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23.02.2022 | Ladeinfrastruktur | Schwerpunkt | Online-Artikel

China belebt den Wechsel-Akku für Elektroautos

verfasst von: Christiane Köllner

6:30 Min. Lesedauer

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Die Tauschbatterie galt vor zehn Jahren als vielversprechend, doch ihr Marktanlauf scheiterte. Jetzt setzt China neue Impulse für das Wechselsystem. Mit CATL und Geely sind jüngst Großkonzerne auf das Wechselakku-Geschäft aufgesprungen.

Die Idee ist nicht neu, verschwand aber für längere Zeit aus der Diskussion und scheint nun wieder aufzutauchen: Die Rede ist vom Konzept des Batterietauschs beziehungsweise von Batteriewechselstationen für Elektroautos. Neuen Aufwind erhält das Tauschkonzept gerade aus China. Statt zu Laden wird hierbei der leere Akku eines Elektroautos einfach an einer Wechselstation mit einem vollgeladenen getauscht. Das soll die Reichweite des Elektroautos ohne lange Ladevorgänge rasch verlängern. Auf den ersten Blick eine einleuchtende Idee. 

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Batteriewechselstationen für Elektroautos — China setzt einen neuen Standard

Im Jahr 2007 wurde vom früheren SAP-Manager Shai Agassi das Unternehmen „Better Place“ gegründet. Die Idee von Agassi war, landesweit ein System von Batteriewechselstationen aufzubauen, um das Reichweitenproblem bei Elektroautos zu lösen. In weniger als zehn Minuten kann der leere Akku eines Elektroautos an einer Wechselstation mit einem vollgeladenen getauscht werden. Elektro autos wären nicht mehr durch zeitraubende Ladevorgänge gehandicapt. Das Elektroauto würde funktionieren wie ein Diesel- oder Benzin-Pkw. Eine eingängige Idee.

Grundsätzlich geht der Batteriewechsel an den Stationen einfach und schnell: Leerer Akku raus, voller Akku rein und weiter geht's. Und dabei hat der Autobesitzer die Chance, den neuesten Stand der Batterietechnik verbaut zu bekommen. Im Gegensatz zum Schnellladen beschleunigt ein Tausch auch nicht die Batteriealterung. Wechselstationen können Batterien zudem antizyklisch und langsam laden, was die Akku-Lebensdauer erhöht, sowie Strom bei Nachfragespitzen in die Netze geben. 

Erste Anläufe scheiterten

Erste Anläufe für solche Wechselstationen scheiterten jedoch und erwiesen sich als wenig marktfähig. Das israelische Start-up Better Place, 2007 von Ex-SAP-Manager Shai Agassi gegründet, leistete Pionierarbeit beim automatischen Austausch von E-Auto-Akkus. Renault hatte dazu die damalige E-Version der Kompakt-Limousine Fluence für die Batteriewechsel-Stationen ausgelegt. Die Idee setzte sich jedoch nicht durch und Better Place musste 2013 Insolvenz anmelden. Später experimentierte Tesla mit der Technologie und baute einige Pilotstationen in Kalifornien. Der US-amerikanische E-Auto-Hersteller gab das Konzept aber bald wieder auf, weil die Kunden kein Interesse zeigten.

Doch jetzt wagen chinesische E-Auto-Hersteller einen neuen Anlauf. Der Elektroautohersteller Nio hat ein Battery-as-a-Service-Angebot für Kunden in China gestartet und drängt mit seinen Fahrzeugen mit Akkuwechseltechnik auch nach Europa. Und der chinesische Autokonzern Geely plant, 5.000 Batteriewechselstationen für Elektroautos bis zum Jahr 2025 in China zu errichten. Kürzlich hat Geely auch ein Joint Venture mit dem von ihm kontrollierten Fahrzeughersteller Lifan Technology gegründet, um ein Batterietausch-Ökosystem für Elektroautos aufzubauen. Im Januar hat die CATL-Tochter CAES die Batteriewechsel-Lösung Evogo mit modularem Batteriewechsel vorgestellt. Das System soll mit Fahrzeugen verschiedener OEM kompatibel sein.

Aber auch in den USA nimmt das Konzept Fahrt auf. Das Start-up Ample betreibt derzeit fünf Batterietauschstationen in der San Francisco Bay Area, speziell für Uber-Fahrer. Zudem hat Ample zwei Partnerschaften mit den Investoren Shell und Eneos verkündet, um Pilotprojekte in den USA und Japan zu starten.

"Unter 'normalen' Marktgesetzen keine Chance"

Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Center Automotive Research in Duisburg, spricht den Wechselstationen der zweiten Generation gute Chancen zu und rät in seiner Analyse Batteriewechselstationen für Elektroautos – China setzt einen neuen Standard davon ab, die technische Entwicklung zu ignorieren. Allerdings hält er auch fest: "Unter 'normalen' Marktgesetzen haben Batteriewechselsysteme keine Chance zum Durchbruch", so der Autoexperte. Hierzu führt er folgende Gründe an: 

  • Fokus auf dem Schnellladen: Tesla, der VW-Konzern, Mercedes, BMW sowie alle anderen westlichen Autobauer hätten kein Interesse am Batteriewechselgeschäft. Stromkonzerne, Stadtwerke, Mineralölgesellschaften und die Autobauer selbst setzten auf das Schnellladen. "Wenn die eine Infrastruktur steht, ist es sehr schwer, Investoren von einer konkurrierenden zu überzeugen", so Dudenhöffer. 
  • Kürzere Ladezeiten: Die Ladezeiten der Elektroautos werden kürzer. Hohe Ladespannungen, bei Porsche bis 800 V, ermöglichten Schnellladevorgänge in weniger als 20 min, so Dudenhöffer. Des Weiteren mache die Batterietechnik Fortschritte. 
  • Es gibt keine Einheitsbatterie: Eine Wechselstation-Infrastruktur brauche hohe Standardisierungen um eine "Einheitsbatterie", so Dudenhöffer. Doch die "eine" Batterie gäbe es nicht. Es würden unterschiedliche Zellformate verbaut und oft seien die Zellen, selbst im gleichen Format, deutlich differenziert. "Große Vielfalt an unterschiedlichen Batterietypen auf Lager zu halten, zerstört die Ökonomie eines Batteriewechselstationssystems", sagt Dudenhöffer.
  • Die Batterie ist ein Differenzierungsmerkmal: Die Autohersteller haben kein Interesse an einer Standardisierung ihrer Batteriepacks. "Die Batterie ist das neue Herz des Autos, und die Leistungsfähigkeit der Batterie definiert den Wettbewerbsvorsprung des Autobauers", so Dudenhöffer.
  • Die Plattformen sind nicht für Akku-Wechsel ausgelegt: Es gäbe laut Dudenhöffer kein westliches Autobauunternehmen, das seine Elektroautos so konstruiere, dass ein Batteriepack in kurzer Zeit gewechselt werden könne. Dazu kommt: Die fest verbaute und hochintegrierte Batterie trägt in vielen Elektroautos auch zur integralen Sicherheit und dem Energiemanagement des Fahrzeugs bei. 

Was Dudenhöffer nicht ausführt, aber eine weitere Herausforderung darstellt, ist, dass der Aufbau von Netzwerken mit austauschbaren Akkus – die gelagert, geladen, zu den Stationen transportiert und gewartet werden müssen – wohl weitaus komplexer und kostspieliger wäre als der einfache Anschluss von E-Fahrzeugen an das bestehende Netz. Hinzu kommen beim Akku-Wechsel auch Garantie- und Haftungsfragen.

China gibt globale Entwicklung vor

Für China, so Dudenhöffer, hätte ein Batteriewechselsystem aber durchaus Charme, da China mit dem Wechselstationenmodell die Chance sieht, klare Wettbewerbsvorteile für das Land und seine Unternehmen aufzubauen. Wenn jemand "einen Technologiewechsel durchsetzen kann, dann ist es China. China ist durch seinen riesigen Binnenmarkt Königsmacher. China definiert den Standard", so Dudenhöffer.

Und die Bilanz der Wechselstationen im Land der Mitte ist nicht schlecht. Im Juni 2021 waren 716 Wechselstationen in Betrieb. Denn der Akku-Wechsel wurde zur Chefsache erklärt: Bereits im April 2020 haben Regierungsbehörden mitgeteilt, so berichtet Dudenhöffer, dass Elektroautos über einer Preisgrenze von 300.000 Yuan (rund 42.000 US-Dollar) nicht mehr unter das staatliche Prämienprogramm fallen, es sei denn, es handele sich um Fahrzeuge mit austauschbaren Batterien. Im Mai 2020 hatte Chinas Regierung Batteriewechselstationen in den "Neuen Infrastrukturplan" aufgenommen. Nahezu alle chinesischen Autobauer seien dabei, so Dudenhöffer, ihre Elektroautos auf das Batteriewechselsystem auszurichten. Mit seiner Größe und der Marktmacht setze China so einen Infrastrukturstandard. 

Konfrontation oder Kooperation?

Ob sich die positive Prognose Dudenhöffers für das Batteriewechsel-Konzept in China erfüllt, hängt im Wesentlichen von der staatlichen Förderung und Standardisierung bei Batterien und Stationen ab. Und an dieser Stelle geht China nun voran und hat einen Industriestandard für die Wechseltechnik auf den Weg gebracht. Chinas staatliche Behörde für Marktregulierung (SAMR) hat den Nationalen Standard für Sicherheitsanforderungen an Batteriewechsel bei Elektrofahrzeugen (GB/T 40032-2021) genehmigt, so berichten chinesische Medien, der von Unternehmen wie Nio, Beijing Electric Vehicle und Geely erarbeitet wurde. Seit 1. November 2021 ist sie in Kraft und legt Sicherheitsanforderungen, Testmethoden und Inspektionsregeln für Elektrofahrzeuge mit austauschbaren Batterien fest.

Was bedeutet das für die westlichen Autobauer? Sie müssten "entweder in zwei Welten […] leben oder ihre Fahrzeugarchitekturen an den China-Standard" anpassen, sagt Dudenfhöffer. Beides seien kostenträchtige Vorhaben. Um mit dem Phänomen "Größe setzt den Standard" umzugehen, bieten sich dem Autoexperten zufolge zwei Möglichkeiten. Erstens, durch die Schaffung eigener Größe und einer Gegenmacht. Zweitens, ein Kooperationsmodell, für das Dudenhöffer eher votiert. 40 % der Umsätze der deutschen Autobauer kämen aus China. Kooperation auf ökonomischem Feld zeige Erfolg.

Batteriewechselstationen auch in Europa?

Für Europa erscheint es sehr zweifelhaft, ob die Wechseltechnik eine Zukunft hat. Vor zehn Jahren, als die meisten E-Fahrzeuge noch geringere Reichweiten hatten und es kaum öffentliche Ladestationen gab, mag der Batterietausch eine gute Idee gewesen sein. In Europa setzt sich derzeit niemand erkennbar für das Konzept ein. Auch von der für das Konzept notwendigen Kooperation der Autohersteller ist derzeit nichts zu sehen. Einzig Luca de Meo, Chef der Renault-Gruppe, äußerte sich im vergangenen Jahr dazu. Er halte die Batteriewechsel-Funktionalität laut Medienberichten für eine interessante Möglichkeit. Beschlossen sei aber nichts. Immerhin tauchten Wechselakkus bei Renault schon Anfang 2020 wieder auf – im Konzeptfahrzeug Renault Morphoz.

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