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19.08.2024 | Ladeinfrastruktur | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie die Ladeinfrastruktur der Zukunft aussehen könnte

verfasst von: Frank Urbansky

5:30 Min. Lesedauer

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Die Ladeinfrastruktur bleibt das Henne-Ei-Problem der Elektromobilität. Die meisten Ladevorgänge finden zu Hause statt. Für die Zukunft braucht es aber eine flexible und vor allem netzdienliche Lademöglichkeit für Elektroautos. Doch wie könnte diese aussehen?

Derzeit finden 80 % der Ladevorgänge zu Hause oder am Arbeitsplatz statt. Nur 20 % sind es unterwegs an Autobahnen, öffentlichen Ladepunkten in der Stadt oder an Geschäften. Und: Aktuell gibt es in Deutschland 115.308 solcher Ladepunkte, davon 93.261 Normalladepunkte und 22.047 Schnellladepunkte. Um das Ziel von einer Million Ladepunkten bis 2030 zu erreichen, müssten wöchentlich etwa 1.200 neue Ladepunkte installiert werden.

Dennoch liegt in der öffentlichen Wahrnehmung auf dem Ausbau der Ladeinfrastruktur für unterwegs, da viele potenzielle Elektrofahrzeugnutzer keine privaten Lademöglichkeiten haben und öffentliche Ladepunkte höhere Ladeströme bieten können. 

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Ladebedarf und Ladeinfrastrukturbedarf

Der heute dominierende, an vergleichsweise wenigen Standorten gebündelte Prozess der Energieaufnahme konventioneller Fahrzeuge in Form des Tankens dürfte durch die Elektromobilität auf vielfältige Weise dezentralisiert werden. Elektrofahrzeuge können an verschiedenen Standorten, an denen Strom verfügbar ist, geladen werden. Allerdings stehen nicht alle Lademöglichkeiten auch allen Fahrzeugen zur Verfügung.

Bidirektionales Laden für Netze gut

Eine wichtige Rolle wird in diesem Kontext auch das bidirektionale Laden spielen. Dabei können Elektrofahrzeuge nicht nur Strom laden, sondern auch Strom ins Netz zurückspeisen. Vor zwei Jahren gab es in Deutschland weder Ladestationen noch Fahrzeuge oder Netzbetreiber, die dies ermöglichen wollten. Inzwischen gibt es erste Angebote. Durchgesetzt hat sich das aber noch nicht.

Die Gründe hierfür sind vielfältig: So gibt es noch keine einheitlichen Standards für bidirektionales Laden. Die Infrastruktur, wie spezielle Ladegeräte und entsprechende Software, ist noch nicht weit verbreitet. Und: Die Installation und Wartung der notwendigen Hardware und Software für bidirektionales Laden sind teuer. Viele potenzielle Nutzer und Unternehmen zögern, diese Investitionen zu tätigen.

Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für bidirektionales Laden sind komplex und unklar. Es fehlen klare Regelungen und Anreize für die Rückspeisung von Strom ins Netz. Bidirektionales Laden erfordert zudem fortschrittliche Batteriemanagementsysteme und robuste Kommunikationstechnologien.

Es fehlt an Aufklärung und Marketing

Diese technischen Anforderungen sind noch nicht flächendeckend erfüllt. Hinzu kommt, dass viele Verbraucher und Unternehmen sich der Möglichkeiten und Vorteile des bidirektionalen Ladens nicht bewusst sind. Es fehlt an Aufklärung und Marketing. Dabei bestehen gerade hier Chancen im stark schwankenden Strommarkt, wie die Analyse von Andreas Burkert Chancen einer netzdienlichen Ladeinfrastruktur aus der MTZ 7-8/2024 gezeigt hat.

Und das funktioniert wie folgt: Die Stromgestehungskosten aus erneuerbaren Quellen können in Deutschland an manchen Tagen negativ werden. Das wiederum schafft einen Milliardenmarkt für elektrische Speicher. Dies fördert auch die Elektromobilität, da einige Ladeparks den Stromspotmarkt EPEX nutzen, um Investitionen schneller zu amortisieren. Beispielsweise benötigt ein 15-MW-Windrad in der Nordsee nur 9 min, um den jährlichen Strombedarf eines VW E-Up! zu decken. Allerdings wird erneuerbarer Strom oft nicht dort und zu der Zeit produziert, wo er gebraucht wird.

Stationäre Speicher nötig

Ladeparks könnten dies im Arbitragehandel nutzen, um Strom günstig zu kaufen und bei hohen Preisen zu verkaufen. Doch dazu braucht es Speicher. Volkswagen etwa betreibt im Werk Kassel ein Test-Powercenter mit gebrauchten E-Up!-Batterien als Speicher. Auch BMW, Audi und Daimler setzen verstärkt auf stationäre Stromspeicher, um ihre Ladeinfrastruktur zu stabilisieren.

Der Markt für stationäre Batteriespeicher wächst auch deshalb, unterstützt durch sinkende Preise für Lithium-Ionen-Akkus. In Deutschland sind über 8 GW an stationären Batteriespeichern mit einer Kapazität von 12 GWh installiert. Bis 2030 soll die Nachfrage nach Batteriespeichern jährlich um 30 % steigen und ein Marktvolumen von 400 Milliarden US-Dollar erreichen.

Kommunalen Energieversorger ziehen mit

Diese Entwicklung geht auch an den Energieversorgern nicht vorbei. Die Management- und Technologieberatung Bearingpoint analysierte in ihrer Stadtwerke-Studie 2024 den E-Mobilitätsmarkt. Demnach haben gerade regionale Energieversorger früh auf Elektromobilität gesetzt, um Rückgänge im klassischen Energieversorgungsgeschäft zu kompensieren.

Obwohl der E-Mobilitätsmarkt bis 2035 ein Potenzial von 80 Milliarden Dollar hat, klagen 60 % der Energieversorger über die geringe Wirtschaftlichkeit ihrer E-Mobilitätsangebote. Der Markt konsolidiere sich und das Wachstum verlangsame sich aufgrund des verhaltenen Kundeninteresses und der dynamischen Entwicklung des Lademarktes.

Energieversorger fokussierten sich zunehmend auf tragfähige Geschäftsmodelle und Effizienzsteigerungen. Trends wie bidirektionales Laden und E-Mobilität für Nutzfahrzeuge müssten frühzeitig berücksichtigt werden. Regionale Energieversorger profitierten dabei von ihrer Nähe zu den Kunden und könnten maßgeschneiderte Lösungen anbieten. Bis 2030 müssten auch durch sie 900.000 neue öffentliche Ladesäulen errichtet werden, was ihre Relevanz erhöht.

Neue Produkte für Ladeinfrastruktur

Diese Entwicklung wird flankiert durch zahlreiche neue Produkte und Projekte, von denen einige hier genannt werden sollen.

  • Kompakter Energiezähler EMpro DC: Der EMpro-DC-Energiezähler misst präzise Ströme und Spannungen bis zu 650 A/1000 V DC und benötigt nur sechs Teileinheiten auf der Tragschiene. Dank integrierter Kühlkörper arbeitet er zuverlässig in einem Temperaturbereich von -40 bis +80 °C. Ausgestattet mit einer RS-485-Schnittstelle und Eichrechtszulassung, eignet er sich ideal für Abrechnungszwecke in der Ladeinfrastruktur.
  • Projekt GaN4EmoBiL für bidirektionales Laden: Das Projekt GaN4EmoBiL entwickelt neue Halbleitertechnologien für die 800-V-Klasse, um effizientes bidirektionales Laden zu ermöglichen. Partner wie das Fraunhofer IAF, die Universität Stuttgart, Bosch und Ambibox arbeiten zusammen, um kostengünstige GaN-Technik und neue Systemkomponenten wie bidirektionale Ladekabel zu entwickeln.
  • Sensor Melexis MLX91230 für Speichermanagement: Der Stromsensor MLX91230 von Melexis bietet eine Messgenauigkeit von 0,5 % und eignet sich für Batteriemanagement- und Stromverteilungssysteme in Elektrofahrzeugen. Er ist AEC-Q100- und ASIL-konform und unterstützt die Systemintegration bis zu ASIL D gemäß ISO 26262.
  • ProBloc EV T2 V bietet Überspannungsschutz für Ladestationen: Die ProBloc EV T2 V von Raycap schützt AC-Ladestationen und Wallboxen vor Überspannungsschäden. Sie bietet eine Kurzschlussstromfestigkeit von 10 kA, ist schnell zu installieren und ermöglicht eine kontinuierliche Überwachung durch visuelle Statusanzeige und optionalen Fernsteuerungskontakt.
  • Weidmüller Smart Charge mit Lastmanagementsystem für Ladepunkte: Das Smart-Charge-Lastmanagementsystem von Weidmüller optimiert die Stromverteilung in Gebäuden mit mehreren Ladepunkten und verhindert Lastspitzen und Blackouts. Es unterstützt bis zu 50 Wallboxen und passt die Strommenge flexibel an Verbrauchsschwankungen an.
  • Förderung von Schnellladeinfrastruktur durch das BMDV: Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) fördert über die Now GmbH Ladepunkte mit einer Leistung >50 kW und den Netzanschluss. Das Programm richtet sich an Gewerbebetriebe und Flottenanwender, inklusive Lkw-Ladepunkte, und ist pro Antrag auf fünf Millionen Euro begrenzt.

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