Im Interview erläutert IT-Service-Experte Sven Schindler-Grünholz, welche Herausforderungen mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im IT-Service-Management verbunden sind.
springerprofessional.de: Herr Schindler-Grünholz, welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI) aktuell im IT-Service-Management-Bereich?
Sven Schindler-Grünholz: KI spielt im IT-Service-Management (ITSM) derzeit eine untergeordnete Rolle, obwohl die Technologien verfügbar sind. Die praktische Anwendung hinkt den Erwartungen hinterher, da KI hauptsächlich zur Textanalyse und zur Generierung von Lösungsvorschlägen oder Artikeln für Wissensdatenbanken genutzt wird. Automatisierung, Workflow-Optimierung durch KI, Predictive Analytics und Strategic Portfolio Management (SPM) werden bisher kaum eingesetzt. Ein Grund dafür ist die notwendige Aufbereitung der Daten, die eine Hürde für Unternehmen darstellt. Sowohl Anwender als auch verfügbare KI-Funktionen stehen noch am Anfang ihrer Entwicklung, und es wird Zeit brauchen, bis das volle Potenzial von KI im ITSM realisiert wird.
Wo liegen die größten Vor- und Nachteile beim KI-Einsatz im IT-Service-Management?
Ein klarer Vorteil liegt in der Automatisierung und Effizienzsteigerung. KI-Systeme sind in der Lage, wiederkehrende Routineaufgaben zu automatisieren. Dies verkürzt die Bearbeitungszeit und entlastet das IT-Personal von repetitiven Aufgaben. Ein weiterer Vorteil ist die Verbesserung des Kundenerlebnisses. Dank KI können Kundenanfragen schneller und individueller bearbeitet werden, was die Zufriedenheit der Nutzer deutlich erhöht. Darüber hinaus kann KI mithilfe von Predictive Analytics potenzielle Service-Unterbrechungen frühzeitig erkennen und Maßnahmen zu deren Vermeidung einleiten. Dadurch werden Ausfallzeiten reduziert und die Servicequalität erhöht. Ein weiterer Vorteil ist die Skalierbarkeit von KI-Lösungen, die es Unternehmen ermöglicht, sich schnell auf neue Themen und Anforderungen einzustellen und auch mit großen Mengen strukturierter ITSM-Daten umzugehen.
Der Einsatz von KI birgt jedoch auch Risiken: Der größte und wichtigste Nachteil ist der fehlende persönliche Kontakt. Kunden können sich entfremdet fühlen, wenn sie beispielsweise das Gefühl haben, mit einer Maschine und nicht mit einem Menschen zu kommunizieren. Dies kann das Kundenerlebnis stark beeinträchtigen und zu Unzufriedenheit führen. Wir sehen gerade in diesem Bereich eine rasante Entwicklung und ich schätze, dass die Technologie in spätestens einem Jahr so weit sein wird, dass wir die Kommunikation mit einer KI nicht mehr von der Kommunikation mit einem Menschen unterscheiden können. Nicht zu unterschätzen sind auch die Kosten und der Aufwand für die Implementierung von KI-Lösungen. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie über die notwendigen finanziellen Mittel und das technische Know-how verfügen, um diese Technologien effektiv integrieren zu können.
Da KI-Systeme häufig mit sensiblen Daten arbeiten, sind auch Datenschutz- und Sicherheitsbedenken zu berücksichtigen. Um die daraus resultierenden Compliance-Risiken auf ein vertretbares Minimum zu reduzieren, sind strenge Sicherheitsmaßnahmen erforderlich. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass eine zu starke Abhängigkeit von KI die Fähigkeit der Mitarbeiter untergräbt, komplexe Probleme eigenständig zu lösen. Es ist wichtig, dass menschliche Fähigkeiten weiterhin gefördert werden.
Worauf legen ISTM-Nutzer hier Tool-übergreifend gerade Wert?
In der aktuellen ITSM-Landschaft zeichnet sich derzeit ein klarer Trend ab: Anwender legen Wert auf benutzerfreundliche und effiziente Lösungen. ITSM-Tools, die einfach zu bedienen sind und eine hohe Akzeptanz innerhalb der Organisation haben, tragen erheblich zur Steigerung der Effizienz und Produktivität bei. Ein weiterer Aspekt ist die zunehmende Wertorientierung. Es geht längst nicht mehr nur darum, IT-Services bereitzustellen, sondern den größtmöglichen Wert für das Unternehmen zu schaffen und diesen auch zu quantifizieren. ITSM-Tools, die in der Lage sind, den Wertbeitrag von IT-Services präzise zu bewerten und kontinuierlich zu verbessern, stehen deshalb gerade hoch im Kurs.
Die Geschwindigkeit der Einführung und die Nutzung von Out-of-the-Box-Funktionen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Unternehmen bevorzugen Standardprozesse, die schnell implementiert werden können, um ITSM-Lösungen zügig produktiv nutzen zu können. Hierbei sind Schnelligkeit und Effizienz sowohl bei der Service-Bereitstellung als auch bei der Tool-Einführung entscheidend. In Umgebungen mit mehreren ITSM-Tools rückt die Integrationsfähigkeit in den Vordergrund. Unterschiedliche Systeme schnell und effizient miteinander zu verbinden und einen reibungslosen Datenaustausch zu gewährleisten, wird als Schlüssel für eine moderne ITSM-Strategie angesehen.
Was gilt es beim KI-Einsatz zu beachten und welche Fehler sollten Unternehmen bei der Implementierung vermeiden?
Der Erfolg von KI im ITSM hängt stark von der Qualität der zugrunde liegenden Daten ab. Ohne repräsentative, aktuelle und unverzerrte Daten bleibt jedes KI-Projekt ein Glücksspiel. Die Daten müssen sorgfältig bereinigt und aufbereitet werden, um präzise und zuverlässige Ergebnisse zu erzielen. Ebenso wichtig ist die nahtlose Integration der KI in bestehende IT-Infrastrukturen. Eine isolierte KI-Lösung mag theoretisch gut aussehen, entfaltet ihren vollen Nutzen jedoch nur, wenn sie harmonisch in vorhandene Systeme eingebunden wird. Ein oft übersehener Punkt ist die kontinuierliche Pflege der KI-Modelle, die regelmäßig mit neuen Daten trainiert und an veränderte Bedingungen angepasst werden müssen. Viele Unternehmen begehen den Fehler, KI-Projekte ohne ausreichendes Fachwissen zu starten. Es ist entscheidend, entweder internes Know-how aufzubauen oder externe Expertise hinzuzuziehen und dabei realistische Erwartungen zu haben.
Compliance-Aspekte wie Datenschutz und ethische Richtlinien sind ebenfalls entscheidend und sollten nicht unterschätzt werden. Verstöße können das Unternehmensimage nachhaltig schädigen. Neben allgemeinen Regeln gibt es auch praktische Ansätze. Ein deutscher Tool-Hersteller nutzt beispielsweise bei Projekten zur Ticketdatenanalyse nur Daten, die nicht älter als ein Jahr sind. Vor Projektstart werden präzise Ziele und Kennzahlen festgelegt. Reicht die Datenbasis nicht aus, wird empfohlen, das KI-Projekt zu überdenken oder abzubrechen. Die Wahl des richtigen Partners ist also entscheidend, um sicherzustellen, dass ein KI-Projekt nicht zur Geldverschwendung wird. Unternehmen sollten jedoch nicht nur auf KI-Kompetenz eines potenziellen Partners, sondern vor allem auf seine Erfahrung im ITSM-Bereich achten. Die Kombination dieser Kenntnisse ist entscheidend für den Erfolg und die Verbesserung des IT-Service-Managements.