Die Tarife für das Laden von Elektroautos sind nicht nur sehr unübersichtlich. Das schnelle Laden wird auch durch hohe Netzentgelte belastet – ein kaum zu lösendes Problem.
Im besten Falle könnte das Laden von Elektroautos der Netzstabilisierung dienen. "Gesetzlicher Rahmen für netzdienliches Laden ist derzeit der formal bereits bestehende § 14a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG, steuerbare Verbrauchseinrichtungen in Niederspannung). Für dessen Umsetzung in der Praxis ist jedoch eine Rechtsverordnung zu erarbeiten, die unter anderem die Höhe der finanziellen Kompensation in Form von Netzentgeltreduktionen sowie die erlaubten Steuerungshandlungen seitens der VNB und der Energieversorger konkretisiert", beschreibt ein Springer-Autorenkollektiv um Marina Dreisbusch in seinem Zeitschriftenbeitrag Regulierung des netzdienlichen Ladens aus der Nutzerperspektive auf Seite 73 den derzeitigen, auch etwas unklaren rechtlichen Stand.
Doch in der Praxis ist es so, dass das Laden von schnellladenden Autos nicht belohnt, sondern bestraft wird. Dabei wäre gerade hier eine rechtliche Regelung dringend geboten. Denn die Elektromobilität boomt – auch dank staatlicher Zuschüsse. Bis zu 9.000 Euro gibt es je Fahrzeug, 900 Euro für eine private Wallbox zum (wenn auch nicht schnellen) Laden und finanzielle Unterstützung bei der Installation der Ladeinfrastruktur im öffentlichen oder gewerblichen Bereich.
Falsche Tarife können teuer werden
Das führte letztlich dazu, dass im März 2021 jedes zehnte neu zugelassene Fahrzeug ein vollelektrisches war. Deren Halter können aktuell zwischen 383 Tarifen von über 200 unterschiedlichen Anbietern wählen. Das ermittelte EUPD Research. Das ist nicht nur unübersichtlich, sondern auch potentiell teuer: "Die falsche Tarifwahl kann je nach Fahrleistung schnell mehrere tausend Euro pro Jahr zusätzlich kosten. Zwischen den jeweiligen Durchschnittskosten und dem teuersten Tarif liegen zwischen 121 und 330 Prozent Preisaufschlag", so die Marktforscher aus Bonn.
Für Vielfahrer seien etwa Flatrate-Tarife oder Tarife mit Pauschalpreisen vorteilhaft, um den hohen Ladebedarf kostengünstig abzudecken. Für Wenigfahrer lohnten sich Flatrates meist nicht. Stattdessen überzeugten hier regional verfügbare Angebote mit günstigen Kosten pro Kilowattstunde.
Doch gerade die Vielfahrer, die eigentlich von festen Preismodellen profitieren sollten, könnten bei diesen auch deutlich draufzahlen – wenn sie schnell laden wollen. "Wenn der Ausbau der Schnellladeinfrastruktur gelingen soll, muss der Bund auch die lange überfällige Reform der Netzentgelte angehen", sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. Die derzeitige Verteilung der Netzkosten über die Netzentgelte passe nicht zu einer Welt, in der Elektrofahrzeuge in kurzer Zeit viel Strom laden.
Gemeinsam mit The Regulatory Assistance Project (RAP), einem global agierenden Expertenteam mit Spezialisierung auf langfristige wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit des Strom- und Erdgassektors, hat sein Thinktank in einem Diskussionspapier gezeigt, wie die Fixkosten für Aufbau und Betrieb von Schnellladepunkten deutlich höher als für Normalladepunkte und stark vom Standort abhängig ausfielen. Die Investoren hätten sich bisher auf die wirtschaftlich attraktivsten Standorte konzentriert, vor allem entlang von Bundesfernstraßen.
Mit einem Schnellladegesetz und Ausschreibungen will die Bundesregierung eine flächendeckende und verbraucherfreundliche Versorgung gewährleisten. "Bei der Ausgestaltung dieses Instruments ist viel Fingerspitzengefühl gefragt", sagt Jan Rosenow, Europa-Direktor von RAP. Die Ungleichgewichte bei der Verteilung der Netzkosten ließen sich in den Ausschreibungen kurzfristig nur ausgleichen, indem Regionen mit verschiedenen Netzkosten in einem Los zusammengelegt würden oder indem der Staat die Kosten vorübergehend übernimmt.
Leistungspreise verteuern Schnellladen
Problematisch sei insbesondere das Leistungspreissystem bei der Erhebung der Netzentgelte. Dieser werde auf die Spitzenleistung an der Ladesäule erhoben, selbst wenn diese Leistung nur ein einziges Mal im Jahr anfalle und das Stromnetz zu diesem Zeitpunkt engpassfrei sei. Die Höhe variiere zudem von Netz zu Netz um über 1.200 Prozent. Besonders in der Anfangsphase, wenn die Ladesäulen noch wenig genutzt würden, sei dies ein großes Hindernis.
Bei der Ladeinfrastruktur sei es sinnvoller, die Netzkosten auf den geladenen Strom zu verlagern, mit einem durchschnittlichen Netzarbeitspreis pro Kilowattstunde. EU-Länder wie Italien, Portugal und Spanien könnten hier als Beispiel dienen. Mittelfristig empfehlen die Organisationen eine grundsätzliche Neuausrichtung der Netzentgelte.
Schnellladen wird nicht subventioniert werden
Doch genau das wird kaum passieren. Derzeit ist nicht abzusehen, dass der Bund neben den üppigen Subventionen auch noch das Schnellladen direkt subventioniert. Denn darauf liefe der Vorschlag von Agora und RAP hinaus. Im Gegensatz zu den bisherigen Förderungen für Autos und Wallboxen sowie Ladeboxen, für die eine feste Summe im Bundeshaushalt eingestellt und gedeckelt wird, könnte man hier kaum einen festen Betrag einstellen. Zudem würden die Kosten von Jahr zu Jahr steigen. Niemand kann derzeit sagen, wie lange dies anhält, weil das Schnellladen nach wie vor noch in der Anfangsphase steckt.
Auch seitens der Netzbetreiber ist kein Einlenken zu entdecken. Derzeit investieren sie vor allem, ohne dafür einen nennenswerten Gegenwert zu erhalten. Denn das Betreiben einer Ladeinfrastruktur ist nach wie vor nicht kostendeckend – auch wenn dies vorerst auf die Energieversorger zurückfällt, mit denen die Netzbetreiber aber immer eng wirtschaftlich verbandelt sind – und könnte dies erst bei einem ausreichenden Hochlauf an zugelassenen Elektroautos sein. Selbst die für 2022 avisierten eine Million E-Mobile auf deutschen Straßen reichen dafür nicht aus.
Und es gibt natürlich noch eine andere Sichtweise. "Eine Anpassung der Netzentgelte auf Basis der bezogenen Maximalleistung gilt als diskriminierungsfrei und würde unnötige Beanspruchung von hohen Leistungen entgegenwirken", benennt diese Springer-Autor Dominik Fasthuber in seinem Zeitschriftenartikel Integration der Ladeinfrastruktur in das elektrische Energiesystem auf Seite 160. Sprich: Wer mit schnellem Laden das Netz stärker belastet, soll auch mehr zahlen.