum der Strategie zu stellen.
Das stimmt. Viele Unternehmen haben Kundenorientierung schon seit Jahren in Ihren Leitlinien definiert. Doch die Strategie, wirklich das komplette Unternehmen aus Kundensicht aufzustellen, steckt vor allem im deutschsprachigen Raum noch in den Kinderschuhen. Denn das bedeutet, jedes einzelne Kundenerlebnis zum Wettbewerbsvorteil zu machen.
Welche Unternehmen setzen diesen Ansatz in der Praxis schon um?
Die Vorreiter sind international tätige Konzerne wie beispielswese Amazon, Uber, Ritz Carlton und Apple und dass ist auch nicht weiter überraschend. Allerdings gibt es großen Informationsbedarf über die Prinzipien, die diese Firmen konsequent umgesetzt haben, um genau da zu landen, wo sie jetzt stehen.
So hat Apple beispielsweise die Prozesse umgedreht und damit sicherstellt, dass alles Denken beim Kunden beginnt. Viele der Unternehmen setzen deswegen auch bewusst auf Methoden, wie „Design Thinking“, die ein solches Denken fördern. “ Doch auch in Deutschland gibt es immer mehr Unternehmen, die hier auf einem guten Weg sind.
Die Gretchenfrage beim Thema Customer Experience ist, ob das Erlebnis die Kunden wirklich zum Kauf motivieren kann. Wie würde Sie diese Frage beantworten?
CX-Experten wären niemals damit zufrieden, wenn CX „nur“ zum Kauf motivieren würde. Es geht dabei auch um Loyalität, Wiederkauf, Empfehlung und Mundpropaganda und zwar Monate und Jahre nach einem Kauf. Genau da wird das Thema spannend und es entsteht langfristig der Ergebnistreiber – intern wie extern.
Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter für Customer Experience begeistern und die Kreativität anregen?
Am besten ist es, die Mitarbeiter mit Unternehmen in Kontakt zu bringen, die begeisternde CX abliefern. Gerne auch einfach aus anderen Branchen – der Übertrag auf das eigene Geschäft kommt danach. Das funktioniert, in Form eines Unternehmensbesuches oder bei einem Kongress wo viele Best-Practice-Beispiele vorgestellt werden. Oder auch einfach, indem Unternehmen die Tatsache nutzen, dass jeder Mensch auch selber Kunde ist. Idealerweise sollten Firmen dann nicht nur über Kundenerlebnisse sprechen, sondern für gemeinsame Erlebnisse sorgen. Frei nach dem Zitat von Konfuzius: "Erzähle mir und ich vergesse. Zeige mir und ich erinnere. Lass es mich tun und ich verstehe." Ich halte Verstehen tatsächlich für eine wesentliche Basis.
Wie könnten die ersten Schritte zu einer effektiven CX-Strategie aussehen?
Das hängt extrem vom Reifegrad und den Ressourcen des jeweiligen Unternehmens ab. In jedem Fall sollte speziell für die ersten Schritte ausreichend Know how vorhanden sein oder in das Unternehmen geholt werden. In jedem Fall müssen alle Führungskräfte an Bord sein, damit von Anfang an der Unterschied zu früheren Service- oder Kundenprojekten klar ist. Mit einer offenen Diskussion über Bedenken und möglicher Konflikte wird schon der Grundstein für die notwendige Kommunikationskultur gelegt. Ohne Fehlerkultur, Feedback und Transparenz kann das Thema nicht erfolgreich etabliert werden. Zusammengefasst würde ich sagen: Eine CX-Strategie braucht Inspiration und Lernen, ein Herzstück und eine klare, langfristig angelegte Roadmap zur kontinuierlichen Erfolgsprüfung und -adaptierung.