Dieser Aufsatz beleuchtet einige Spezifika von Musikhochschulen wie die besondere Prägung von vielen Musikstudierenden in der Kindheit, Einzelunterricht, Körperkontakt, Emotionalität als Ausdrucksmittel, anspruchsvolle Aufnahmeprüfung und der große Einfluss der Lehrenden auf ihre künstlerischen Karrieren. Anhand einiger Schlaglichter wird gezeigt, wie die Hochschulstrukturen und der alltägliche Umgang Grenzüberschreitungen, Diskriminierung und Machtmissbrauch begünstigen. Dies geschieht durch überzogenen Leistungsdruck und Angstmachen als didaktisches Mittel, fehlende Bewertungskriterien, intransparente Auswahlverfahren, unreflektiertes Übernehmen von sexistischen Schönheitsidealen, ein fehlendes normatives Gerüst mit gemeinsam vereinbarten Grundwerten, fehlende pädagogische Vor- und Weiterbildung von Lehrenden sowie Versperrung von Zugängen und Netzwerken. Präventive Maßnahmen müssen verhindern, dass hierarchische Situationen ausgenützt und Abhängigkeiten missbraucht werden. Aufgrund ihrer Erfahrungen als Frauenbeauftragte, die zu Grenzüberschreitungen und sexualisierter Belästigung ausdrücklich auch Männer und nicht-binäre Menschen berät, empfiehlt die Autorin verpflichtende Weiterbildungen für Lehrende zum Ausbalancieren von Nähe und Distanz und mehrsprachige, unbenotete Seminare für Studierende zum Umgang mit körperlichen und seelischen Grenzen. Abschließend werden drei Vorschläge zur Prävention von Machtmissbrauch, sexualisierter Belästigung und Gewalt gemacht, die über die Hochschulen hinaus in die Kulturbranche hineinwirken würden: Verhaltenskodizes, eine bundesweite Aufklärungskampagne sowie der Einsatz von Intimitätskoordinator*innen.
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Das „Red Flag System“ haben Betroffene aus Erfahrungsberichten von Übergriffen abgeleitet, die bis dahin als „normal“ abgetan wurden. Es ist ein Alarmsystem, das Personen einsetzen können, um für sich frühzeitig belästigendes Verhalten zu identifizieren. Es analysiert Situationen, in denen Menschen ihre Macht missbrauchen auf den Ebenen: Setting/Kontext, Verhalten Dritter, verinnerlichte Mythen und Techniken/Strategien von Täter*innen.